Hinausschieben der Rente: Steuerfreier Teil

Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist der steuerfreie Teil der Rente. Dieser gilt ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs. Doch was gilt, wenn der Rentenanspruch auf Antrag hinausgeschoben wird?

Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG gehören zu den sonstigen Einkünften auch Leibrenten, die unter anderem aus den berufsständischen Versorgungseinrichtungen erbracht werden, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen. Bemessungsgrundlage für den der Besteuerung unterliegenden Anteil ist der Jahresbetrag der Rente. Der der Besteuerung unterliegende Anteil ist nach dem Jahr des Rentenbeginns und dem in diesem Jahr maßgebenden Prozentsatz aus einer Tabelle zu entnehmen.

Fall vor dem FG Schleswig-Holstein

Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Schleswig-Holstein hatte der Kläger mit Vollendung des 65. Lebensjahres satzungsgemäß Anspruch auf die Rente des Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte. Unmittelbar vor Erreichen der Altersgrenze beantragte er entsprechend den Regelungen in der Satzung des Versorgungswerks, die Rentenzahlungen über die Altersgrenze zunächst bis zur Vollendung des 66. Lebensjahres hinauszuschieben. Entsprechend wurde in den nächsten beiden Jahren verfahren.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr der erstmaligen Zahlung der Rente argumentierte der Kläger, dass der Rentenbeginn nicht das Jahr - im Urteilsfall - 2012, sondern das Jahr 2009 zu berücksichtigen sei. Der reguläre Rentenbeginn wäre der 1.10.2009 gewesen. Ab diesem Zeitpunkt bestünde ein Anspruch auf die Altersrente und hierauf käme es für die Bestimmung des Rentenbeginns gem. § 22 EStG an. Letztendlich stelle sich die Situation so dar, dass er die Rente mit Erreichen des 65. Lebensjahrs erhalten habe, den Betrag dann aber zur Erhöhung seiner Rente dem Versorgungswerk wieder zur Verfügung gestellt hat.

Rentenbeginn gem. § 22 EStG

Das FG (Urteil v. 2.9.2020, 2 K 159/19) ist aber wie das Finanzamt der Auffassung, dass "unter Beginn der Rente" der Zeitpunkt zu verstehen ist, ab dem die Rente tatsächlich bewilligt wird. Zwar hat er in früheren Urteilen zu § 22 EStG alter Fassung (z. B. v. 30.9.1980, VIII R 13/79) unter dem "Beginn der Rente" den Zeitpunkt verstanden, in dem der Rentenanspruch entstanden ist. Nach Auffassung des FG ergibt aber die Auslegung des Begriffes "Jahr des Rentenbeginns" aber, dass das Jahr der ersten tatsächlichen Rentenzahlung maßgebend ist. Schon der Wortlaut spreche eher für ein Abstellen auf ein tatsächliches Ereignis als auf einen möglichen Rechtsanspruch.

Auch stehe das Einkommensteuergesetz unter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Die finanzielle Leistungsfähigkeit werde bei einer Rentenzahlung aber erst bei einer tatsächlichen Zahlung erhöht und nicht bei einem bestehenden Rechtsanspruch, auf den zunächst verzichtet wird (nach einem Urteil des BFH v. 9.12.2015, X R 30/14, liegt der Rentenbeginn in dem Jahr, in dem die Leistungen – unabhängig von ihrem Rechtsgrund – tatsächlich zufließen und sich dadurch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht hat).

Im Übrigen hätte die Rechtsansicht der Kläger zur Folge, dass die tatsächlich einheitlich gezahlte Rente des Klägers für die Besteuerung in 4 Einzelrenten zerlegt werden müsste (Hauptteil + sowie die jeweiligen Erhöhungsbeträge der folgenden drei Jahre). Dies würde dem auch in gewissem Umfang pauschalierenden Zweck des § 22 EStG widersprechen.

Revisionsverfahren beim BFH anhängig

Das FG Schleswig-Holstein hat die Revision zugelassen, welche auch eingelegt wurde. M. E. ist der Auffassung von Verwaltung und FG zuzustimmen. Vergleichbare Fälle können aber trotzdem offen gehalten werden, bis der BFH (Az: X R 29/20) entschieden hat. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.


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