Brexit in Fällen: Gewinnausschüttung einer UK-Tochtergesellschaft


Brexit: Gewinnausschüttung einer UK-Tochtergesellschaft

Im entworfenen Fall ist die in Deutschland ansässige A-AG zu 12 % an der im Vereinigten Königreich (UK) ansässigen X-Ltd. beteiligt. Die X-Ltd. schüttet eine Dividende aus. Wie ist die körperschaft- und gewerbesteuerliche Rechtslage?

Hinweis zu den Fällen: Die in dieser Serie erscheinenden Fälle zum Brexit sind aus der Sicht des immer wahrscheinlicher werdenden "harten" Brexits entworfen worden. Sie behandeln die wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden von UK aus der EU entstehen.

Lösung:

UK kann auf die Dividende eine Abzugsteuer von 5 % erheben. Bei der A-AG ist die Dividende von der KSt befreit, jedoch sind 5 % der Dividende als nicht abzugsfähige Ausgaben dem Einkommen hinzuzurechnen. Gewerbesteuerlich erfolgt jedoch eine Hinzurechnung, auch wenn die X-Ltd. ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus "aktiven" Einkünften erzielt.

Hintergrundinfo:

Nach dem Brexit sind die EU-Vorschriften, und damit auch die Mutter-Tochter-Richtlinie, nicht mehr anwendbar. Ob UK eine Quellensteuer erheben kann, richtet sich daher ab Wirksamwerden des Brexit nach britischem Recht und nach dem DBA-UK. Nach Art. 10 Abs. 2 S. 1 Buchst. a DBA-UK darf UK eine Quellensteuer von 5 % erheben. Wie hoch die Quellensteuer tatsächlich ist, richtet sich nach UK-Recht. Gegenwärtig erhebt UK keine Quellensteuer auf Dividenden.

Die Dividende fällt bei der A-AG unter § 8b Abs. 1 KStG, da die Grenze von 10 % nach § 8b Abs. 4 KStG überschritten ist. Nach § 8b Abs. 5 KStG sind nicht abzugsfähige Ausgaben in Höhe von 5 % der Dividende dem Einkommen hinzuzurechnen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen steuerpflichtigen Teil der Dividende; vielmehr ist die Dividende zu 100 % steuerbefreit. Die pauschale Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Ausgaben ist keine Besteuerung einer Dividende und fällt nicht unter das DBA-UK. Daher ist auch keine anteilige Anrechnung einer etwaigen britischen Abzugsteuer auf die deutsche Steuer, als abzugsfähige Betriebsausgaben, möglich.

Eine Befreiung der Dividende von der deutschen Steuer ergibt sich auch aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-UK (internationales Schachtelprivileg).

Dagegen kann sich die A-AG ab dem Wirksamwerden des Brexits nicht mehr auf die Steuerfreistellung nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Mutter-Tochter-Richtlinie berufen, da die Richtlinie auf UK als Drittstaat nicht mehr anwendbar ist (Richtlinie 2011/96 EU v. 30.11.2011, ABl.EU 2011 L 345, 8.). Man könnte allerdings die Frage stellen, ob das Korrespondenzprinzip nach § 8b Abs. 1 S. 2 KStG die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1, 4 KStG nicht ausschließt, da UK keine KapESt erhebt, insoweit also ein Einkommen der A-AG in UK nicht errechnet und besteuert wird. § 8b Abs. 1 S. 2 KStG schließt jedoch die Steuerfreistellung nicht aus. Das Korrespondenzprinzip setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass die Ausschüttung das Einkommen der ausschüttenden Gesellschaft gemindert hat. Das ist nicht der Fall, da die Dividende nicht von dem Einkommen der X-Ltd. abgezogen worden ist. Ob die Dividende in einem in UK steuerlich zu erfassenden Einkommen der A-AG enthalten ist oder nicht, ist demgegenüber ohne Bedeutung.

Im Gewinn aus Gewerbebetrieb der A-AG nach § 7 GewStG ist die Dividende, da nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, nicht enthalten. Nach § 8 Nr. 5 GewStG hat eine Hinzurechnung dieser Dividende zu erfolgen, wenn nicht die Voraussetzungen einer Kürzung nach § 9 Nr. 7 GewStG erfüllt sind. Für eine Kürzung nach dieser Vorschrift führt der Brexit zu schärferen Voraussetzungen. So muss die Beteiligung "seit" Beginn des Erhebungszeitraums (Kalenderjahres) ununterbrochen in der erforderlichen Höhe bestehen, während es für EU-/EWR-Gesellschaften genügt, dass die Beteiligung "zum" Beginn des Erhebungszeitraums die erforderliche Höhe aufweist. Für EU-/EWR-Gesellschaften genügt eine Beteiligung von 10 %, während für Drittstaatgesellschaften wie für inländische Gesellschaften eine Beteiligung von mindestens 15 % erforderlich ist. Schließlich ist die Kürzung für Drittstaatgesellschaften ausgeschlossen, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihre Bruttoerträge nicht ausschließlich oder fast ausschließlich aus Tätigkeiten i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 – 6 AStG erzielt (hierzu Fall 19). Allerdings hat der EuGH entschieden, dass die Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV, einer Regelung entgegensteht, die die Kürzung von strengeren Voraussetzungen abhängig macht als bei Gewinnausschüttungen inländischer Gesellschaften (EuGH, Urteil  v. 20.9.2018, C-685/16, Haufe Index 12105859). Betroffen davon ist die Regelung "seit" Beginn des Veranlagungszeitraums sowie die Beschränkung auf aktive Tätigkeiten, die für inländische Gesellschaften nicht gilt. Da die Kürzung an eine Beteiligung von mindestens 15 % anknüpft und diese keinen "sicheren Einfluss" auf die ausschüttende Gesellschaft gewährt, ist die Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV, nicht durch die Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV, verdrängt. Daher können sich auch Drittstaatengesellschaften auf das EuGH-Urteil berufen. Eine Erleichterung hinsichtlich der Grenze von 15 % gibt es jedoch nicht, da diese auch für inländische Gesellschaften gilt. Eine Drittstaatengesellschaft kann sich nicht auf die günstigere Regelung für EU-/EWR-Gesellschaften berufen. Da Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-UK nur anwendbar ist, wenn die ausschüttende Tochtergesellschaft ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus Tätigkeiten i. S. d. § 8 Abs. 1 AStG erzielt, gilt diese Einschränkung mittelbar auch für § 9 Nr. 8 GewStG. Wenn die Dividende nach dem einschlägigen DBA nicht unter das internationale Schachtelprivileg fällt, besteht auch kein Grund, sie von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung auszunehmen. Zu beachten ist, dass Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-UK § 8 Abs. 1 AStG in vollem Umfang in Bezug nimmt, also für das gewerbesteuerliche internationale Schachtelprivileg Gewinnausschüttungen von Enkelgesellschaften an britische Tochtergesellschaften als "aktive" Einkünfte gelten.

Problematisch ist allerdings, dass Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-UK eine allgemeine Subject-to-Tax-Klausel enthält. Danach erfolgt für die Einkünfte (hier: Dividende) in Deutschland keine Freistellung, wenn diese in UK nicht tatsächlich besteuert werden (hierzu Lüdicke, IStR 2017, 936; Käshammer/Schmohl, IStR 2018, 297). "Einkünfte" i. d. S. sind die Dividendeneinkünfte des deutschen Gesellschafters, nicht die Einkünfte der britischen Ltd., aus denen die Dividende finanziert wird. UK erhebt gegenwärtig keine KapESt, sodass die Dividendeneinkünfte nicht "tatsächlich besteuert" werden. Körperschaftsteuerlich stellt dies i. d. R. kein Problem dar, da § 8b Abs. 1, 4 KStG die Freistellung unabhängig von dem DBA vorsieht. Fraglich ist aber die gewerbesteuerliche Kürzung, wenn die Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG – wie im vorliegenden Fall – nicht erfüllt sind und mangels einer Freistellung nach DBA auch § 9 Nr. 8 GewStG nicht anwendbar ist. Bisher war die gewerbesteuerliche Hinzurechnung durch die Mutter-Tochter-Richtlinie verhindert worden. Nach dem BMF ist von einer "tatsächlichen Besteuerung" auch dann auszugehen, wenn die Besteuerung infolge einer EU-Richtlinie (hier der Mutter-Tochter-Richtlinie) unterbleibt (BMF, Schreiben v. 20.6.2013, Haufe Index 5352621). Da nach dem Brexit die Mutter-Tochter-Richtlinie nicht mehr anwendbar ist, liegen die Voraussetzungen einer Kürzung nicht mehr vor.

Hinweis: Nach Wirksamwerden des Brexits ist UK an einer Besteuerung der Dividende nicht mehr gehindert. Die Besteuerung unterbleibt also nicht mehr infolge der Anwendung einer EU-Richtlinie. Im Ergebnis ist die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 8 GewStG mangels einer "tatsächlichen Besteuerung" in UK ab Wirksamwerden des Brexits nicht mehr anwendbar. Die Dividende ist, wenn die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG nicht eingreift, gewerbesteuerlich hinzuzurechnen.

Checkliste:

  • Erhebt UK eine Abzugsteuer auf die Dividende bzw. wie hoch ist sie (max. 5 %)?
  • Beträgt die Beteiligung an der X-Ltd. mehr als 10 % bzw. mehr als 15 %?
  • Bestand die Beteiligung i. H. v. mindestens 10 % schon am 1.1. des Jahres der Ausschüttung?
  • Bestand die Beteiligung unmittelbar und ununterbrochen seit Beginn des Erhebungszeitraums?
  • Bezieht die X-Ltd. ihre Bruttoeinkünfte nachweislich ausschließlich oder fast ausschließlich aus Tätigkeiten i. S. d. § 8 Abs. 1 AStG?
  • Sind die Dividenden in UK "tatsächlich besteuert" worden?

Alle 100 Fälle zu den Rechtsfolgen eines "harten" Brexit

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  • Schutzumfang der europäischen Grundfreiheiten;
  • Ertragsteuern der Unternehmen;
  • Umwandlungen;
  • Umsatzsteuer;
  • Zollrecht;
  • Ertragsteuern der natürlichen Personen;
  • Erbschaftsteuer.

Die Fälle werden bei Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen zeitnah angepasst. 

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