Berücksichtigung von eingesetztem Kapitalvermögen bei der Berechnung der Opfergrenze
Bei der Berechnung des verfügbaren Nettoeinkommens des jeweiligen Kalenderjahres sind nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF v.07.6.2010, BStBl. 2010 I S. 582 Rz. 10) (ausschließlich) alle steuerpflichtigen Einkünfte i. S. d. § 2 Absatz 1 EStG, alle steuerfreien Einnahmen (wie z. B. ausgezahlte Arbeitnehmer-Sparzulagen, steuerfreier Teil der Rente) und etwaige Steuererstattungen anzusetzen. Abzuziehen sind die Steuervorauszahlungen, Steuernachzahlungen, Steuerabzugsbeträge sowie die unvermeidbaren Versicherungsbeiträge.
Beispiel: A ist Alleinstehend und hatte in 2014 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i. H. von 30.000 EUR. Steuerabzugsbeträge und gesetzlichen Sozialabgaben wurden i. H. von 10.000 EUR abgeführt. Des Weiteren leistete A in 2014 von seinem Sparbuch Einkommensteuernachzahlungen für 2010-2013 i. H. von 18.500 EUR. An Unterhalt für seine (bei der Mutter lebende) volljährige Tochter B, für die kein Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag besteht, fielen 3.000 EUR an. B hatte in 2014 keine eigenen Einkünfte. Auch Vermögen besitzt sie nicht.
Die Opfergrenze würde sich nach Auffassung der Finanzverwaltung wie folgt berechnen:
Einkünfte 30.000 EUR
./. Steuerabzugsbeträge und Sozialabgaben 10.000 EUR
./. Einkommensteuernachzahlungen 18.500 EUR
= 1.500 EUR verfügbares Nettoeinkommen
Opfergrenze: 1 % je volle 500 EUR, höchstens 50 % = 3 % von 1.500 EUR = 45 EUR zu berücksichtigende Unterhaltsleistungen
Im Zivilrecht hat der Unterhaltsverpflichtete aber neben den Einkünften auch die Vermögenserträge und ggf. auch den Vermögensstamm einzusetzen. So muss z. B. nach Abzug eines Schonvermögens eventuell auch Kapitalvermögen durch die Veräußerung einer Immobilie zur Befriedigung des Unterhaltsanspruchs verwendet werden. Damit unterscheidet sich die Auffassung der Finanzverwaltung mit der des Zivilrechts.
Wird - wie hier - eine Steuernachzahlung vom Sparvermögen bezahlt, hat der BFH die Auffassung vertreten (Urteil v. 4.4.1986, III R 19/85), dass die Einbeziehung von Abhebungen von einem Sparbuch (Saldo zwischen Sparbuchabhebungen und Sparbucheinzahlungen) eines Unterhaltsverpflichteten in die Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens jedenfalls dann nicht geboten ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete nur über ein geringes Vermögen verfügt. Begründet hat er dies mit § 33 a Absatz 1 Satz 4 EStG, wonach der Unterhaltsberechtigte auch nicht verpflichtet werden kann, eigenes geringes Vermögen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einzusetzen.
Als geringfügig kann in der Regel ein Vermögen bis zu einem gemeinen Wert (Verkehrswert) von 15.500 EUR angesehen werden (R 33a.1 Absatz 2 Satz 3 EStH 2014). Wenn also der Unterhaltsberechtigte ein geringes Vermögen nicht antasten muss, so ist es auch dem Unterhaltsverpflichteten nicht zumutbar, ein nur geringes Vermögen für Leistungen an den Unterhaltsberechtigten einzusetzen, so der BFH. Das über den Betrag von 15.500 EUR hinausgehende Vermögen ist aber – ungeachtet der Art der Anlage - vom Unterhaltsberechtigten zunächst einzusetzen und zu verwerten, wozu somit auch Sparguthaben gehören.
Praxis-Tipp
Stellt man dementsprechend insgesamt auf eine Gleichstellung von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem ab, so ergibt sich nach einer neuen Entscheidung des FG Niedersachsens (Urteil v. 19.2.2015, 16 K 10187/14) folgerichtig für den Unterhaltsverpflichteten eine gleichlautende Verpflichtung, sodass sein Nettoeinkommen entsprechend um über die "Geringfügigkeitsgrenze" hinaus eingesetztes Vermögen erhöht werden muss.
Somit wären hier dem verfügbaren Nettoeinkommen (1.500 EUR) 3.000 EUR hinzuzurechnen (18.500 EUR ./. 15.500 EUR), sodass sich die Opfergrenze von 4.500 EUR berechnet. Als Unterhaltsleistungen könnten somit 405 EUR (4.500 EUR x 9 %) als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.
Gegen die Entscheidung des FG Niedersachsens läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (Az. des BFH: VI R 21/15). M. E. ist der Auffassung des FG zuzustimmen, wozu es noch darauf hinzuweisen gilt, dass auch die Finanzverwaltung offenbar mal diese Auffassung vertreten hat, was eine alte Verfügung der OFD München zeigt (Verfügung v. 17.12.1976 Az. VV BY OFD München 1976-12-17 S 2285-19 St 23/1). Hiernach waren bei der Berechnung der Opfergrenze "verbrauchte Sparguthaben" auf der Einnahmenseite zu berücksichtigen. Vergleichbare Fälle sollten daher offen gehalten werden bis der BFH entschieden hat.
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