Interview über Nachhaltigkeit und KI

Künstliche Intelligenz wird zum Allzweckmittel der Wirtschaft. Doch auch wegen des Ressourcenverbrauchs steht sie immer mehr in der Kritik. Über KI und Nachhaltigkeit spricht Dr. Christiane Plociennik vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) im Interview.

Frau Plociennik, wann sprechen wir von nachhaltiger oder grüner Künstlicher Intelligenz?

Wir unterscheiden zwischen Nachhaltigkeit durch KI und Nachhaltigkeit von KI. Nachhaltige KI meint Technologien, also Hardware und Software, die per se als nachhaltig gelten. Doch was definieren wir als nachhaltig? Dafür betrachten wir nicht nur die Rechenzeit eines Systems, sondern auch den Lebenszyklus der physischen Rechenressourcen, also wie Hardware produziert wurde, woher die Rohstoffe kommen und wohin sie gehen. Je mehr man in die Tiefe geht, desto schwieriger wird es, denn oft fehlen die Daten. Nachhaltigkeit durch KI ist alles, was wir tun können, um Nachhaltigkeit zu verbessern. Ein Beispiel: In Projekten zur Kreislaufwirtschaft untersuchen wir vom DFKI, wie Produkte länger im Kreislauf verbleiben, damit weniger weggeworfen wird und Dinge umgenutzt werden.

Und was versteht man unter roter Künstlicher Intelligenz?

So eine KI ist nicht nachhaltig. Nach dem Motto „Fire and Forget“, also einfach machen, was geht. Besonders aus Deep-Learning-Modellen versucht man oft noch das Letzte an Präzision herauszukitzeln, ohne auf die Rechenzeit und den Stromverbrauch zu achten. Diesen Weg sollten wir tunlichst verlassen. Es ist ein Abwägen zwischen dem, wofür KI gebraucht wird, wie genau sie sein muss, ob nicht auch weniger reicht und wann ein Modell nachtrainiert werden sollte.

Auf der Agenda vieler Unternehmen steht nachhaltiges Wirtschaften. Welche Rolle kann KI spielen?

Bei manchen Unternehmen sind die Möglichkeiten offensichtlicher als bei anderen. Zum Beispiel lassen sich im produzierenden Gewerbe mit KI-basierten Verfahren die Rohstoffverbräuche optimieren. Oder man kann Rohstoffe gegen nachhaltigere Rohstoffe austauschen.

Noch mehr Potenzial hat der Produktpass, wenn sich Unternehmen dadurch untereinander vernetzen. Dann haben alle möglichst viel davon und der Produktpass wird nicht bloß ein Instrument zum Erbsenzählen.

Der digitale Produktpass wird noch viele Unternehmen betreffen, erst für Batterien und dann sektorspezifisch für andere Produkte. Es geht darum, welche Auswirkungen die Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten auf die Umwelt haben. Sobald wir einen Datenbestand aufgebaut haben, können wir das mit KI untersuchen. Auch Unternehmen können das dann tun. Noch mehr Potenzial hat der Produktpass, wenn sich Unternehmen dadurch untereinander vernetzen. Dann haben alle möglichst viel davon und der Produktpass wird nicht bloß ein Instrument zum Erbsenzählen. Ein Entsorger weiß dann, wie ein Produkt zusammengesetzt ist. Er kann seine Anlagen einstellen und dem Hersteller Feedback geben. 

Künstliche Intelligenz für alle 

Wie können kleinere Unternehmen, die nicht über entsprechende Ressourcen und Expertise verfügen, so eine Technologie nutzen?

Wir arbeiten an diesem Thema. Das steckt allerdings noch in den Kinderschuhen, weil KI-Lösungen für kleinere Unternehmen noch nicht so weit sind. In dem neuen Projekt Green AI-Hub wollen wir KI für den Mittelstand machen und in Pilotanwendungen zeigen, wie sich so etwas umsetzen lässt. Wir wollen damit die Barriere senken, damit sich Unternehmen leichter damit beschäftigen können. Das motiviert vielleicht auch junge Leute dazu, einfache Anwendungen im Unternehmen umzusetzen und damit etwas für Nachhaltigkeit zu tun.

Christiane Plociennik

Können künftig alle Menschen mit KI umgehen?

Heute arbeitet kaum noch jemand ohne KI. Das ist mehr oder weniger versteckt in anderen Anwendungen, die Menschen jeden Tag nutzen. Aber auch für die aktive Nutzung von KI gibt es Bestrebungen im Bereich Low Code, so dass nicht viele Programmierkenntnisse erforderlich sind. Um tief einzusteigen sowie solche Technologien zu verstehen und anzuwenden, habe ich jedoch ein Studium und eine Promotion in Informatik absolviert. Das lässt sich nicht einfach ersetzen. Das kennen Sie sicher selbst: Ich könnte selbst einen Artikel schreiben oder das zum Beispiel von ChatGPT machen lassen. Das Ergebnis wird aber nicht so sein, als hätte das ein Journalist geschrieben. Spezialisten werden immer gebraucht.  

Was macht das mit der Arbeitswelt, wenn immer mehr KI angewendet wird?

Möglicherweise verschieben sich dadurch die Aufgabenbereiche in Unternehmen. Es ist ähnlich wie bei anderen Veränderungsprozessen: Wir brauchen eine Debatte darüber, was „gute Arbeit" eigentlich ist und wie wir in Zukunft Arbeit auch in sozialer Hinsicht nachhaltig gestalten können.

Wenn wir die Technologien sich selbst überlassen, können sie Ungleichheiten sogar verschärfen.

In welchen Bereichen wird KI in Zukunft noch wichtiger?

Überall, wo es eine Datengrundlage braucht, bevor man nachhaltig optimiert. Nehmen wir den Produktpass: Weil es ihn noch nicht gibt, können wir nichts damit machen. Angesichts der Energiewende könnten wir Technologien wie intelligente Stromnetze ausbauen. Schließlich kann KI auch Armutsbekämpfung, Bildung und Inklusion fördern. Wenn wir die Technologien aber sich selbst überlassen, können sie Ungleichheiten sogar verschärfen. „Abgehängte“ Länder werden noch mehr abgehängt, weil ihnen die Technologie fehlt. Es kommt – wie bei allem – darauf an, was der Mensch daraus macht.


Schlagworte zum Thema:  Künstliche Intelligenz (KI), Green Tech