Erste Tätigkeitsstätte im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses
Eine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG liegt vor, wenn der Arbeitnehmer einer solchen Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet ist. Die dauerhafte Zuordnung des Arbeitnehmers wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen bestimmt.
Eine erste Tätigkeitsstätte kann auch bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Dritten vorliegen. Von einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer Tätigkeitsstätte ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer dort unbefristet oder für die gesamte Dauer seines Dienstverhältnisses oder von vornherein länger als 48 Monate arbeiten soll (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG).
BFH-Entscheidung bei Befristung (Verleiher)
In einem vom BFH entschiedenen Fall (Urteil v. 10.4.2019, VI R 6/17) bestand ein befristetes Arbeitsverhältnis beim Verleiher. Auf schriftliche Weisung des Verleihers wurde der Arbeitnehmer "bis auf Weiteres" einer Firma überlassen. Wiederum auf schriftliche Weisung des Verleihers wurde der Arbeitnehmer - innerhalb der Befristung - einer anderen Firma überlassen. Der BFH entschied, dass die 2. Alternative des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG zu prüfen ist, weil das Leiharbeitsverhältnis befristet ist.
Im Ergebnis hat der Arbeitnehmer bei dieser Konstellation nur bei der ersten Firma eine erste Tätigkeitsstätte, weil mit Beginn des Leiharbeitsverhältnisses aus der maßgeblichen Sicht für die Zukunft davon auszugehen ist, dass die Zuordnung für die gesamte Dauer Bestand haben soll. Die zweite Zuordnung ist aber nicht mehr dauerhaft, weil der Arbeitnehmer infolge der ursprünglich erfolgten Zuordnung der zweiten Firma nicht für die Dauer des befristeten Beschäftigungsverhältnisses (§ 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG) zugeordnet wurde. Er wurde vielmehr während seines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses nacheinander zwei verschiedenen Tätigkeitsstätten zugeordnet. Damit war es (für die Zukunft) ausgeschlossen, dass er der zweiten Tätigkeitsstätte "für die Dauer des Dienstverhältnisses" zugeordnet werden konnte.
Niedersächsisches FG: Unbefristetes Arbeitsverhältnis beim Verleiher
Im Rahmen einer Entscheidung des Niedersächsischen FG (Urteil v. 28.5.2020, 1 K 382/16) war das Arbeitsverhältnis zum Verleiher dagegen unbefristet, jenes zum Entleiher dagegen befristet. Das FG entschied, dass Arbeitnehmer, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu einem Zeitarbeitsunternehmen stehen, auch dann nur die Entfernungspauschale für ihre Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte geltend machen können, wenn das Zeitarbeitsunternehmen mit dem jeweiligen Entleiher eine Befristung der Tätigkeit vereinbart hat.
BFH beurteilt nur Arbeitsverhältnis zum Verleiher
Dies sieht der BFH aber anders (Urteil v. 12.05.2022, VI R 32/20). Maßgebliches Arbeitsverhältnis für die Frage, ob der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung i. S. des § 9 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG dauerhaft zugeordnet ist, sei nämlich das zwischen dem Arbeitgeber (Verleiher) und dem (Leih‑)Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis. Der Entleiher nimmt nur die Arbeitsleistung entgegen, lenkt sie nach Bedarf durch Weisungen und erfüllt die korrespondieren Fürsorgepflichten. Demnach läge keine dauerhafte Zuordnung i. S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG vor, wenn ein Leiharbeitnehmer im Rahmen seines unbefristeten Arbeitsverhältnisses beim Entleiher nur befristet zugeordnet ist.
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