Digitale Prozesse und bremsende Bürokratie – das war 2024
Die Arbeitsbelastung bleibt hoch, die Mandanten möchten mehr in kürzerer Zeit erledigt haben und der Gesetzgeber sorgt mit kleinteiligen Änderungen dafür, dass garantiert keine Langeweile aufkommt: Es ist der ganz normale Wahnsinn in der Steuerberatungsbranche, der auch im Jahr 2024 seinen Lauf nahm. Noch immer beschäftigten in diesem Jahr die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Steuerkanzleien: nach mehrmaliger Verlängerung endetet die Frist für die Corona-Schlussabrechnungen. Die Bearbeitung dürfte sich bis weit ins kommende Jahr hinziehen. Doch die Stimmung ist gut, man blickt optimistisch auf 2025.
Endlich: Digitale Buchhaltung wird Standard
Es hatte sich angedeutet, aber dann ging es doch ganz schnell: In diesem Jahr kam die E-Rechnung als zusätzliches Thema auf die Agenda der Steuerberatungen. Zum 1. Januar 2025 wird der Empfang von E-Rechnungen für Unternehmen verpflichtend, für den Versand gibt es Übergangslösungen. Für Steuerkanzleien dürfte die Pflicht zur Empfangsmöglichkeit von E-Rechnungen Vorteile mit sich bringen, da die Abläufe durch die neuen Rechnungsformate nochmals beschleunigt werden und eingehende Rechnungen automatisch in der Kanzleisoftware eingespielt werden.
Experten raten dazu, dass Kanzleien sich zeitnah auch auf die Pflicht zum E-Rechnungsversand vorbereiten und ihre Mandanten entsprechend beraten, denn hier ist noch nicht jede Software geeignet, E-Rechnungen zu verschicken. Spätestens mit dem BMF-Schreiben zur Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung für inländische Unternehmer ab dem 1. Januar 2025 war im Oktober dieses Jahres klar, dass digitale Buchhaltung zum Standard wird. Manche sprechen bereits von einem Digitalisierungsturbo für die gesamte Steuerberatungsbranche. Ab dem kommenden Jahr dürfte diese Entwicklung in der Realität erste Früchte tragen.
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Künstliche Intelligenz treibt Automatisierung voran
„Unverändert ist es stürmisch in unserer Branche“, sagt Steuerberaterin Stephanie Böttcher, Geschäftsführerin der Steuerrad Steuerberatungsgesellschaft. „Alle Neuerung um Künstliche Intelligenz beeinflussen unseren Alltag immens und werden es auch in Zukunft tun. Da ist die E-Rechnung nur ein kleiner Baustein.“ Insbesondere die Entwicklungssprünge künstlicher Intelligenz (KI) innerhalb kurzer Abstände sind beeindruckend. Seit ChatGPT die Massen begeistert, feiert die Künstliche Intelligenz einen technologischen Siegeszug, wie er in dieser Wucht und Breite vorher nicht zu beobachten war. Mittlerweile nutzen mehr als 200 Millionen Menschen weltweit den KI-Chatbot.
Doch neu ist das Thema KI in der Steuerbranche nicht, im Gegenteil: „Künstliche Intelligenz spielt im Steuerberateralltag schon seit mehr als einem Jahrzehnt eine wichtige Rolle, betrachten wir nur das Thema Automatisierung der Buchhaltung“, erläutert Jens Henke, Steuerberater der DBB DATA.
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2024: KI wird in Office- und Steueranwendungen integriert
Oft steckt KI in automatisierten Systemen zur Erfassung, Kategorisierung und Bearbeitung von Dokumenten und Belegen. Die Lösungen merken sich beispielswiese Zuordnungen, schlagen sie beim nächsten Mal vor und sparen wertvolle Arbeitszeit. Mittlerweile ist KI sogar Bestandteil von Schreibprogrammen und Tabellenkalkulationen: Microsoft hat in diesem Jahr seinen Co-Pilot für alle Office-Anwendungen eingeführt. Und auch für steuerrechtliche Themen wurden in diesem Jahr KI-Chat-Lösungen gelauncht, die bei Steuerfällen die Recherche unterstützen. „Das Thema generative KI findet durch Verlagslösungen Einzug in Kanzleien, nicht nur in unsere. Die von den Verlagen angebotenen Silo-Lösungen können jedoch nicht der endgültige Ansatz sein, es braucht übergreifende Lösungen“, sagt Henke.
Mehr Krypto-Investments 2024
Die zunehmende Digitalisierung verändert nicht nur die Prozesse in der Steuerberatungsbranche. Sie verändert auch die Art der Geldanlage. So investieren immer mehr Menschen in den Bitcoin. Insbesondere der US-Wahlsieg des Krypto-Befürworters Donald Trump befeuerte in diesem Jahr die Euphorie rund um die digitale Geldanlage. Der Börsenkurs des Bitcoin knackte im Dezember erstmals die 100.000 Euro-Marke. Die Investorengemeinschaft wächst und auch andere Kryptowährungen waren in jüngster Zeit wieder sehr gefragt.
Diese hohe Nachfrage führt zu weiterem Beratungsbedarf in Steuerfragen. Waren es bisher nur jüngere und technologieinteressierte Mandanten, die sich dafür interessierten, kommt das Thema nun im Mainstream an. Noch fehlen Begriffe wie Blockchain, Kryptowährung oder Bitcoin in deutschen Steuergesetzen. Der Wunsch nach Rechtsicherheit ist allerdings groß. Kryptowährungen eröffnen Steuerberatern somit ein Beratungsfeld, das bewiesen hat, dass es keine Eintagsfliege ist. Im Gegenteil: Es dürfte die Steuer-Branche auch im kommenden Jahr weiter beschäftigen.
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Veränderungen beeinflussten das 24er-Tagesgeschäft
Abseits der großen Digitalisierungstrends musste 2024 auch das klassische Tagesgeschäft erledigt werden. Dafür war oft Flexibilität gefragt. Und Geduld. „2024 war spannend wie immer. Durch die Gesetzgebung – E-Rechnung, Corona-Schlussabrechnungen, ständig kleinteilige neue Entscheidungen und Gesetzgebungsverfahren – und auch den digitalen Fortschritt sind leider andere Projekt nach hinten gesetzt worden“, resümiert Marina Eibl, Steuerberaterin bei der Life Steuerberatungsgesellschaft.
Auch musste Zeit „aufgeholt“ werden, da man in den letzten Jahren immer von Verlängerungen beim Jahresabschluss hinsichtlich der Ordnungsgeldverfahren beim Bundesanzeiger profitiert hatte. „In diesem Jahr haben wir die Abschlüsse sozusagen nicht wie normal in 12 Monaten, sondern sogar nur in 9 Monaten erledigen müssen, um nun wieder alles auf Stand zu haben“, schildert Eibl. Man sei allerdings sehr gut durchgekommen. Bei den restlichen offenen läge es ausschließlich an der Zuarbeit des Mandanten. „Manche Mandanten fordern immer mehr in immer kürzeren Zeitabständen, sind aber selbst bei der Zuarbeit eher unzuverlässiger geworden“, so Eibl.
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Finanzverwaltung mit Digitalisierungspotenzial
Und auch bei der Zusammenarbeit mit den Finanzämter musste manche Kanzlei in diesem Jahr Defizite feststellen: Beispielsweise gab es eigentlich kein Thema, dass die Steuerberatungsgesellschaft Fischer & Reimann in diesem Jahr erschrecken konnte, die Steuerexperten waren auf alles sehr gut vorbereitet. „Einzig die Zusammenarbeit mit den Finanzämtern hat sich in 2024 verschlechtert. Mandanten wurden trotz Vollmacht vom Finanzamt direkt angeschrieben. Steuerbescheide wichen ohne rechtliches Gehör einzuholen von der Steuererklärung ab“, sagt Florian Fischer, Steuerberater bei Fischer & Reimann.
Auch die Steuernummernvergabe dauere immer noch viel zu lang. „Das alles sind leider keine Einzelfälle“, sagt Fischer. Aus Sicht des Steuerexperten schreitet die Digitalisierung und Automatisierung in der Finanzverwaltung viel zu langsam vorwärts. „Selbst wenn die neue Regierung in Kürze echte Reformen für die Finanzverwaltung beschließen sollte, gehe ich davon aus, dass es sich im Jahr 2025 weiter verschlimmern wird. Das wird der Wirtschaft Milliarden Euro und auch sehr viele Arbeitsplätze kosten“, so seine Befürchtung.
Steuerberater Jens Henke sieht es ähnlich: „Solange Branche und Gesetzgeber es nicht gelingt, Prozesse und die sie prägenden Gesetze stark zu vereinfachen und auch althergebrachte Rechtsfiguren zu überdenken, werden wir trotz technologischem Fortschritt in einen Engpass geraten.“ Für 2025 wünscht sich Henke daher „bisschen weniger ‚Das geht aber nicht, weil...‘ von Verwaltung, Gesetzgeber und einzelnen Berufsorganisationen.
Hoffnungsvoller Ausblick ins Jahr 2025
Doch trotz aller Verbesserungsmöglichkeiten: Alles in allem lief das Jahr 2024 gut für die Steuerberatungsbranche. Digitalisierung ist nicht länger ein Schlagwort, sondern wird spätestens mit der E-Rechnung gelebte Realität. Corona und seine bürokratischen Spätfolgen sind so gut wie ausgestanden und künstliche Intelligenz ist im Geschäftsalltag angekommen und vereinfacht zunehmend die Prozesse.
Steuerberaterin Eibl wünscht sich für 2025, dass die insgesamt positive Entwicklung anhält. „Ich hoffe, dass wir wieder ein vorausschauendes Gesetzgebungsverfahren erhalten, bei welchem eher an den größeren Stellschrauben geschraubt wird und nicht versucht wird, kleinste Ausnahmen zu ändern oder zu regeln und diese am besten halbjährlich anzupassen“, sagt Eibl. „Dadurch könnten wir die freigewordene Zeit nutzen, um die Automatisierung und Digitalisierung weiter voranzubringen und uns somit auch auf die immer größeren Anforderungen vorbereiten.“
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