Gamification: Was Klimaschutz-Apps für Mitarbeitende bringen
Leafy ist ein kleines, grünes Blatt. Es führt Mitarbeitende von Unternehmen in eine bessere Zukunft– zumindest in der Greenify-App. Wer einen guten Beitrag für Nachhaltigkeit leistet, erhält von dem Klimaschutz-Avatar Bestätigung und Punkte auf das eigene Nachhaltigkeitskonto. „Es gibt Studien zu Spielen im Privatsektor, die nahelegen, dass Gamification zu einem geringeren Energie- und Wasserverbrauch führen können“, meint Jeanine Kirchner-Krath von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen Nürnberg (FAU). Sie promovierte an der Universität Koblenz und untersuchte im Forschungsprojekt Greenify.work, ob Gamification auch nachhaltiges Verhalten von Mitarbeitenden am Arbeitsplatz fördern kann. Dafür entwickelte sie mit ihrem Forschungsteam eine eigene App.
Gamification soll Mitarbeitende zu Klimaschutz motivieren
Spielelemente sollen Mitarbeitende für ökologische Nachhaltigkeit sensibilisieren und sie zu klimaschützendem Verhalten animieren. Auch im Arbeitskontext geht es dabei um Aspekte, die im Ermessen der Mitarbeitenden liegen – wie etwa ihre Ernährung oder die Art ihrer Mobilität. Als Motivationstreiber gelten insbesondere Spielelemente, die Feedback zur eigenen Entwicklung, dem damit erreichten Effekt und dem Vergleich mit anderen geben.
Die Idee, mit Gamification nachhaltiges Verhalten anzuregen, ist nicht neu. Marie-Laure Burgener gründete bereits 2012 GreenGoWeb. Schon damals bot die Firma mit Sitz in Genf und im Wallis in der Schweiz eine Lösung, die Mitarbeitende spielerisch dabei unterstützen soll, Ressourcen zu sparen – etwa, indem sie die Treppe statt des Aufzugs nehmen, Becher wiederverwenden oder einen Tag lang keine E-Mails ausdrucken. Doch richtig zum Fliegen kam die Anwendung wohl nicht. Heute ist Greengoweb vor allem auf Nachhaltigkeitsconsulting spezialisiert. In den USA machte schon ab 2009 die App Joulebug von sich reden, die zunächst für den persönlichen Gebrauch gedacht war. Inzwischen gibt es die App auch für den Unternehmen. Im europäischen Raum spielt sie in diesem Kontext aber kaum eine Rolle. Dort sind in den letzten zwei Jahren zahlreiche neue Gamification-Apps mit dem Fokus auf Klima- und Ressourcenschutz auf den Markt gekommen. Diese haben viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede.
Sustayn
Nachhaltigkeit, Engagement und Mitbestimmung – das Start-up
Sustayn möchte mit seiner gleichnamigen App diese Aspekte miteinander verbinden. Die Anwendung verfügt über einen interaktiven Informationsfeed. Dort haben Unternehmen die Möglichkeit, die bereitgestellten allgemeinen Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen – wie etwa zu den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen oder zum Energieverbrauch – mit eigenen Sustainability-News zu ergänzen. Diese werden snackable, also in kleinen verdaulichen Portionen, als Microlearning aufbereitet. Zudem kann man „Challenges“ ausrufen, um den internen Wettbewerb zu fördern. Derartige Aktionen oder die Teilnahme an Events lassen sich mit Benefits oder sonstigen Belohnungen verknüpfen. Mitarbeitende erhalten für nachhaltiges Verhalten Spielpunkte, sogenannte „Sustayns“. Diese Münzwährung können sie für verschiedene Aktionen einlösen, wie etwa die Umstellung auf Ökostrom oder ein Sportprogramm, die das Unternehmen zur Verfügung stellt. Die Aktion mit den meisten Punkten wird umgesetzt. So erfahren Beschäftigte, was ihr Arbeitgeber plant und können dabei gleich mitentscheiden, wie sich die Nachhaltigkeitsagenda weiterentwickelt.
Klimakarl
Auch das Start-up Sustainable Change Labs hat sich das Ziel gesetzt, Mitarbeitende für mehr Klimaschutz zu gewinnen – sowohl, wenn sie noch wenig für das Thema sensibilisiert sind, als auch, wenn sie schon eine nachhaltige Lebensweise praktizieren. Ob Mobilität, Energieverbrauch, Ernährung oder Ressourcen – die App Klimakarl fokussiert „Team-Challenges“: Kolleginnen und Kollegen treten gemeinsam drei Wochen lang im CO2-Sparen gegeneinander an, lesen Wissenskarten oder machen bei Quizzes mit. Ein Ranking in der App gibt laufend Aufschluss, welches Team die Nase vorn hat. Dies kommentiert Klimakarl, der Avatar, der durch den Wettbewerb führt und die Teams mit Tipps und Tagesinfos versorgt oder sie mit Feedback bei der Stange halten möchte. Mit dem eingesparten CO2 können die Teams an grüne Projekte spenden. Über die App haben Beschäftige auch die Möglichkeit, eigene Green-Office-Ideen zu teilen oder Abzeichen für Extrapunkte zu sammeln. Am Ende einer Challenge erhält das Unternehmen einen Abschlussbericht mit verschiedenen Analysen.
Ducky
Das internationale Pendant dazu ist Ducky. Das norwegische Start-up bietet die sogenannte „Ducky Challenge“ an, mit der Mitarbeitende im Team auf Norwegisch, Englisch (UK) und Japanisch Klimaaufgaben lösen können. Die Laufzeit der Wettbewerbe können Unternehmen individuell anpassen. Die Lösung hält rund 30 Aktivitäten zu vier Bereichen individueller Emissionen vor: Verkehr, Ernährung, Konsum und Energie. Auch hier gibt es am Ende einen Abschlussbericht. Für jede Aktivität verwendet Ducky aggregierte Klimadaten und Analysen zu den Umweltauswirkungen von Produkten und Dienstleistungen. Die Engagement-Plattform zur Reduzierung von CO2-Emissionen basiert auf der eigenen Daten-Schnittstelle (API) für Unternehmen. Ziel ist es dabei, interne Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen, aber auch Teambuilding zu betreiben. Die zugrundliegende API erlaubt es außerdem, anonyme Daten aus einem Unternehmenskontext wie beispielsweise von Bankanwendungen, Inventarsystemen oder Webshops zu integrieren. Ducky errechnet Klimadaten, die Unternehmen speichern und weiterverwenden können – zum Beispiel auch im Kundenkontext.
Planeed
In einer frühen Phase befindet sich die App Planeed. Das 2022 gegründete Start-up aus München setzt vor allem auf Kommunikation von Nachhaltigkeitszielen. Die App, in der man sich kostenfrei registrieren kann, soll ein neuartiges Netzwerk sein, in dem man über bestimmte Mechanismen und Interaktionsformate nachhaltiges Handeln sichtbar machen kann – nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“. Mit einem Company-Account können Unternehmen Action Points festlegen, Kennzahlen hinzufügen – zum Beispiel in Bezug auf die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, CO2-Reduzierung oder eigene KPIs – und den Kommunikationskanal wie etwa Website oder Social Media definieren. Auch diese App umfasst eine Teamfunktion und Feedback-Möglichkeiten – etwa ein Extralob für Mitarbeitende oder Teams, die sich besonders engagieren.
Mehr Impact durch Teambuilding und Hochrechnung
Gerade im Team-Vergleich stecken laut Jeanine Kirchner-Krath Chancen für nachhaltiges Verhalten. Denn die Auswirkungen zeigen sich meist nicht sofort, sondern erst in vielen Jahren. Bei vielen Menschen kann dies zu einer resignativen Haltung führen – vor allem wenn sie sehen, wie gering ihr persönlicher Einfluss ist. „Teambuilding kann helfen, die extreme zeitliche Latenz beim Thema Nachhaltigkeit zu überbrücken“, so die Leiterin von Greenify.work. In der App des Forschungsprojekts werden deshalb kleine Effekte im Team aufgerechnet. „So können Menschen sehen, was der gemeinsame Impact ist und den Link zu ihrem Verhalten besser herstellen.“
Die Greenify-App konzentriert sich auf vier Dimensionen von ökologischer Nachhaltigkeit: Energieverbrauch (responsible consumption), Produktion (Lebenszyklus und Recycling), Abfallvermeidung und Wasser. Andere Apps rechnen alle Aktivitäten in CO2 um, etwa indem sie bestimmte Aktivitäten mit dem Verhalten einer durchschnittlichen Person vergleichen. „Aus psychologischer Sicht ist das schwer greifbar“, sagt die Forscherin Kirchner-Krath. Wenn jemand aber sehe, dass der Abfalleimer am Ende des Tages nur halb so voll ist wie sonst, sei dies ein viel konkreteres Ergebnis.
Ohne Belohnung kein nachhaltiges Handeln?
Die Gamification-Expertin hat bei Teilnehmenden ihres Forschungsprojekts zudem beobachtet, dass viele eine Belohnung für ihre Nachhaltigkeitsanstrengungen erwarteten, etwa in Form von Geld – und zwar auch dann, wenn sie von der Bedeutung ökologischer Nachhaltigkeit überzeugt sind. Wie stark und auf welche Weise Menschen auf Gamification reagieren, hänge einerseits von Persönlichkeitsmerkmalen ab. Es gebe Spielertypen, die persönliche Bestätigung suchten, solche, die Batches und Abzeichen sammeln, und wieder andere, die vor allem Teil eines Teams sein möchten (siehe auch Interview mit Philipp Reinartz).
Die am Markt verfügbaren Apps gehen wie Greenify von einer Gleichverteilung dieser Gruppen unter Beschäftigten aus – haben zwar Schwerpunkte, aber bieten prinzipiell Elemente für alle an. Doch Jeanine Kirchner-Krath vermutet, dass viele Beschäftigte im Arbeitsalltag extrinsisch konditioniert sind. „Das spiegelt das Dilemma, das Unternehmen auch sonst mit Bonussystemen haben: Sind diese einmal eingeführt, kommen sie nur noch schwer davon weg.“. Die Forschungsleiterin empfiehlt Nachhaltigkeitsverantwortlichen deshalb bei der Einführung von Gamification-Apps – insbesondere in hierarchischen Aufbauorganisationen – die Haltung der Führungskräfte im Blick zu behalten. „Nehmen diese an Einführungsmeetings teil und heben die Bedeutung von Nachhaltigkeit hervor, beteiligen sich Mitarbeitende deutlich stärker.“
Fazit: Gamification kann Awareness schaffen
Betrachtet man die verfügbaren Gamification-Apps für Klimaschutz, ist ein Schwerpunkt bei einfach umzusetzenden Themen auszumachen. Komplexe Nachhaltigkeitsstrategien sind durch derartige Lösungen nicht abgedeckt. Doch Unternehmen können mit Gamification Awareness für ökologische Nachhaltigkeit stärken. Wenn es gelingt, die spielerische Freude am Klimaschutz zu stärken, statt ihn zu einer neuen Leistungskomponente zu machen, die mit Verzicht und Anstrengung verbunden ist, wäre viel gewonnen.
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