Ausnahmetatbestände bei privaten Veräußerungsgeschäften mit Grundstücken
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
"Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" ist so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 des Eigenheimzulagengesetzes. In Fällen, in denen der Eigentümer eine Wohnung nicht selbst bewohnt, kann eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nur angenommen werden, wenn er die Wohnung einem Kind i. S. des § 32 EStG überlässt .
Beispiel mit Nutzungsüberlassung
A ist Vater der Tochter B, für die er Kindergeld erhält. Im Alter von 20 Jahren begann B in 2010 ihr Studium in Z. A kaufte am 1.7.2010 in Z eine Eigentumswohnung zum Preis von 50.000 EUR und überließ sie B unentgeltlich zu Wohnzwecken. B vollendete im Februar 2015 ihr 25. Lebensjahr, sodass A ab März 2015 keine Kindergeld mehr zustand. Unmittelbar nach Studiumsende und Auszug von B im September 2015 verkaufte A die Wohnung für 60.000 EUR (Gewinn 10.000 EUR).
Wegfall des Kindergeldanspruchs während der Nutzungsüberlassung
Hier war B ab März 2015 nicht mehr als Kind gemäß § 32 EStG einkommensteuerlich zu berücksichtigen. Ab diesem Zeitpunkt liegt keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch A mehr vor, sodass die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (1. Alternative). Umstritten ist aber, ob das Merkmal der "Ausschließlichkeit" auch für die 2. Alternative gilt.
Praxis-Tipp: Revision gegen Urteil des FG Baden-Württemberg
Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg (Urteil v. 4.4.2016, 8 K 2166/14) setzt auch die 2. Alternative des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren eine "ausschließliche", im Sinne einer zusammenhängenden und ununterbrochenen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, die allerdings nicht die vollen drei Kalenderjahre umfassen muss, voraus. Diese Auffassung vertritt auch die Finanzverwaltung (BMF v. 5.10.2000, BStBl. 2000 I S. 1383 Rz. 25).
Nach Ansicht des FG ist der Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig und damit auslegungsfähig. Der Sinn und Zweck der Vorschrift gebiete es, den Begriff der Ausschließlichkeit auch bei der 2. Alternative anzuwenden. Maßgebliches Motiv für die Bildung des Ausnahmetatbestandes sei es, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinnes anlässlich der Aufgabe eines Wohnsitzes sei ungerechtfertigt. Im Falle der 1. Alternative, die nach der Gesetzesbegründung insbesondere eine kurzfristige Veräußerung erfassen sollte, sei nach dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig eine ausschließliche Eigennutzung erforderlich. Diese hohe Anforderung an den zeitlichen Umfang der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gewährleiste im Ergebnis, dass es sich bei einem privilegierten Wirtschaftsgut im gesamten maßgeblichen Zeitraum um einen Wohnsitz des Steuerpflichtigen handelt. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Anforderung in der 2. Alternative nicht gestellt werden sollte. Auch hier entspreche es dem Sinn und Zweck des Gesetzes, dieselben Anforderungen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Eigennutzung zu stellen, um den Wohnsitz des Steuerpflichtigen zu schützen und so die Privilegierung der Nichtbesteuerung zu rechtfertigen.
Das FG hat die Revision aber zugelassen, weil die Frage, ob sich das Merkmal der Ausschließlichkeit auch auf die 2. Alternative des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erstreckt, bislang höchstrichterlich nicht entschieden und in der Literatur umstritten ist. Das Gesetz verlangt m. E. nur, dass die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren – wie hier - zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Von einer zusammenhängenden und ununterbrochenen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist keine Rede.
Es liegt daher auf der Hand, dass vergleichbare Fälle (z. B. auch wenn hier B im März 2015 ausgezogen wäre und A die Wohnung bis zum Verkauf im September 2015 vermietet hätte oder wenn die Eigennutzung in 2013 oder 2014 durch kurzfristige Vermietung unterbrochen worden wäre) offengehalten werden sollten, bis der BFH über die anhängige Revision (Az. der Revision: IX R 15/16) entschieden hat.
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