Zeitliche Zuordnung von Veräußerungskosten
Beispiel: A schied 2019 aus einer mit B seit 2015 geführten Gemeinschaftspraxis aus. Für 2018 machte er Rechtsanwaltskosten von 10.000 EUR als Sonderbetriebsausgaben geltend. Der Anwalt hat ihn bei den Auseinandersetzungsverhandlungen beraten.
Kein Abzug vom laufenden Gewinn
Nach der Formel des § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG sind bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns auch die Veräußerungskosten abzuziehen. Der BFH hat entschieden, dass Kosten, die im Zusammenhang mit einer Betriebs- oder Anteilsveräußerung entstehen, nicht vom laufenden Gewinn, sondern vom Veräußerungsgewinn abzuziehen sind (Urteil vom 06.10.1993 - I R 97/92; H 16 Abs. 12 "Veräußerungskosten" EStH 2018). Dies gilt auch für Kosten, die in Jahren vor der Veräußerung angefallen sind. Damit hat der BFH dem sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang den Vorrang vor dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung eingeräumt und auf die Einheitlichkeit des Veräußerungsvorgangs abgestellt. Die Veräußerungskosten sind danach stets vom begünstigten Veräußerungsgewinn abzuziehen, ungeachtet des Zeitpunkts ihrer Verausgabung.
Bilanzmäßige Behandlung vorab entstandener Veräußerungskosten
Das genannte Urteil hat nicht nur Auswirkung auf die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung, sondern ist auch beim Betriebsvermögensvergleich zu beachten. Auch hier dürfen vorab entstandene Veräußerungskosten den laufenden Gewinn nicht mindern. Fraglich ist dann, wie hier die Veräußerungskosten bilanzmäßig zu behandeln sind.
In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, es käme allenfalls eine aktive Rechnungsabgrenzung (Aufwand nach dem Bilanzstichtag) nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG in Betracht. Es frage sich aber, ob ein solcher Rechnungsabgrenzungsposten zulässig sei, da ein Aufwand nur dann abzugrenzen ist, wenn die Aufwendungen auf einen Zeitraum nach dem Bilanzstichtag entfallen, der sich rechnerisch (z.B. kalendermäßig) ermitteln lässt. Aufwendungen, die durch eine "beabsichtigte" Veräußerung/Aufgabe entstehen, seien aber nicht einem bestimmten Zeitraum zuzuordnen (erl, BBK 1994, Fach 17 S. 1534).
Das "Bilanzierungsproblem" lässt sich m.E. dadurch lösen, dass die vorab entstandenen Aufwendungen zunächst als Betriebsausgabe bzw. Sonderbetriebsausgabe vom laufenden Gewinn abgesetzt, dann aber außerhalb der Bilanz wieder zugerechnet werden. Da die Veräußerungskosten nach § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG vom Veräußerungspreis abzusetzen sind, können sie erst in demjenigen Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden, in dem der Veräußerungsgewinn realisiert wird.
Auch in späteren Jahren angefallene Veräußerungskosten mindern den Veräußerungsgewinn
Der BFH weist darauf hin, dass die besondere "Attraktivkraft" des Veräußerungsvorgangs zu einer Berücksichtigung nicht nur der in früheren, sondern auch der in späteren Jahren angefallenen Veräußerungskosten im Jahr der Veräußerung zwingt.
Beschlüsse des Großen Senats
Aus den Beschlüssen des Großen Senats des BFH ergibt sich, dass nachträgliche Minderungen oder Erhöhungen der Veräußerungskosten zum Zeitpunkt der Veräußerung berücksichtigt werden müssen (Beschluss vom 19.07.1993 - GrS 1/92 und Beschluss vom 19.07.1993 - GrS 2/92). Diese Ereignisse wirken nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) auf den Veräußerungszeitpunkt zurück.
Praxis-Tipp: Nachträgliche Kosten mindern Veräußerungsgewinn
Es ist deshalb nur folgerichtig, auch Veräußerungskosten, die in einem Veranlagungszeitraum nach dem Veranlagungszeitraum der Entstehung des Veräußerungsgewinns erstmalig anfallen, in die Ermittlung dieses Gewinns einzubeziehen. Die nachträgliche Entstehung oder Veränderung der Veräußerungs- oder Aufgabekosten ist zum Zeitpunkt der Betriebs- oder Anteilsveräußerung zu berücksichtigen. Hierzu sind bestandskräftige Einkommensteuer- bzw. Feststellungsbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern (BFH Urteil vom 06.03.2008 - IV R 72/05). Nachträgliche Minderungen der Veräußerungskosten führen zu einer rückwirkenden Erhöhung, nachträgliche Erhöhungen der Veräußerungskosten zu einer rückwirkenden Minderung des Gewinns aus der Betriebs- oder Anteilsveräußerung. Denn Veräußerungspreis i.S.d. § 16 EStG ist der tatsächlich erzielte Erlös.
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