Gesetzliche Regelung
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2.394 EUR (VZ 2018, im VZ 2019 2.490 EUR) für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.320 EUR für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (BEA-Freibetrag) vom Einkommen abgezogen. Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.
Abweichend hiervon wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG).
Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 EstG nicht vorliegen (§ 32 Abs. 6 Satz 8 EStG). Eine Übertragung scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. Der Übertragung des BEA-Freibetrags kann regelmäßig erfolgreich widersprochen werden, wenn das Kind nach einem - üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten- weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge mit einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % betreut wird (BFH, Urteil v. 8.11.2017, III R 2/16, Haufe Index 11549447).
Finanzverwaltung: Übertragung des Kinderfreibetrags und des BEA-Freibetrags
Die Finanzverwaltung geht davon aus (BMF, Schreiben v. 28.6.2013, Haufe Index 4750482 Rz. 5), dass die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des BEA-Freibetrags führt. Hierfür ergibt sich aber m. E. im Gesetz keinerlei Grundlage. Nur § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG regelt ausschließlich für minderjährige Kinder eine vom Kinderfreibetrag unabhängige Übertragungsmöglichkeit. Die stetige Verknüpfung mit der Übertragung des Kinderfreibetrags sowie eine Übertragungsmöglichkeit bei volljährigen Kindern ergibt sich m. E. aus dem Gesetz nicht.
Auswirkungen auf die Anlage Kind
Die Auffassung der Finanzverwaltung spiegelt sich auf der Anlage Kind wieder. Hier kann in Zeile 40 (Anlage Kind 2018) der volle Kinderfreibetrag und der volle Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf beantragt werden. Diese Möglichkeit besteht entsprechend der Übertragungsvoraussetzungen für den Kinderfreibetrag immer dann, wenn der andere Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung nicht zu mindestens 75 % nachkommt oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Zusätzlich regelt (entsprechend § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG) die Zeile 42 der Anlage Kind ausschließlich für minderjährige Kinder eine vom Kinderfreibetrag unabhängige Übertragungsmöglichkeit.
Günstigerprüfung andernfalls nicht möglich
Die Auffassung der Finanzverwaltung gründet m. E. auf § 31 EStG. Hier wird geregelt, dass bei der Einkommensteuerveranlagung eine Günstigerprüfung vorzunehmen ist. Sind im Einzelfall die Freibeträge günstiger, werden sie vom Einkommen abgezogen und der Anspruch auf Kindergeld wird der tariflichen Einkommensteuer wieder zugerechnet. Wird der Kinderfreibetrag auf den anderen Elternteil übertragen, ist diesem bei der Vergleichsberechnung der gesamte Kindergeldanspruch zuzurechnen. Würde der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs aber nicht stets mit übertragen, müsste dies zur Folge haben, dass dieser generell vom Einkommen abzuziehen ist, weil aufgrund der vollständigen Berücksichtigung beim anderen Ehegatten keine Vergleichsberechnung mit dem Kindergeld durchgeführt werden kann.