Der Fiskus als neues Geldanlage-Modell?
Mit bestenfalls etwas mehr als einem Prozent Zinsen müssen sich Sparer dieser Tage bei sicheren Geldanlagen begnügen. Wer 6 Prozent pro Jahr auf sein Geld kassieren möchte, muss schon ein ziemliches Risiko eingehen oder sich auf dubiose "Schneeballsysteme" einlassen. Mancher Steuerzahler aber glaubt, die Top-Geldanlage gefunden zu haben - und das bei einem Schuldner mit bester Bonität: Dem Finanzamt. Kommt nämlich die Steuererstattung zu spät, muss der Fiskus 0,5 % Erstattungszins für jeden vollen Monat zahlen. Macht 6 % pro Jahr. Aber ganz so einfach ist es nicht, es gibt Tücken. Und nicht bei jeder verspäteten Steuererklärung winken Vorteile und satte Zinsen.
0,5 % pro Monat
Sowohl für Steuernachforderungen als auch Steuererstattungen des Finanzamtes fallen Zinsen von 0,5 % pro Monat an, also 6 % im Jahr. Sie werden erst ab dem 15. Monat nach dem Steuerjahr berechnet. Für das Steuerjahr 2015 würde somit am 1. April 2017 die zu verzinsende Zeit beginnen. Mit jedem vollen Monat, um den sich dann der Steuerbescheid verzögert, kann sich der Steuerzahler freuen, sollte er auf eine Erstattung hoffen. Nicht immer ist ein überlastetes Amt schuld. Zumal es das Abarbeiten der Steuererklärung in der Regel auch in der 15-Monats-Frist schafft.
Mancher hat die Abgabe seiner Steuererklärung schlicht verschlampt - oder bewusst hinausgezögert. Was aber auch Nachteile mit sich bringen kann. Denn ein Verspätungszuschlag, den das Finanzamt einfordern kann, könnte den Zinsvorteil bei einer Erstattung wieder zunichtemachen. Wer nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, hat vier Jahre Zeit, diese einzureichen. Ein Verspätungszuschlag ist hier nicht zu befürchten.
Viele möchten ihr Geld lieber sofort
Von einem zunehmend beliebten "Geldanlagemodell Fiskus" will Uwe Rauhöft vom Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) aber auch in Zeiten extrem niedriger Zinsen nicht reden. "Wer mit einer größeren Erstattung rechnet, möchte sein Geld lieber sofort - noch vor dem Sommer", sagt der NVL-Geschäftsführer. Viele stellten ihre Steuererklärung zwar hinten an, schielten dabei aber nicht auf mögliche Zinszahlungen. Ohnehin müsse jeder für sich abwägen, was günstig ist. Nicht aus jeder verspäteten durchschnittlichen Steuererklärung könne am Ende auch eine Top-Geldanlage werden.
Zahlen allein zum Umfang der Erstattungszinsen gibt es nicht. Tatsache ist, dass der Staat in der andauernden Niedrigzinsphase kräftig aus den Zuschlägen auf Steuernachforderungen kassiert. In den Jahren 2014 und 2015 nahm der Fiskus nach Angaben des Bundesfinanzministeriums unterm Strich rund 1,92 Milliarden EUR Zinsen ein - dank des üppigen Zinssatzes von 6 %. Während Sparer sich also mit Niedrigst-Zinsen begnügen müssen, langt der Fiskus selbst ordentlich zu. Und hat auch keine Absicht, den seit mehr als 50 Jahren geltenden Zinssatz anzupassen.
Zu hoher Zinssatz der Finanzämter?
Was nicht nur dem Steuerzahlerbund seit Jahren ein Dorn im Auge ist. Der setzt sich für eine Halbierung des Zinssatzes auf 3 Prozent pro Jahr ein und prüft, juristisch gegen "diesen Missstand vorzugehen. Der BFH hatte nach Darstellung des Verbandes bereits in einer Entscheidung von 2014 Zweifel an dem hohen Zinssatz der Finanzämter angemeldet, wenn sich der Marktzins auf dauerhaft niedrigem Niveau stabilisiere. "Die Zinsen beim Finanzamt müssen runter", fordert Steuerzahler-Präsident Reiner Holznagel.
Das BMF sieht sich auf der rechtlich sicheren Seite. "Nach ständiger Rechtsprechung" von Bundesverfassungsgericht und BFH sei der Zinssatz verfassungskonform. Er habe sich in der Praxis bewährt. Der Zinssatz könne "nicht mit dem wie auch immer verstandenen 'Marktzins' verglichen werden". Es gebe wesentliche Unterschiede zwischen dem "Marktzins" und der Verzinsung nach der Abgabenordnung, argumentiert das Ministerium und verweist auf die zinsfreie Karenzzeit von 15 Monaten. Auch würden die Zinsen nur für volle Monate berechnet und keine Zinseszinsen erhoben.
Umstritten ist noch ein anderer Punkt
Vom Finanzamt erhaltene Zinsen sind laut NVL steuerpflichtig, gezahlte Zinsen aber könnten nicht abgesetzt werden. Über die Ungleichbehandlung müsse das Bundesverfassungsgericht entscheiden. "Betroffene sollten Einspruch einlegen", sagt Rauhöft. Und gibt noch einen Rat: Erstattungszinsen müssten mit der Steuererklärung nachversteuert werden, da das Finanzamt von sich aus keine Abgeltungsteuer einbehalte.
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