Veräußerungsfreibetrag optimal nutzen
Hat der Steuerpflichtigen das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, so wird u .a. der Gewinn aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 EUR übersteigt (§ 16 Abs. 4 Satz 1 EStG). Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren (§ 16 Abs. 4 Satz 2 EStG). Er ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 EUR übersteigt (§ 16 Abs. 4 Satz 3 EStG).
Fraglich ist, ob der Freibetrag, soweit er bei einer privilegierten Veräußerung nicht in voller Höhe ausgeschöpft wird, auf eine andere privilegierte Veräußerung übertragen werden kann.
Beispiel: Verkauf mehrerer begünstigter Objekte
Der 67 Jahre alte A betreibt eine freiberufliche Praxis. Außerdem ist er sowohl an der X-KG als auch der Y-KG als Kommanditist beteiligt. Im Jahr 2017 hat er sowohl seinen Kommanditanteil an der X-KG als auch der Y-KG veräußert und dabei folgende Veräußerungsgewinne i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG erzielt:
Veräußerungsgewinn Anteil X-KG | 30.000 EUR |
Veräußerungsgewinn Anteil Y-KG | 25.000 EUR |
insgesamt | 55.000 EUR |
Die freiberufliche Praxis wird von A im Jahr 2018 verkauft. Er erzielt dabei Veräußerungsgewinn von 120.000 EUR.
A beantragt in seiner Einkommensteuererklärung 2017, den Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der X-KG von 30.000 EUR steuerfrei zu belassen. Außerdem beantragt er, den dabei nicht ausgeschöpften Teil des Freibetrags von 15.000 EUR auf den Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der Y-KG zu übertragen, sodass von dem Gewinn aus dessen Veräußerung von 25.000 Euro nur 10.000 EUR zur Einkommensteuer heranzuziehen seien.
Freibetragsgewährung nur "einmal im Leben"
Der Freibetrag ist jedem Steuerpflichtigen in dessen Leben nur einmal zu gewähren, allerdings stets in voller Höhe; es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen ganzen Gewerbebetrieb, einen Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil veräußert. Veräußerungen und Betriebsaufgaben vor dem 1.1.1996 werden nicht angerechnet (BFH, Urteil v. 21.7.2009, X R 2/09, Haufe Index 2222726).
Der Grundsatz, dass der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG einem Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann, gilt nach diesem BFH-Urteil absolut und damit einkünfteübergreifend für alle Gewinneinkunftsarten. Der Freibetrag von 45.000 EUR wird somit für einen Freiberufler auch verbraucht, wenn er ihn bei der Aufgabe oder Veräußerung seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder eines Gewerbebetriebs bzw. gewerblichen Mitunternehmeranteils in Anspruch nimmt.
Zeitlich zusammenhängende Veräußerungsvorgänge
Ein anderes Problem ist, ob bei mehreren – zeitlich zusammenhängenden – privilegierten Veräußerungsvorgängen der Teil des Freibetrags, der bei einer Veräußerung noch nicht ausgeschöpft worden ist, bei dem anderen Veräußerungsvorgang berücksichtigt werden kann. Verwaltungsseitig wird die Auffassung vertreten, dass unverbrauchte Teile des Freibetrags nicht bei einer anderen Veräußerung in Anspruch genommen werden können (R 16 Abs. 13 Satz 4 EStR 2012).
Der BFH ist dem in einer neuen Entscheidung gefolgt. Eine erweiternde Auslegung des § 16 Abs. 4 EStG dahingehend, dass der Höchstbetrag bei mehreren Veräußerungen auf die einzelnen Veräußerungen aufgeteilt wird bzw. dass wirtschaftlich (und/oder zeitlich) zusammenhängende Veräußerungen als lediglich eine Veräußerung angesehen werden, kommt nicht in Betracht (BFH, Urteil v. 3.5.2017, X R 12/14, Haufe Index 11219409).
Die Nutzung des Freibetrags des § 16 Abs. 4 EStG für mehrere grundsätzlich privilegierte Veräußerungsvorgänge ist danach nicht möglich. Auch eine Aufteilung des Freibetrags kommt nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat die Veräußerung bzw. Aufgabe eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils der Veräußerung bzw. Aufgabe eines ganzen Gewerbebetriebs gleichgestellt und gleichzeitig dem Steuerpflichtigen durch das Antragsrecht die Wahl gelassen, selbst zu entscheiden, für welchen Gewinn er den Freibetrag beanspruchen will.
Tipp: Wahlrecht optimal ausüben
Das bedeutet, dass in den Fällen, in denen – wie hier – der Freibetrag, auch soweit er nicht ausgeschöpft werden kann, auf eine der Veräußerungen beschränkt ist. A kann somit nur ein Freibetrag von maximal 30.000 EUR aus der Veräußerung des Anteils an der X-KG gewährt werden, der nicht ausgeschöpfte Freibetrag von 15.000 EUR kann nicht übertragen werden.
A hätte aus steuerlichen Gründen für die Veräußerung in 2017 keinen Freibetrag beantragen, sondern besser den Freibetrag für den Gewinn aus der Veräußerung der freiberuflichen Praxis in 2018 einsetzen sollen. Anzumerken ist, dass der Antrag auf Freibetragsgewährung bis zur Bestandskraft des Steuerbescheids, auf den er sich auswirken soll, gestellt und wieder zurückgenommen werden kann (BFH, Urteil v. 27.10.2015, X R 44/13,HI9056989).
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