Praxisfall Umsatzsteuer: Sonderregelungen in Alltagsfällen (Teil 1)
Sachverhalt
Unternehmer U betreibt in Hamburg den Handel mit Medizintechnik. Insbesondere stattet er Arztpraxen mit medizinischen Geräten aus. Im März 2010 hatte er an eine orthopädische Praxis ein neues digitales Röntgengerät verkauft. Wegen Erweiterung der Praxis war der Orthopäde im August 2011 an U mit der Bitte herangetreten, ein neues, leistungsstärkeres Gerät zu liefern und das 2010 gelieferte Gerät auf den Kaufpreis anzurechnen. Entsprechend den Absprachen lieferte U im September 2011 das neue Gerät und nahm das alte Gerät mit. Die Rechnung erstellte er wie folgt:
€ | |
Lieferung digitales Röntgensystem - komplett | 150.000 |
Aufbau, Anschluss und Einweisung | 5.000 |
Zwischensumme | 155.000 |
zzgl. 19 % USt | 29.450 |
Gesamtbetrag | 184.450 |
abzgl. Anrechnungsbetrag für Altgerät | 30.000 |
Restzahlung | 154.450 |
Im Oktober 2011 gelingt es dem U, das Altgerät für 33.000 EUR an einen anderen Arzt zu verkaufen.
U möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen sich aus diesen Geschäften ergeben. Der Anrechnungspreis für das Altgerät entspricht dem tatsächlichen Wert (Verkehrswert).
Lösung
U ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist, er wird im Rahmen seines Unternehmens tätig. Mit dem Verkauf des neuen Röntgengeräts führt er eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG aus, da er dem Kunden die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft.
Die Lieferung wird im Rahmen eines Tauschs mit Baraufgabe nach § 3 Abs. 12 Satz 1 UStG ausgeführt, da die Gegenleistung teilweise in einer Lieferung besteht. Der Ort der Lieferung ist nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG im Inland, wo die Beförderung des Gegenstands an den Kunden beginnt. Die Lieferung ist damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar.
Praxis-Tipp
Die Bestimmung des Orts der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG setzt voraus, dass das Gerät beim Lieferer schon in der vertraglich geschuldeten Form vorhanden war und nicht erstmalig so beim Kunden zusammengesetzt worden ist (vgl. Abschn. 3.12 Abs. 4 UStAE).
Der Verkauf des neuen Röntgengeräts ist auch steuerpflichtig. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach § 10 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 UStG aus der erhaltenen Baraufgabe und dem Verkehrswert des in Zahlung genommenen Altgeräts. Aus der Summe (154.450 EUR + 30.000 EUR = 184.450 EUR) ist die Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz von 19 % herauszurechnen. Damit entsteht im September 2011 nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG auf einer Bemessungsgrundlage von 155.000 EUR eine Umsatzsteuer i. H. v. 29.450 EUR.
Praxis-Tipp
Zu beachten ist, dass bei einem Tausch nicht zwingend der Verkehrswert des in Zahlung genommenen Gegenstands anzusetzen ist. Hat der Leistungsempfänger für die von ihm erbrachte Gegenleistung konkrete Aufwendungen getätigt, gelten diese Aufwendungen als Gegenleistung (Abschn. 10.5 Abs. 1 UStAE).
Bei der Inzahlungnahme von Kraftfahrzeugen kann der Wert des entgegen genommenen Fahrzeugs nach den Vereinfachungsregelungen des Abschn. 10.4 UStAE ermittelt werden.
Der Orthopäde führt mit der Inzahlunggabe des gebrauchten Röntgengeräts ebenfalls eine Lieferung im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt aus. Die Lieferung wird auch im Rahmen eines Tausches mit Baraufgabe ausgeführt, da die Gegenleistung in einer Lieferung besteht.
Praxis-Tipp
Der Orthopäde handelt zwar nicht mit Geräten, es liegt aber ein sog. Hilfsgeschäft (Abschn. 2.7 Abs. 2 UStAE) vor. Ein Hilfsgeschäft fällt unabhängig von der Nachhaltigkeit immer in den Rahmen des Unternehmens.
Die Lieferung des Altgeräts ist im Inland ausgeführt und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Da der Orthopäde das Gerät annahmegemäß ausschließlich für steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende ärztliche Zwecke nach § 4 Nr. 14 UStG verwendet hat, ist der Verkauf des Geräts steuerfrei nach § 4 Nr. 28 UStG. Die Bemessungsgrundlage für den steuerfreien Verkauf des Altgeräts beträgt 30.000 EUR.
Der Verkauf des gebrauchten Röntgengeräts an den anderen Arzt ist ebenfalls eine im Inland ausgeführte Lieferung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist. Der Verkauf des Geräts unterliegt keiner Steuerbefreiung. Da bei der Inzahlungnahme des Geräts eine Umsatzsteuer von dem liefernden Unternehmer nicht geschuldet wurde, unterliegt der Verkauf der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Differenzbesteuerung liegen vor:
- U ist ein Widerverkäufer nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Ein Wiederverkäufer ist ein Unternehmer, der gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt.
Praxis-Tipp
Für die Annahme eines Wiederverkäufers ist es nicht erforderlich, dass er hauptsächlich mit gebrauchten Gegenständen handelt. Der Unternehmer handelt als Wiederverkäufer, wenn der gelieferte Gegenstand - zumindest nachrangig - zum Zweck des Wiederverkaufs erworben wurde und der Wiederverkauf zur normalen Tätigkeit des Unternehmers gehört (vgl. auch BFH, Urteil v. 29.6.2011, XI R 15/10).
- Der Gegenstand wurde an den Wiederverkäufer im Inland geliefert und bei der Lieferung an ihn wurde eine Umsatzsteuer nicht geschuldet (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG).
- Es handelt sich nicht um Edelsteine oder Edelmetalle (§ 25a Abs. 1 Nr. 3 UStG).
Da die Voraussetzungen für die Differenzbesteuerung vorliegen, ermittelt sich die Bemessungsgrundlage nach § 25a Abs. 3 UStG aus der Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis:
€ | |
Verkaufspreis | 33.000 |
Einkaufspreis | ./. 30.000 |
Differenz (Marge) | 3.000 |
darin enthaltene Umsatzsteuer 19 % | 479 |
Bemessungsgrundlage | 2.521 |
Wichtig
Unabhängig von der Art des gelieferten Gegenstands ist aus der Marge immer die Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz von 19 % herauszurechnen (§ 25a Abs. 5 Satz 1 UStG).
U hat im Oktober 2011 auf einer Bemessungsgrundlage von 2.521 EUR eine Umsatzsteuer i. H. v. 479 EUR anzumelden. Über die Lieferung hat der leistende Unternehmer eine Rechnung zu erteilen, in der er auf die Differenzbesteuerung hinweist, die Umsatzsteuer auf die Marge darf in dieser Rechnung aber nicht ausgewiesen werden (, § 14a Abs. 6 UStG).
Praxis-Tipp
U könnte zwar grundsätzlich nach § 25a Abs. 8 UStG auf die Anwendung der Differenzbesteuerung verzichten. Da der Käufer des Altgeräts (Arzt) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, würde ein solcher Verzicht keinen Sinn machen. Hätte U die Regelung des § 25a UStG nicht erkannt und aus dem Verkaufserlös von 33.000 UR die Umsatzsteuer berechnet, hätte er anstelle der 479 EUR eine Umsatzsteuer i. H. v. 5.268,91 EUR abführen müssen.
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