Biodiversität und Klima: Warum beide Krisen zusammengedacht werden müssen
Die Ursachen für das Artensterben sind vielfältig und komplex. Hauptverursacher des Artensterbens sind wir selbst, die wir diese Vielfalt durch unsere Lebens- und Wirtschaftsweise zunehmend verändern und zerstören. Etwa eine Million Arten könnten in den nächsten Jahrzehnten aussterben, wenn wir so weitermachen wie bisher. Der WWF Deutschland spricht sogar vom „größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit“. Als weitere Hauptursachen gelten: Klimaveränderungen, Weltbevölkerungswachstum, Ressourcenverbrauch, Veränderungen der Landnutzung, invasive, gebietsfremde Arten, Lebensraumzerstörung, Landschaftsverbrauch und Landschaftszerschneidung, Land- und Forstwirtschaft, Wasserbau, Lichtverschmutzung und naturbelastende Freizeitnutzungen.
Maßnahmen zum Schutz von Biodiversität
Biodiversität lässt sich nach ihrem Verlust nicht wiederherstellen – deshalb braucht es richtige Handlungsstrategien zum Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt. Dabei geht es um den Schutz von Lebensräumen und den Schutz von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen, die nachhaltige Nutzung von wildlebenden und gezüchteten Arten sowie deren genetische Vielfalt, die Zugangsmöglichkeiten zu den genetischen Ressourcen der Welt, die gerechte Verteilung der Vorteile aus der Nutzung dieser genetischen Ressourcen und um dadurch insbesondere verbesserte Entwicklungschancen für die ärmeren, aber biodiversitätsreichen Länder (globale Gerechtigkeit). Pflanzen stehen an erster Stelle der Artenvielfalt. Zusammen schaffen sie ein Ökosystem, das Hitze- und Kälteextreme abfedert, Wasser speichert und feuchte Luft erzeugt.
Vor diesem Hintergrund wurde das internationale Regelwerk über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) verabschiedet und auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro beschlossen. Dieses Übereinkommen ist allerdings keine reine Naturschutzkonvention. Es greift die Nutzung und das wirtschaftliche Potenzial der natürlichen Ressourcen als wesentlichen Aspekt der Erhaltung der biologischen Vielfalt auf. Weltweit gibt es zahlreiche weitere politische Prozesse und Strategien, die auf die CBD referieren, darunter die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die ihrerseits wiederum als Referenzrahmen für Deutschlands Nachhaltigkeitsstrategie und die EU-Biodiversitätsstrategie dient. Ende 2021 nahm auch die 15. Weltnaturkonferenz (COP15) mit Verhandlungen über einen neuen globalen Rahmen mit neuen Zielen zum Biodiversitätsschutz ihren digitalen Auftakt. Um die Erhaltung und Wiederherstellung der Ökosysteme zu fördern und deren Verschlechterung zu stoppen, wurde das Zeitfenster 2021 bis 2030 außerdem zur UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen erklärt (folgt auf die UN-Dekade Biologische Vielfalt). Koordiniert wird sie vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).
Häufig wird auch auf die 17 Sustainable Development Goals (UN SDGs) verwiesen – noch umfassender ist allerdings die Earth Charta, eine Deklaration grundlegender ethischer Prinzipien für eine weltweit nachhaltige Entwicklung, die einen Leitfaden nach dem Erdprinzip aufbaut. Holistisch ist auch das Gaia-Prinzip. Urheber der Gaia-Theorie, die die Erde als lebendes und sich entwickelndes System betrachtet, das nach einer Selbstregulierung strebt, ist der Umweltaktivist James Lovelock. Wenn wir unsere Systeme auf der Erde stabiler bzw. resilienter machen wollen, sodass sie auch Schocks verkraften können, müssen wir uns vom schnellen Wachstum trennen, um dafür Stabilität zurückzubekommen.
Leistungen der Natur sind auch Grundlage zahlreicher wirtschaftlicher Leistungen
Die Störung natürlicher Ökosysteme durch den Menschen hat auch negative Folgen für die Wirtschaft. Deshalb müssen sich auch Unternehmen frühzeitig auf die neuen Herausforderungen einstellen und sollten Interesse an Naturschutz haben. Viele Umfragen in Unternehmen zeigen jedoch, dass die wirtschaftliche Bedeutung der biologischen Vielfalt häufig als gering eingeschätzt wird und Klima- und Insektenschutz nicht zusammengedacht werden. Bereits eine KPMG-Studie vom Dezember 2020 belegte, dass es erheblichen Nachholbedarf im Bereich Biodiversität gibt. Zudem wird im Bericht der Future of Sustainable Data Alliance darauf verwiesen, dass es eine ESG-Datenlücke im Bereich Biodiversität und Natur gibt. Wenn es darum geht, den Klima- und Umweltanforderungen in angemessener Weise nachzukommen, sind Ökobilanzen in der Bau- und Wohnbranche unverzichtbar. Die Informationen dafür liefern die Environmental Product Declaration (EPDs). Bauproduktehersteller geben diese an den Planer oder Architekten, damit er die Ökobilanz seines Gebäudes durchführen kann. Biodiversitätsverlust ist eine Herausforderung, die das gemeinsame Engagement verschiedener Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erfordert. Dabei ist optimale Verknüpfung von Arten- und Klimaschutz eine Schlüsselfrage der nachhaltigen Entwicklung.
Klimaziele können nur erreicht werden, wenn auch der Biodiversitätsverlust gestoppt wird
Dass Artenverlust und Klimawandel zusammenhängen, ist vielen Menschen nicht bewusst. Möglicherweise liegt es auch daran, dass im Vergleich zur Klimakrise das Thema in der Öffentlichkeit und in der Politik wenig präsent ist und als weniger bedrohlich wahrgenommen wird. Auch wenn es Aufgabe der Politik ist, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und für Transparenz und Planungssicherheit sorgen, so ist es schließlich doch der Privatsektor, der eine biodiversitätsverträgliche Wirtschaft umsetzen muss. Zudem können Unternehmen oft schneller und zielgerichteter agieren als die Politik. Der NABU engagiert sich deshalb schon lange gemeinsam mit Unternehmen für mehr Umwelt- und Naturschutz. Gemeinsam mit der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) hat er eine Studie zur Bedeutung der Biodiversität (intakte Ökosysteme, Artenvielfalt und genetische Vielfalt) und den Auswirkungen und Chancen von wirtschaftlichen Aktivitäten veröffentlicht.
Auch Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen, Vorstandsmitglieder von Cradle to Cradle NGO denken die Klima- und Ressourcenkrise zusammen. Sie verweisen darauf, dass sich im Industriegebiet „Zukunft“ bei Berlin sogar ein Iltis-Paar angesiedelt hat: „Die beiden leben in einem der Naturteiche mit angrenzender Feuchtwiese im Zentrum des Industriegebietes. Weil die Verkehrs- und Transportwege innerhalb des Gebietes zu einem großen Teil auf Brücken verlaufen, konnten die darunter freiliegenden Flächen renaturiert werden. In diesen kleinen Gärten verbringen die Beschäftigten der angesiedelten Unternehmen ihre Mittagspausen.“ Der Cradle to Cradle-Ansatz geht aber noch viel weiter: So bestehen Gebäude, die von C2C inspiriert sind, „aus materialgesunden und kreislauffähigen Baustoffen und Gegenständen, die mehr erneuerbare Energie erzeugen als sie benötigen und durch Begrünung Biodiversität aufbauen sowie Luft und Wasser filtern.“
Solche Aktivitäten sind wichtige Bausteine für das Engagement im Großen, das allerdings auch entsprechende Rahmenbedingungen braucht: Um dem Insektensterben entgegenzuwirken, wurde 2021 das „Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt“ beschlossen, die neuen Regeln zum Natur- und Insektenschutz gelten seit dem 1. März 2022. Dadurch sollen Rückzugsgebiete besser geschützt und bestimmte Biozide, Pestizide sowie künstliche Lichtquellen in bestimmten Schutzgebieten verboten werden. Während das Bewusstsein für den Klimawandel in der deutschen Gesellschaft in den letzten Jahren verstärkt zunahm, wird der Biodiversitätskrise weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Dennoch ist Bewegung in das Thema gekommen, wie die Ergebnisse des „ 2022 Global Climate Survey“ von Robeco belegen: Mehr als die Hälfte der befragten Investor:innen gehen davon aus, dass das Thema Biodiversitätsschutz in den nächsten beiden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Die Auswirkungen des Klimawandels und des Biodiversitätsverlusts, die eng miteinander verbunden sind, gehören zu den wichtigsten Herausforderungen und Risiken der Gegenwart.
Literatur:
- Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen: Klimaneutral – und dann? In: Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
- James Lovelock et al.: Die Erde und ich. Taschen GmbH, Köln 2016.
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