Praxisfall Umsatzsteuer: Sonderregelungen in Alltagsfällen (Teil 2)
Sachverhalt
Busunternehmer B betreibt in München ein Busunternehmen. Er führt regelmäßig für Auftraggeber Busfahrten im In- und Ausland aus. Da B sehr kunstinteressiert ist, hatte er Ende August 2011 die Ausstellung „Gesichter der Renaissance“ im Bode Museum Berlin besucht.
Weil er im Oktober 2011 mit seinen Bussen nicht gut ausgelastet ist, beschließt er kurzfristig, in Berlin ein Hotelkontingent zu reservieren und Kunden in München Zweitagesausflüge zum Bode Museum anzubieten. Es gelingt ihm, Ende Oktober 2011 mit zwei Reisegruppen (insgesamt 80 Personen) das Museum zu besuchen. Er erhält von seinen Reisegästen jeweils 190 EUR.
Im Zusammenhang mit den Fahrten stehen die folgenden Aufwendungen:
Anzeigen in lokalen Zeitungen | 500 EUR zzgl. 95 EUR USt (19 %) |
Eintritt ins Museum | 800 EUR |
Übernachtung im Hotel | 4.800 EUR zzgl. 336 EUR USt (7 %) |
Frühstück im Hotel | 800 EUR zzgl. 152 EUR USt (19 %) |
Mittagessen | 2.400 EUR zzgl. 456 EUR USt (19 %) |
Entsprechend seinen bisherigen Erfahrungen kalkuliert B zutreffend mit Kosten für die Fahrten mit seinem eigenen Bus von 2.436 EUR (einschließlich Umsatzsteuer).
B möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn aus der Durchführung der beiden Reisen ergeben und in welcher Höhe er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Lösung
B ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist. Obwohl er nicht regelmäßig solche Reisen veranstaltet, wird er im Rahmen seines Unternehmens tätig – die Durchführung solcher Pauschalreisen mit den zu seinem Unternehmen gehörenden Bussen ist noch eine artverwandte Tätigkeit.
Mit den beiden Reisen nach Berlin führt B Reiseleistungen nach § 25 UStG aus. Wesentliche Voraussetzungen für die Sonderregelung des § 25 UStG sind:
- B führt die Leistungen gegenüber Nichtunternehmern aus.
- B tritt gegenüber seinen Kunden in eigenem Namen auf.
- B nimmt bei der Ausführung der Reiseleistungen sog. Reisevorleistungen in Anspruch. Reisevorleistungen sind Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugute kommen (§ 25 Abs. 1 Satz 5 UStG).
Wichtig
B führt aber nicht nur eine Reiseleistung aus. Da er auch mit seinen eigenen Bussen die Fahrten von München nach Berlin durchführt, liegt insoweit eine der normalen Besteuerung unterliegende Beförderungsleistung vor.
In dem Fall, in dem der Unternehmer sowohl eine Reiseleistung nach § 25 UStG ausführt, aber auch eigene Leistungen ausführt, muss eine Aufteilung der Einnahmen im prozentualen Verhältnis der gesamten Aufwendungen vorgenommen werden (Abschn. 25.3 Abs. 2 UStAE).
Zu den Reisevorleistungen gehören der Eintritt in das Museum (800 EUR), die Übernachtung im Hotel (5.136 EUR), das Frühstück (952 EUR) sowie die Mittagessen (2.856 EUR). In der Summe hat B 9.744 EUR für Reisevorleistungen aufgewendet.
Praxis-Tipp
Die Aufwendungen für die Anzeigen (595 EUR) gehören nicht zu den Reisevorleistungen, da hier keine Leistungen unmittelbar an die Reisegäste ausgeführt werden. Bei den Anzeigen handelt es sich um allgemeine Aufwendungen des B.
Da B für die von ihm durchgeführten Fahrten mit Kosten i. H. v. 2.436 EUR (zutreffend) kalkuliert hat, sind insgesamt (9.744 EUR + 2.436 EUR =) 12.180 EUR an Kosten für die Durchführung der Reisen entstanden, davon entfallen 80 % auf die Reisevorleistungen und 20 % auf die Fahrten mit dem eigenen Bus. Im gleichen Verhältnis sind die Zahlungen der Kunden auf diese beiden Leistungsteile aufzuteilen.
Da die Kunden jeweils 1.980 EUR aufwenden, erhält B insgesamt (190 EUR x 80 Teilnehmer =) 15.200 EUR. Der Durchführung der Beförderungsleistung sind damit (15.200 EUR x 20 % =) 3.040 EUR und der Reiseleistung (15.200 EUR x 80 % =) 12.160 EUR zuzurechnen.
Besteuerung der Beförderungsleistung: Es handelt sich um eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, die dort ausgeführt wird, wo B gefahren ist (§ 3b Abs. 1 UStG). Die Beförderungsleistung ist steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und unterliegt keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG. Da B im Rahmen des Gesamtpreises für die Beförderung 3.040 EUR erhalten hat, ist daraus die Umsatzsteuer mit 19 % herauszurechnen. Die Bemessungsgrundlage beträgt damit 2.554,62 EUR und die darauf entfallende Umsatzsteuer 485,38 EUR.
B schuldet damit aus diesem Teil der Leistung für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 485,38 EUR an Umsatzsteuer ( § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG), soweit die Kunden nicht schon den Reisepreis in einem vorherigen Voranmeldungszeitraum gezahlt haben sollten. Aus allen mit der Ausführung dieser Leistung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen ist B zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Besteuerung der Reiseleistung: Die Reiseleistung ist eine sonstige Leistung, die nach § 25 Abs. 1 Satz 3 UStG eine einheitliche Leistung darstellt, und dort ausgeführt ist, wo der leistende Unternehmer nach § 3a Abs. 1 UStG sein Unternehmen betreibt. Die Leistung ist damit im Inland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung ergibt sich für die Reiseleistung nicht.
Wichtig
Bei den Reiseleistungen ergibt sich eine Besonderheit bei der Steuerbefreiung: Soweit Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet ausgeführt werden, ist die Reiseleistung insoweit steuerfrei (§ 25 Abs. 2 UStG; z. B. Durchführung einer Pauschalreise in Kenia durch einen in Deutschland ansässigen Reiseveranstalter).
Bei den Reiseleistungen ergibt sich die Bemessungsgrundlage aus der Differenz zwischen den Einnahmen von den Reisegästen und den Reisevorleistungen, die Umsatzsteuer ist aus dieser Differenz herauszurechnen (§ 25 Abs. 3 UStG).
EUR | |
Einnahmen von Kunden (80 x 190 EUR x 80 % =) | 12.160,00 |
Reisevorleistungen | ./. 9.744, |
Differenz (Marge) | 2.416,00 |
darin enthaltene Umsatzsteuer 19 % | 385,75 |
Bemessungsgrundlage | 2.030,25 |
B hat im Oktober 2011 auf einer Bemessungsgrundlage von 2.030,25 EUR eine Umsatzsteuer i. H. v. 385,75 EUR anzumelden ( § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG). Über die Reiseleistungen sind Rechnungen zu erteilen, in denen auf die Reiseleistungsbesteuerung hinzuweisen ist. Die Umsatzsteuer darf in diesen Rechnungen aber nicht ausgewiesen werden (§ 14a Abs. 6 UStG).
Ein Vorsteuerabzug aus den Reisevorleistungen ergibt sich für B nicht (§ 25 Abs. 4 UStG). Die 95 EUR aus der Rechnung über die Inserate kann B als Vorsteuer abziehen, da es sich nicht um Reisevorleistungen, sondern um allgemeine Betriebsausgaben handelt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG); ein Ausschlussgrund nach § 15 Abs. 2 oder § 25 Abs. 4 UStG ergibt sich nicht.
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