Der Digitale Produktpass
Sowohl unsere Gesellschaft als auch die Wirtschaft befinden sich im Wandel, geprägt von zwei großen Themenkomplexen: Digitalisierung und Nachhaltigkeit bzw. Klimaneutralität. Dabei stellen die Produkte, welche wir produzieren, einen nicht zu vernachlässigenden Faktor dar. Die steigende Forderung nach nachhaltigen Produkten in der Gesellschaft und die Zuwendung der Politik zu dem Thema Kreislaufwirtschaft drängen verschiedene Fragen über die Produkte in den Vordergrund. Wie wurde das Produkt produziert? Wie kann das Produkt am Ende des Lebenszyklus möglichst sinnvoll recycelt werden? Während zur Beantwortung solcher Fragen über Produktion, nachhaltige Nutzung und Entsorgung eines Produktes aktuell selbst recherchiert werden muss, stellt der digitale Produktpass (kurz: DPP) eine Möglichkeit zur zentralen Zusammenfassung wichtiger Informationen eines Produkts dar.
Was ist der Digitale Produktpass (DPP)?
In einem digitalen Produktpass wird ein Produkt über den gesamten Lebenszyklus transparent beschrieben. Soll beispielsweise ein Produkt am Ende des Lebenszyklus entsorgt werden, können die im DPP gesammelten Informationen bspw. über verwendete Materialien, chemische Substanzen, Reparierbarkeit, Recycelbarkeit und Materialqualitäten genutzt werden, um das Produkt möglichst nachhaltig zu entsorgen oder wiederzuverwenden. Zur möglichst feinen Darstellung der Produkteigenschaften sind zudem Betrachtungen einzelner Prozessschritte in digitalen Prozesspässen enthalten. Die Kennzeichnung und somit die Weiterleitung zum digitalen Produktpass bspw. in Form eines QR-Codes oder eines RFID-Tags sollte dabei vor dem Kauf oder Inanspruchnahme einer Dienstleistung frei zugreifbar sein.
Durch diesen abrufbaren Produktpass wird auf der einen Seite die Kreislaufwirtschaft elementar im Nutzungs- und Recyclingprozess auf dem Weg zum Klima- und Umweltschutz begleitet. Auf der anderen Seite entsteht dabei ein Datensatz, welcher Konsument:innen und auch Stakeholdern dank der Vergleichbarkeit ermöglicht, auf nachhaltigere Produkte und Prozesse zurückzugreifen.
Politische Entwicklung
Zwar erhält das Thema DPP immer mehr Ansehen, jedoch ist der Pass noch in der Entstehung. Auf politischer Ebene sind konkrete und umfassende Konzepte über die Ausgestaltung und Implementierung in der Entwicklung.
Während CO2-Zertifikate und der CSR-Bericht bereits für einige Unternehmen Verpflichtungen zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Produktion enthalten, nennen Initiativen wie der Green Deal von 2019, die Umweltpolitische Digitalagenda des BMUV und die EU Batteries Directive von 2020 erstmals den DPP als Bestandteil zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft. Weitere nennenswerte Initiativen sind hierbei die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), welche die CSR-Berichtspflicht 2024 ablöst, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz von 2021, der Circular Economy Action Plan von 2020 und die EU Sustainable Product Initiative von 2022.
Diese Initiativen zeigen, dass der DPP in der Anfangszeit vor allem für ressourcen- und energieintensive Produkte interessant und verpflichtend wird. Besonders die EU Batteries Directive zeigt mit der Verpflichtung zur Bereitstellung von DPPs für Batterien ab 2026, dass ebensolche Regularien kommen werden und eine frühzeitige Auseinandersetzung und Vorbereitung im produzierenden Unternehmen sinnvoll ist.
Inhalte eines DPP
Da sich der Pass noch in der Entwicklung befindet, sind die Inhalte und der Aufbau eines DPP noch nicht klar definiert. Werden allerdings die verschiedenen Initiativen betrachtet, kann ein möglicher Standard-Inhaltsvorschlag aufgezeigt werden. Grundsätzlich müssen bei der Bereitstellung, alle Inhalte maschinenlesbar, strukturiert und durchsuchbar sein sowie auf offenen Standards basieren.
Inhaltlich sind Informationen zur Produktidentifikation, Handbücher und Anleitungen, Warnhinweise, Sicherheitsinformationen, Konformitätsunterlagen und individuelle Kennzeichnungen der Hersteller und Vertreiber denkbar.
Ziele und Vorteile des DPP
Auch wenn der digitale Produktpass aktuell noch nicht verpflichtend für Unternehmen ist, gibt es verschiedene Ziele und Vorteile, welche die Umsetzung auch ohne betreffende Regularien befürworten.
Auf der einen Seite wird durch den Einsatz eines DPP die Erreichung von drei großen, eng miteinander verwobenen Überzielen unterstützt. Dabei handelt es sich um die Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen, unabhängig davon ob intern oder extern, die Steigerung der Transparenz eines Produkts und die Erhöhung der Marktfähigkeit bzw. der Informationsübermittlung. Auf der anderen Seite werden Motivationen und Möglichkeiten geschaffen, sich den Produktionszyklus genauer anzuschauen, Verbesserungspotentiale zu finden und Verbesserungsmaßnahmen zu überprüfen.
Allerdings ist zu beachten, dass durch die Einführung eines DPP die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen nicht garantiert, sondern die kontinuierliche Maßnahmenbildung unterstützt wird.
Umsetzungsvorgehen im Unternehmen
Grundsätzlich ist es für die erste Umsetzung eines DPP sinnvoll ein Projektteam zu bilden, mit welchem ein Pilotprojekt gestartet und ein Projektrahmen festgelegt wird. Grob kann die Umsetzung dabei in die Anforderungsanalyse, die Konzeptionierung und die Realisierung und Skalierung unterteilt werden. Sinnvoll ist hierbei die aktuelle Zeit ohne rechtliche Verpflichtungen zu nutzen, mit kleinen Projekten - wie einzelnen Produkten oder Prozessteilbereichen - zu beginnen und sich ggf. mit Hilfe von externen Partnern dem vollständigen DPP anzunähern.
Welche Informationen am Ende für den DPP von Relevanz sein könnten und wie diese übersichtlich dargestellt werden könnten, zeigt das Anwendungsbeispiel für ein Dashboard und den DPP einer Glühbirne des August-Wilhelm Scheer Instituts für digitale Produkte und Prozesse gGmbH in Abbildung 1:
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