Grundlagen in der Kanzlei
Ich bezweifle, dass diese 3 Kompetenzen in einer Person oder einer Ausbildung verankert werden können, zumal für Beratungen auch unternehmerische Erfahrung außerhalb der Kanzlei vonnöten ist. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.
Je nach Ausbildungsgang bis zur Bestellung zum Steuerberater kann der betriebswirtschaftliche Ausbildungsanteil sehr unterschiedlich sein. Für Volljuristen oder Berater, die nach einer Tätigkeit im Finanzamt ihre Bestellung erhielten, dürfte kompetente betriebswirtschaftliche Beratung ohne zusätzliche Schulungen schwieriger zu leisten sein als für Diplom-Kaufleute mit Steuerberaterprüfung. Hinzu kommt, dass Ihre Mitarbeiter entsprechendes Wissen haben und die nötigen Softwarepakete beherrschen müssen, etwa wenn eine Kostenrechnung eingerichtet werden soll.
Nicht umsonst, das habe ich mit Interesse verfolgt, bietet z. B. die BiTS Hochschule in Iserlohn den Studiengang BWL & Steuern als eigene Ausrichtung an, der den Berufsabschluss des Steuerfachangestellten einschließt. Offenbar wird auch in der Lehre erkannt, dass steuerliche und betriebswirtschaftliche Kompetenzen nicht deckungsgleich sind.
Eine souverän getroffene Selbsteinschätzung, welche Kernkompetenzen man als Steuerberater oder Steuerberaterin in diesem äußert vielfältigen Beruf tatsächlich hat, erleichtert die Entscheidung über den Ausbau der betriebswirtschaftlichen Beratung als Geschäftsfeld.
Befindlichkeiten bei Steuerberatern als Hindernis
Kooperationsfähigkeit
Beim Aufbau der betriebswirtschaftlichen Beratung ergeben sich zwangsläufig Berührungspunkte mit Dritten. Große Kanzleien können womöglich von der Ansprache und Überzeugung der Mandanten (Vertriebsarbeit) über die Schulung der Entscheider in den Unternehmen (Training) bis hin zur Beratung in allen möglichen kaufmännischen Themenfeldern (Controlling) die Aufgaben intern leisten.
Für die meisten Kanzleien dürft das nicht zutreffen. Das bedeutet, dass Kooperationen nötig sind, teils mit anderen Kanzleien, teils mit Externen. Ob das, wie in meinem Bereich, der Schwerpunkt Schulung ist, oder ob man mit Firmenberatern zusammenarbeitet, die bei einer nötigen organisatorischen Umstellung den Mandanten im Betrieb helfen: ohne Kooperation und Netzwerk wird sich bei den meisten Kanzleien nicht viel bewegen lassen.
Dazu aber muss Bereitschaft bestehen. Die Liste der Vorbehalte ist lang: Hinzugezogene Spezialisten könnten in ihrem Geschäftsfeld (sonst würde man sie nicht hinzuziehen) kompetenter sein, der Mandant lernt andere Berater kennen, Mandanten könnten sich untereinander kennenlernen (in Schulungen zum Beispiel) und diese Aufzählung der Vorbehalte und Befürchtungen ließe sich fortsetzen.
Mein Tipp: Erkennen Sie die Chancen, die sich aus Kooperationen ergeben und öffnen Sie sich für passende Netzwerke.
Statusverlust
Kooperationen und betriebswirtschaftliche Beratung können die Wahrnehmung einer Steuerberatung aus dem Blickwinkel von Mandanten verändern. Auch das Selbstbild ändert sich möglicherweise, wenn man bisher „alles unter Kontrolle“ hatte: Einen Themenbereich mit Herrschaftswissen, Mandanten, die nicht wirklich beurteilen können, welche Qualität die steuerliche Beratung oder Buchhaltung hat und mehr auf Vertrauensbasis urteilen, sowie Angestellte als weisungsgebundene Mitarbeiter – ein insgesamt geschlossenes System.
Mit betriebswirtschaftlicher Beratung kann das anders werden. Auf Gesetze und Urteile kann man sich nicht mehr stützen, und vor allem: Der Wissensvorsprung wird relativiert. Mandanten können eher und kompetenter mitreden, die übergeordnete Rolle ähnlich der eines Notars oder Arztes entfällt zugunsten einer Dienstleistung, die wie andere Dienstleistungen eingekauft und beurteilt wird. Die Geschäftslage wird unternehmerischer.
Dies kann als unangenehm empfundene Situationen nach sich ziehen. Etwa, wenn sich herausstellt, dass die bisher erstellten BWAs einigen Standards nicht genügten, z. B. wegen fehlender monatlicher Abgrenzungen. Völlig unproblematisch ist dies bei Kanzleien, die aktiv den Beratungsansatz forcieren. Sie gehen selbst mit Verbesserungsvorschlägen auf Mandanten zu, da entstehen solche Probleme nicht.
Ich erlaube mir an dieser Stelle die Frage, ob der Steuerberater angesichts der stetigen Rechtsänderungen und der damit zusammenhängenden unbedingt umzusetzenden organisatorischen Anpassungen (Aktualisierung der internen Prozessabläufe in der Kanzlei UND die Überwachung das diese auch eingehalten werden) überhaupt noch Zeit hat sich um betriebswirtschaftliche Beratung zu kümmern.
Nicht nur, dass das Finanzamt immer mehr und immer komplexere Aufgaben auf den Steuerbürger - und damit auch auf den Steuerberater - überträgt. Auch die Erwartungshaltung des Mandanten geht eher dahin das er sinkende Preise für die Steuerberaterleistung zu erhalten.
Wenn der Steuerberater diesen Konflikt nicht auflöst bleibt nicht nur keine Zeit, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht kein Raum, diese Beratung zu leisten.
Das der Themenkomplex betriebswirtschaftliche Beratung von Seiten der Datev eG unheimlich in den Vordergrund gestellt und Softwaretechnisch unterstützt wird ändert die vorherrschende Praxis auch nicht unbedingt. Das Auseinandersetzen mit den Beratungstools ist zeitaufwändig und nur zielführend wenn man sich methodisch auskennt. Rückfragen zu den Auswertungen zu beantworten ist in diesem Kontext schwierig und kann schnell eine weitere Hürde darstellen.
Alles in Allem betrachtet gibt es doch einige Punkte, die den Steuerberater davon abhalten dediziert und nicht nur mal nebenher betriebswirtschaftlich zu beraten.