Standortbestimmung über Kennzahlen
In den großen Konzernen gibt es ganze Controlling-Abteilungen, die den lieben, langen Tag nichts anderes tun, als betriebliche Kennzahlen zu erheben und diese dann in "Kennzahlen-Systemen" zu "verdichten", um unternehmerische Entscheidungen der Geschäftsleitung optimal vorzubereiten. Das kann man auch "Controlling up hill" nennen. So viel Controlling brauchen Sie in Ihrer Kanzlei nicht. Sie können und wollen sich sicher auch keine eigene Controlling-Abteilung leisten. Dies bedeutet aber, dass es Chef-Sache bleibt. Und wie immer, wenn etwas beim Chef "hängt, passiert es oft genug gar nicht. Daher lohnt es sich, getreu dem Pareto-Prinzip, nach dem ja 20 % des Aufwandes schon zu 80 % des Ergebnisses führen, sich eben nur diese 20 % der Arbeit zu machen. "Controlling downhill" ist daher das Gebot.
Welche Kennzahlen sind in diesem Sinne von Interesse und wie werden sie einfach ermittelt?
- Umsatz macht allein sicher nicht glücklich, ist aber immer noch ein guter Indikator. Die Ermittlung aus dem Rechnungsausgangsbuch bzw. Ihrer BWA sollte für einen Steuerberater kein Problem sein.
- Gewinn ist der Indikator für Ihre Kanzlei, auf den alles hinaus läuft. Über den "Deckungsbeitrag" aus der Auswertung Ihrer Kanzleisoftware haben Sie schnell einen guten Überblick. Tipp: Zu empfehlen ist die Vollzeiterfassung aller Kanzleimitglieder unter Berücksichtigung der Vollkosten bei den Verrechnungssätzen.
- Forderungen sind wichtig, weil der Gewinn auch in der Kasse liegen muss. Auch hier ist die Ermittlung aus der Buchführung nicht schwer.
- Unfertige Arbeiten sind interessant, weil da Ihr Geld in den Regalen bzw. in der DMS liegt. Die genaue Zahl ist kaum zu ermitteln. FiBu- und Lohn-Arbeiten können vernachlässigt werden, denn sie werden ja monatlich wiederkehrend erledigt und über die Finanzamtsfristen bleibt kaum etwas "unerledigt". Die tatsächlich erheblichen unfertigen Arbeiten finden Sie beim Auftrag "Jahresabschluss" und in der Beratung. Tipp: Wenn Sie mit der Vollkostenrechnung arbeiten, lassen Sie sich aus Ihren System die "offenen" – also noch nicht abgerechneten – Stunden anzeigen. Sie werden beim ersten Mal staunen, wie viel das ist.
- Der Chef-Stundenlohn ist als Kennzahl von Bedeutung, weil es Ihnen auch auf eine vernünftige "Work-Life-Balance" ankommt. Wie viel Zeit möchten Sie für einen bestimmten Gewinn in der Kanzlei verbringen? Diese Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen. Sie sollten Sie aber bewusst treffen. Teilen Sie den Gewinn laut BWA einfach durch Ihre Anwesenheitsstunden in der Kanzlei. Die Frage ist dann: Lohnt es sich Freitagnachmittag länger in der Kanzlei zu bleiben oder doch lieber zu Hause den Rasen zu mähen und so den Stundenlohn des Gärtners zu sparen?
Zielfokussierung über Benchmarks
Die Zahlen selbst sagen ohne den entsprechenden Kontext nicht viel aus. Genau wie Ihr Mandant wissen will, wie gut oder nicht sein Unternehmen dasteht, möchten auch Sie wissen, wie es um Ihre Kanzlei bestellt ist.
Sie brauchen also Zielgrößen. Diese können Sie selbst festlegen. Welchen Umsatz/Gewinn möchten Sie erzielen? Wie viel Arbeitszeit möchten Sie dafür (von sich selbst und von Ihren Mitarbeitern) aufwenden? Wie schnell sollen Ihre Mandanten Ihre Rechnungen bezahlen? Die Ziele sollen natürlich "realistisch aber ehrgeizig" sein. Dafür lohnt es sich, über die eigene Kanzlei hinaus zu schauen. Es gibt für die einzelnen Kennzahlen Erfahrungswerte, die sagen, was grundsätzlich erreichbar ist.
Solche "Benchmarks" sind allerdings immer nur Richtgrößen. Abhängig z. B. von der Größe oder der Lage der Kanzlei kann es zu Abweichungen kommen. Die Erfahrung lehrt aber, dass die Unterschiede kleiner sind, als wir glauben.
Nach dem Sie sich nun die für Sie maßgebenden Benchmarks gewählt haben, sind Sie in der Lage Ihre aktuellen Kanzleizahlen zu "bewerten". Sie sollen in der Lage sein, einmal in der Woche zu sehen, ob und wo Handlungsbedarf besteht.
Einige Erfahrungswerte | ROT | GELB | GRÜN |
Umsatzrendite | < 35 % | 35 – 45 % | > 45 % |
Offene Forderungen | > 20 % | 5-20 % | < 5% |
Unfertige arbeiten | > 20 % | 10-20 % | < 10 % |
Honorar Fibu/Stunde | < 65 | 65-75 | > 75 |
Honorar/Stunde für Jahresabschluss bzw. Beratung | < 100 | 100-120 | > 120 |
Ursachenanalyse
Im ersten Schritt haben Sie grob geschaut, wo die Zahlen nicht passen. Nun ist Feinarbeit gefragt, um die Ursachen herauszufinden. Sie brauchen jetzt nur noch an den Stellen tief zu graben, an denen die Abweichungen zu den Benchmarks signifikant sind. Bei der Suche nach den Ursachen zeigt sich meist, dass es nicht unbedingt die Prozesse sind, die noch nicht durchoptimiert sind. Vielmehr sind es eher die Zusammenarbeit und Kommunikation unter den Menschen, die verbessert werden kann. Schauen wir uns die "Verursacher" genauer an:
Zunächst wären da einzelne Mitarbeiter, die nicht optimal arbeiten. Erfahrungsgemäß sind aber nur maximal 20 % der Ursachen für schlechte Zahlen bei den Mitarbeitern zu suchen.
Wenn die Mitarbeiter gut arbeiten, der Gewinn aber zu wünschen übrig lässt, lohnt sich immer ein Blick in die Honorarabrechnungen der Kanzlei. Wenn ein Steuerberater eine monatliche Buchführung für 50 EUR anbietet, wird der Mitarbeiter schwer "dagegen anarbeiten" können. In vielen Kanzleien gibt es – oft historisch gewachsen – Honorarstrukturen, die dem tatsächlichen Dienstleistungsangebot der Kanzlei nicht (mehr) entsprechen. Es geht hier um zwei Fragen: Werden alle Dienstleistungen abgerechnet? Und zu welchem Honorar? Etwa 20-30 % der Kanzleien vergeben Honorarpotential.
In den meisten Fällen stellt aber der Mandant bzw. die Zusammenarbeit mit dem Mandanten die Hauptursache für Gewinneinbußen in der Kanzlei dar. Gemeint ist hier nicht etwa die sog. "Honorarresistenz", sondern nicht bzw. nicht rechtzeitig/vollständig eingereichten Unterlagen. Auch lange Reaktionszeiten bei Rückfragen seitens der Kanzlei sind nicht selten.
Rund 50 % der "Prozessoptimierung" bei den "deklaratorischen" Aufträgen Fibu und Lohn sowie Abschluss entfallen erfahrungsgemäß auf die "Schnittstellen" zwischen Kanzlei und Mandant. Auch bei der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Beratung führt eine nicht optimale Zusammenarbeit häufig zu Honorareinbußen und ineffizienter Bearbeitung durch häufiges "Wieder-Anfassen" des Falls.
Vorgehen nach Mandat
Sie sollten daher die Ursachenanalyse an der Stelle beginnen, an der Sie die größte Chance auf schnellen Erfolg haben. Gehen Sie nach der Gewinn/ Deckungsbeitrags-ABC-Liste Ihrer Kanzleisoftware vor und schauen Sie sich als erstes die Unternehmer-Mandanten an, die ganz unten mit einem negativen Deckungsbeitrag stehen. Von diesen Mandanten nehmen Sie sich jede Woche einen vor und machen dazu eine differenzierte Analyse, warum das Mandat nicht "passt". Zuerst prüfen Sie das Honorar.
Mitarbeiter hinzuziehen
Besprechen Sie mit dem Sachbearbeiter in Ihrer Kanzlei die Qualität der Zusammenarbeit mit dem Mandanten:
- "Liefert" der Mandant termingerecht, vollständig?
- Wie ist die Qualität der Belege und Informationen?
- Reaktionszeit bei Rückfragen?
- Arbeiten wir "auftragsgemäß"? (Sonderleistungen?)
- Arbeiten wir "schnell"?
Danach haben Sie ein gutes Bild, welcher Handlungsbedarf bei diesem Mandanten besteht und können entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Mandantengespräch
Bevor Sie in ein Mandantengespräch gehen, um das Honorar anzupassen bzw. bessere "Spielregeln" der Zusammenarbeit zu vereinbaren, beseitigen Sie erst alle kanzleiinternen Ursachen. Es gibt zwar nur wenige Steuerberater, die gerne "Kritikgespräche" mit ihren Mandanten führen. Wenn Sie sich aber sicher sind, dass Sie in der Kanzlei alles richtig gemacht haben, werden Sie mit dem nötigen Selbstbewusstsein in der Lage sein, Ihre berechtigten Forderungen gegenüber Ihrem Mandanten durchzusetzen. Möglicherweise werden Sie dann auch bei Uneinigkeit den Schritt machen, sich von Mandanten zu trennen, die tatsächlich "honorarresistent" und/oder nicht zu einer partnerschaftlich respektvollen Zusammenarbeit bereit sind.