Sachverhalt
Rentner R aus der Schweiz ist während seines Urlaubs in Deutschland in einen Unfall verwickelt worden und muss sein Fahrzeug in der Kfz-Werkstatt des W in Wuppertal reparieren lassen. Bei der Reparatur verwendet W auch Materialien. In seiner Rechnung weist er für verwendetes Material 2.000 EUR und für die Arbeitsleistung 1.500 EUR aus.
Fragestellung
W möchte wissen, wie er die Abrechnung gegenüber R vornehmen muss.
Alternativ möchte er wissen, welche Rechtsfolgen sich für ihn ergeben hätten, wenn er statt eines Austauschs von Teilen die Altteile nur gerichtet und neu lackiert hätte und neben der Arbeitsleistung von 3.000 EUR nur Lack und Kleinmaterial von 500 EUR berechnet hätte.
Lösung
W ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er Leistungen selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausführt. Er führt gegenüber R eine Leistung im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt aus.
Die Reparatur des Fahrzeugs ist eine einheitliche Leistung, die nicht in einen Teil „Lieferung“ und einen Teil „sonstige Leistung“ aufgeteilt werden kann. Es muss nach § 3 Abs. 4 UStG abgegrenzt werden, ob eine Werklieferung oder eine Werkleistung vorliegt.
Grundsätzlich ist das Verhältnis zwischen eingesetztem Material und der Arbeitsleistung kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung von Werklieferung und Werkleistung (Abschn. 3.8 Abs. 1 UStAE). Bei der Reparatur eines Beförderungsmittels lässt die Finanzverwaltung aber aus Vereinfachungsgründen zu, das die Abgrenzung hilfsweise danach erfolgen kann, ob mehr als die Hälfte des für die Reparatur des Fahrzeugs aufgewendeten Entgelts auf das Material entfällt (Abschn. 7.4 Abs. 2 UStAE bis 31.12.2012; für alle ab dem 1.1.2013 ausgeführte Leistungen Abschn. 3.8 Abs. 6 UStAE).
Wichtig: Die Vereinfachungsregelung ist für alle bis zum 31.12.2012 ausgeführte Leistungen ausschließlich bei der Reparatur von Beförderungsmitteln anzuwenden. Ab dem 1.1.2013 kann bei allen Reparaturen beweglicher körperlicher Gegenstände von einer Werklieferung ausgegangen werden, wenn mehr als 50 % des Gesamtentgelts auf das Material entfallen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Einordnung als Werklieferung oder Werkleistung nicht nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien zweifelsfrei entschieden werden kann (BMF, Schreiben v. 12.12.2012 sowie Abschn. 3.8 Abs. 6 UStAE).
Da im Grundfall mehr als 50 % des Gesamtentgelts auf das bei der Reparatur verwendete Material entfällt, kann von einer Werklieferung ausgegangen werden, Steuerbarkeit und Steuerpflicht des Umsatzes bestimmen sich demnach nach den Grundsätzen für Lieferungen.
Der Ort der (Werk-)Lieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 5a i. V. m. Abs. 6 UStG („Beförderungslieferung“), da R das Fahrzeug nach der Reparatur abholt und damit der Gegenstand der Lieferung befördert wird. Die Lieferung ist dort ausgeführt, wo die Beförderung des Gegenstands beginnt (Wuppertal), die Lieferung ist in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar.
Die Lieferung ist aber als Ausfuhrlieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG steuerfrei. Der bearbeitete Gegenstand gelangt nach der Bearbeitung offensichtlich wieder in Schweiz, der Abnehmer befördert den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) und der Abnehmer ist nach den Sachverhaltsangaben auch ein ausländischer Abnehmer i. S. d. § 6 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Ausfuhrlieferung vor.
Praxis-Tipp: § 6 Abs. 3 UStG schließt im vorliegenden Fall die Steuerfreiheit als Ausfuhrlieferung nicht aus. Bei Werklieferungen kommt die Beschränkung der Steuerfreiheit in den Fällen der Lieferung von Gegenständen zur Ausrüstung oder Versorgung von Beförderungsmitteln nicht zur Anwendung (Abschn. 6.4 Abs. Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Würde W in der Alternative bei der Reparatur des Fahrzeugs nur Kleinmaterial und Lack verwenden, würde eine Werkleistung vorliegen (Umkehrschluss aus § 3 Abs. 4 UStG, da nur Nebensachen oder Zutaten verwendet werden). Die umsatzsteuerlichen Konsequenzen ergeben sich damit nach den Regelungen für sonstige Leistungen. Da die Arbeiten an dem beweglichen körperlichen Gegenstand gegenüber einem Nichtunternehmer ausgeführt werden, bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung abweichend von § 3a Abs. 1 UStG nach dem Ort, wo der Unternehmer für diesen Umsatz tätig wird (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG). Die Leistung wäre damit in Wuppertal ausgeführt und in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar.
Eine Steuerbefreiung kommt nicht zur Anwendung. Insbesondere liegt keine Lohnveredelung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 UStG vor. Für eine Lohnveredelung nach § 7 Abs. 1 UStG ist Voraussetzung, dass der Gegenstand entweder zum Zweck der Bearbeitung oder Verarbeitung aus dem Drittlandsgebiet eingeführt wurde oder zu diesem Zweck im Inland erworben wurde. Da das Fahrzeug durch einen Unfall im Inland beschädigt worden ist, können diese Voraussetzungen nicht vorliegen. In Ermangelung einer Steuerbefreiung wäre die Reparatur im Rahmen einer Werkleistung in Deutschland steuerpflichtig. W müsste aus allem, was der Kunde für die Leistung aufgewendet hat, die Umsatzsteuer mit 19 % herausrechnen.