Aufrechnung von Steuern gegen Unterhalt bei Abtretung der Erstattung
Beispiel: A ist verpflichtet für ein Kind Unterhalt zu zahlen. Da er für ältere Zeiträume nicht zahlen konnte, wurden von der Stadt X Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbracht. Die Stadt X übersandte dem für A zuständigen Finanzamt ein Aufrechnungsersuchen (in 2019) und teilte mit, dass die Unterhaltsansprüche auf das Land übergegangen seien, was u. a. Voraus-setzung für eine vollumfängliche Aufrechnung ist.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2019 errechnete das Finanzamt für A einen Erstattungsanspruch. Den Erstattungsanspruch hat er an die Kindsmutter B abgetreten (in 2020) und als Grund "Unterhaltsschulden/Zahlung für die Kinder" angegeben. Das Finanzamt zahlte aber nicht an B aus, sondern erklärte ihr (Neugläubiger) die Aufrechnung mit "vorrangigen Forderungen" der Stadt X.
Aufrechnungsvoraussetzungen nach AO und BGB gegeben
Es ist im Beispielfall unstreitig das die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach AO und BGB vorliegen. Für die Aufrechnung gelten dabei gemäß § 226 Abs. 1 AO grundsätzliche die Vorschriften der §§ 387 ff. BGB sinngemäß. Für die danach erforderliche Aufrechnungslage müssen zwei gleichartige Forderungen, die zwei Personen einander schulden, bestehen, wobei die zur Aufrechnung gestellte Forderung fällig und die andere Forderung erfüllbar sein muss. § 406 BGB bestimmt darüber hinaus, dass der Schuldner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen kann, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist (hier Ausnahmen nicht gegeben).
Aufrechnung scheitert aber an § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG
Aktuell hat aber das FG Niedersachsen entschieden (Urteil v. 19.5.2020, 8 K 218/19), dass eine Aufrechnung nach § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG scheitert. Hier wird bestimmt, dass der Forderungsübergang nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden kann, soweit dieser für eine spätere Zeit, für die er keine Unterhaltsleistungen nach dem UVG erhalten hat oder erhält, Unterhalt von dem Unterhaltspflichtigen verlangt. Damit enthält das Gesetz eine ausdrückliche Regelung der widerstreitenden Interessen des Kindes einerseits und des Trägers der Unterhaltsvorschusskasse andererseits für den Fall, dass nach der Beendigung der Unterhaltsvorschussleistungen die Regressansprüche der öffentlichen Hand mit den dann bestehenden laufenden Unterhaltsansprüchen des Kindes konkurrieren. In diesem Fall hat – unter den in § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG genannten weiteren Voraussetzungen – der Anspruch des Unterhaltsberechtigten Vorrang gegenüber dem übergegangenen Anspruch. Dieses Verbot, den Unterhaltsberechtigten zu benachteiligen, ist sowohl im Verhältnis zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen als auch im Verhältnis zwischen dem Legalzessionar und dem Unterhaltsschuldner zu berücksichtigen.
Das Finanzamt hat im Klageverfahren u. a. vorgebracht, dass es sich bei der Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG um eine vollstreckungsrechtliche Vorschrift handelt, die bei der Aufrechnung, die keine Vollstreckungshandlung ist, keine Anwendung findet. Die Einschränkungen der Vorschrift sind nach der Auffassung des FG aber auch im Falle einer Aufrechnung zu berücksichtigen. Zwar handele es sich bei der Aufrechnung nicht um eine Vollstreckung im engeren Sinne. Jedoch diene die Aufrechnung letztlich – unter Aufgabe einer eigenen Forderung – genau wie die Zwangsvollstreckung dem Anliegen, eine eigene Forderung zu befriedigen. Würde man die Rechtswirkungen der Vorschrift bei der Aufrechnung außer Betracht lassen, könnte im Ergebnis die Unterhaltsvorschusskasse über die Aufrechnung ein Ergebnis erreichen, welches sie im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht erreichen könnte. Da die Interessen der von § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG geschützten Unterhaltsberechtigten sich jedoch bei Aufrechnung einerseits und Zwangsvollstreckung andererseits nicht unterscheiden, würde dies auf eine Aushöhlung des Schutzzwecks der Norm hinauslaufen, zumal eine Aufrechnung gerade nicht zu einer Besserstellung gegenüber der Durchsetzung der Forderung im Rechtsweg führen soll, so das FG.
Keine Revision eingelegt
Hierzu gilt anzumerken, dass die Argumentation des FG bezüglich der Befriedigung durch die Aufrechnung (im Rahmen der Vollstreckung nicht möglich) m. E. nicht ganz schlüssig ist. Im Insolvenzverfahren mit anschließendem Restschuldbefreiungsverfahren passiert nämlich des Öfteren genau das, was das FG als Besserstellung darstellt. Das Finanzamt kann nämlich nach einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung mit Insolvenzforderungen aufrechnen, obwohl eine Zwangsvollstreckung eben nicht möglich ist.
Daher wäre eine BFH-Entscheidung wünschenswert gewesen. Trotz zugelassener Revision, ist es aber nicht zu einem Revisionsverfahren gekommen. In vergleichbaren Fällen kann sich aber auf die rechtskräftige Entscheidung des FG Niedersachsen bezogen werden. Bei ablehnender Haltung durch ein Finanzamt bleibt nach Erteilung eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO aber nur der Gang vor das Finanzgericht.
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