So ticken Mandanten wirklich


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So ticken Mandanten wirklich

Wenn Sie den Vorschlag unterbreiten, Ihr Mandant solle sich betriebswirtschaftlich beraten lassen und dafür bezahlen, müssen Sie mit einer Reihe von Reaktionen rechnen, die oft unbemerkt ablaufen. Gehen Sie daher behutsam mit kleinen und überschaubaren Schritten vor, die schnelle, selbst kleine Erfolgserlebnisse für Mandanten und Kanzlei garantieren und berücksichtigen Sie die genannten Einwände in Ihrer Kommunikation.

Zu den typischen Reaktionen gehören:

  • der insgeheime Verdacht, Sie wollten sich eine zusätzlich Rechnung am Monatsende sichern
  • die Angst, sich auf Grund fehlender Kenntnisse zu blamieren
  • die Sorge, mit einem weiteren Zahlenberg konfrontiert zu werden, wo doch der erste (BWA und Jahresabschluss) schon nicht verstanden wurde
  • die Einschätzung, dass ein fundierter Blick auf das Bankkonto ausreicht
  • Bedenken, dass ein tiefer Blick in die Unternehmensrealitäten Unangenehmes zutage fördert
  • die Befürchtung, die Beratung genauso wenig zu verstehen wie die anderen Erklärung des Steuerberaters (was nicht immer nur am Mandanten liegen muss)
  • eine generelle Ablehnung des Themas, mit dem man lieber nichts zu tun haben möchte (siehe nächster Absatz)
  • die Annahme, dass der Steuerberater dies kostenlos zu leisten hätte
  • der Verdacht, dass „das alles“ nichts bringt

Verbreitete Vorbehalte in Kanzleien wie etwa „das will keiner“ oder „dafür bezahlt niemand“ und auch „das läuft bei uns alles schon perfekt“ sollen nicht Gegenstand dieses Top-Themas sein, relevant sind sie trotzdem. Die passende innere Einstellung und ein gewisses Durchhaltevermögen werden auch von Seiten der Steuerberatung benötigt.

Zu einigen der genannten Vorbehalte aus Mandantensicht möchte ich die Ursachen näher betrachten.

Generelle Ablehnung des Themas Rechnungswesen 

Das Ausbildungsproblem

Schlagen Sie ein beliebiges klassisches Lehrbuch auf, betrachten Sie die Abschlussprüfungen Ihrer kaufmännischen Auszubildenden oder Studierenden. Was finden Sie praktisch auf jeder Seite? Richtig: Gesetze. Verordnungen. Paragrafen. Bilanzrichtlinien.

Hinzu kommen Erläuterungen, wie man sich finanzamtskonform verhält, welcher Gesetzentwurf in Arbeit ist oder welcher Paragraf in welchem Absatz mit welchem Verweis möglicherweise Sonderregelungen bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Einzelfällen enthält. Manchmal frage ich mich, wie die doppelte Buchführung überhaupt entwickelt werden konnte in den letzten 600 Jahren, als diese Regelungen den Fuggers, den Rothschilds oder den Finanziers der großen westindischen Schifffahrtsrouten noch nicht zur Verfügung standen.

So werden junge Menschen ausgebildet: Als ob alle Spezialisten werden müssten, Buchhalter, Steuerberater oder Finanzbeamte, aber nicht unternehmerisch denkende Anwender des Rechnungswesens.

Gehen Sie davon aus, dass Ihre kaufmännischen Mandanten genau durch diese Schule gelaufen sind. Oder, bei Nichtkaufleuten, durch keine kaufmännische Ausbildung. Entsprechend ausgeprägt ist die Wahrnehmung des Rechnungswesens als eine Erfindung der Verwaltung, die man über sich ergehen lässt und teure Profis dafür bezahlt, dass sie einem dieses Problem vom Halse halten. Der betriebswirtschaftliche Nutzen wird nicht erkannt, das Thema verdrängt.

Das ist einer der Gründe, der zu einer generellen Abneigung des das Rechnungswesen geführt hat. Selbstverständlich gilt das nicht alle Entscheider. Die Sichtweise ist jedoch ausreichend verbreitet und verdient Beachtung.

Weitere Mandantengruppen und ihre Sichtweisen

Kaufmännische Abteilungen

Eigene kaufmännische Abteilungen sind mit Profis besetzt. Für diese würden Sie auch weniger eine kaufmännische Beratung aufbauen wollen.

Allerdings arbeiten auch diese Spezialisten mit Fachabteilungen zusammen und berichten an die Geschäftsführung. Es ist nicht immer ausgemacht, inwieweit die professionell aufbereiteten Daten tatsächlich von den Adressaten verstanden und zur Unternehmensführung eingesetzt werden.

Als Beraterin oder Berater können Sie helfen, wenn Sie zwischen der Geschäftsführung, den Fachabteilungen und der kaufmännischen Abteilung als anerkannter Experte, als Expertin vermitteln können.

Nichtkaufleute: Ingenieure, Juristen, Mediziner und andere

Die Bereitschaft, Betriebswirtschaft lernen zu wollen, ist ausgeprägter als vermutet. Natürlich ist Rechnungswesen zunächst ein ungeliebtes Thema, nicht umsonst haben diese Entscheider einen völlig anderen Berufsweg eingeschlagen. Aber Einsicht in die Notwendigkeit ist gegeben und spätestens bei einer Unternehmensgründung oder einer Beförderung in eine Position mit Budgetverantwortung trifft man auf aufgeschlossene Führungskräfte.

Dabei bringen sie zwei Vorteile mit:

  • eine Ablehnung aufgrund unerfreulicher Erfahrungen in Schule oder Studium liegt nicht vor
  • Defizite im Rechnungswesen sind ihnen nicht peinlich, diese werden ohnehin nicht erwartet

Betriebswirte und Kaufleute

Dieser Teil Ihrer Mandanten wird am schwierigsten zu überzeugen sein, hier ist Feingefühl und Geduld gefragt. Kaufleute (nochmals: ich spreche nicht von denen, die im Rechnungswesen arbeiten) sind besonders schwer anzusprechen.

Einen Grund hatte ich schon genannt: Die inhaltliche Ausrichtung der Ausbildung und die negativen Erfahrung wirken nach. „Hauptsache bestanden“ und „nie wieder Rechnungswesen“ oder „das macht mein Steuerberater für mich“ sind Klassiker.

Häufig machen Kaufleute erfolgreich Karriere in den anderen Bereichen, im Verkauf, Marketing, HR oder in Stabsstellen. Dann finden sie sich viele Jahren später in einer Geschäftsführungsposition wieder, ohne seit Ende des Studiums mit dem Thema Rechnungswesen ernsthaft in Berührung gekommen zu sein.

Aufgrund ihres Titels oder formalen Abschlusses werden diese Kenntnisse aber von ihnen erwartet. Womöglich zu Recht befürchten sie einen Imageschaden, andere Nachteile oder es ist ihnen schlichtweg peinlich, wenn sie Unkenntnis einräumen müssen.

Ich halte das für bedauerlich und nicht für fair. Ich erinnere mich auch nicht an spezielle Lerninhalte, mit denen ich seit Jahren nicht mehr in Berührung kam. Würde man aufgestiegenen Führungskräften, die sich ihre Erfolge eben auf anderen Gebieten erarbeitet haben, etwas entspannter gegenüber treten oder wären deren Ansprüche an sich selbst nicht so hoch, wäre auch die Aufgeschlossenheit dem Thema gegenüber besser.

Wenn Sie diese Punkte bei der Ansprache Ihrer Mandantengruppen berücksichtigen, erhalten Sie leichteren Zugang. Wie genau, darauf gehe ich am Ende des Top-Themas ein.

Positionierung in der betriebswirtschaftlichen Beratung

Spannungsfeld Fach- und Entscheidungsebene

Obwohl Entscheidungsebene und kaufmännische Fachebene im Idealfall Hand in Hand arbeiten, ergeben sich häufig Spannungsfelder. Rechnungswesen-Wissen ist auch Herrschaftswissen. In Buchhaltung und vor allem Kostenrechnung kann man durchaus Dinge „so oder so“ erledigen, man denke nur an die unterjährige Buchung von Materialeinkäufen wahlweise in den Bestand oder in den Erfolg, oder bei der Kostenrechnung an die leidige Diskussion über Umlageverfahren.
Kaufmännische Abteilungen und Steuerberater haben selbstverständlich die rechtlichen Rahmenbedingungen zu erfüllen. Die Buchhaltung ist entsprechend ausgerichtet und nicht unbedingt in erster Linie an den betriebswirtschaftlichen Informationsansprüchen der Geschäftsführung.
Auf diese betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten muss nun zusätzlich Rücksicht genommen werden, dies kann auf Seiten der Buchhaltung mit Mehrarbeit oder Konflikten verbunden sein.

Die Position des Beraters

Als betriebswirtschaftlicher Berater muss man im Zweifel eher auf Seiten der Entscheider stehen, die mit den Zahlen klarkommen müssen, die sie von Buchhaltung, Steuerberatung oder Controlling erhalten. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass dies zu Lasten der rechtlichen Vorschriften geschehen soll. Entscheider können aber nur schwer beurteilen, ob die angeblich nicht umsetzbaren Wünsche tatsächlich aus rechtlichen oder organisatorischen Gründen nicht möglich sind, oder ob es sich um vorgeschobene Begründungen handelt.

Wer sich an der Formulierung „auf Seiten der Entscheider stehen“ stört, weil schon die Wortwahl ein Gegenüber, kein Miteinander beschwört, den kann ich gleich zweifach beruhigen:

  1. Ein Gegenüber entsteht nicht durch meine Wortwahl, ich benenne lediglich häufig vorgefundene Sachverhalte.
  2. Ziel ist immer, beide Seiten in Gleichklang zu bringen, sofern dies nicht gegeben ist.

Im Idealfall wird daraus eine Kooperation, bei der die Profis des Rechnungswesens den Entscheidern die nötigen Zahlen liefern, sie beraten und ihnen gleichzeitig den Rücken freihalten hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen.

Anforderungen an Entscheider

Entscheider wiederum zeigen im Idealfall die Bereitschaft, die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge des Rechnungswesens verstehen und nutzen zu wollen (rechtliche Kenntnisse sind dazu kaum nötig), sich auf ihre Berater zu stützen und klar zu kommunizieren, welche Zahlen sie für welche Entscheidungen wann und in welcher Qualität benötigen.

Neujustierung des Beratungsverhältnisses

Steuerberaterinnen und Steuerberater müssen sich im Klaren sein, dass sich das althergebrachte Verhältnis zwischen Mandant und Berater durch betriebswirtschaftliche Beratung verändern kann. Mandanten können bei betriebswirtschaftlichen Fragestellungen kompetenter mitreden als bei steuerlichen Problemen. Gefragt sind daher keine Halbgötter in Grün, die alles für ihre Klienten in Vollversorgung erledigen, sondern Partner, die ständig im gleichberechtigten Austausch Lösungen suchen.

Vorteile für Steuerberater

Als Belohnung winkt den Kanzleien ein zusätzliches, spannendes Geschäftsfeld, das viele Ihrer Mitbewerber nicht besetzen, eine Erweiterung des Dienstleistungsportfolios mit häufigen aktiven Beratungskontakten, steigender wirtschaftlicher Erfolg bei Ihren Kunden, der mit eigenen steigenden Umsätzen einhergeht und nicht zuletzt eine engere Mandantenbindung – der Wechsel zu einer anderen Kanzlei wird deutlich schwieriger, wenn Ihr Mandant auf betriebswirtschaftliche Beratung Wert legt.

Die Gründe für den Mangel an betriebswirtschaftlicher Beratung liegen aber nicht nur bei den Firmen. Auch in Kanzleien sind Ursachen zu suchen.

www.hpruehl.de

Schlagworte zum Thema:  Beratung, Mandant, Steuerberatung, Rechnungswesen