Nachhaltigkeit durch KI: Was ist möglich?

Kann Künstliche Intelligenz (KI) auch Nachhaltigkeit revolutionieren? Zumindest kann sie helfen, Energieverbrauch zu optimieren, Ressourcen effizienter zu nutzen und Kosten signifikant zu senken. Ihr Potenzial für mehr Umweltfreundlichkeit bleibt jedoch unterschätzt. 

Es war noch längst nicht in Mode, als Henkel die Grundlage für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz schuf. Das Unternehmen etablierte 2013 einen „digitalen Backbone“. „Wir wollten den Energieeinsatz in der Produktion global besser steuern und brauchten dafür einen zentralen Datensammler. Er sollte uns zeigen, wo welche Energiemenge verbraucht wird, und so den Energieeinsatz kontinuierlich optimieren“, erzählt Wolfgang Weber, Leiter Engineering und Industrie 4.0 bei Henkel im Bereich Consumer Brands. Heute erfasst der digitale Backbone alle 40 Produktionsstandorte des Konsumgüterbereichs und ermöglicht dem Unternehmen sogar, einzelne Maschinen miteinander zu vergleichen. 

Henkel: Vom digitalen Backbone und Künstlicher Intelligenz

Diese Sammlung von Daten ist für Künstliche Intelligenz ideal, erklärt Weber: „Die KI schaut sich die Datensätze an, vergleicht sie mit historischen Daten und gibt Anweisungen, wie wir den optimalen Zielwert erreichen. Dazu zählen auch Vorschläge, wie wir starke Ausschläge, also Amplituden, vermeiden können.“ Henkel Consumer Brands konnte die Energie- und Emissionswerte seit 2013 um 50 Prozent reduzieren – zum großen Teil durch den Einsatz des digitalen Backbones und der KI. 

Und das Potenzial ist noch größer: „Wir haben mit Energie begonnen. Mittlerweile steuern wir damit Wassereinsatz, Qualität, Sicherheit, Effizienz sowie Linieneffizienz und -auslastung“, sagt Felix Sobotka, bei Henkel Consumer Brands verantwortlich für Safety, Health, Environment, Quality und Sustainability in Operations: „Wir haben so unsere Nachhaltigkeit deutlich verbessert und reduzieren gleichzeitig Kosten.“ 

Fraunhofer-Studie: Das nachhaltige Potenzial von KI bleibt unterschätzt

Künstliche Intelligenz bietet großes Potenzial für die Nachhaltigkeit von Unternehmen. Doch das wird noch weit unterschätzt. So lautet das Ergebnis einer Studie zweier Fraunhofer-Institute. Eine der Autorinnen, Frauke Schuseil, nennt Beispiele: KI könne Produktionsprozesse optimieren – wie bei der Firma Henkel. Oder sie könne helfen, Maschinen besser einzustellen. So wie bei der Firma Multivac: Bei ihren Verpackungsmaschinen müssen regelmäßig Parameter neu eingestellt werden, abhängig von verwendeten Materialien. Künstliche Intelligenz hilft, die Maschinen perfekt auf das verwendete Material zu konfigurieren. Das spart Zeit, Strom und Material und damit auch Geld. 

Laut der Studie werde KI meist mit einem Fokus auf Kosteneffizienz eingesetzt, aber noch nicht so häufig für ökologische Nachhaltigkeit. „Im Idealfall kommen beide Aspekte zusammen. Dann ist es ein win-win für Unternehmen und Umwelt“, sagt Schuseil. 

Besonders interessant wird es ja, wenn ich meinen Kunden durch KI einen neuen Service anbieten kann, der die Umwelt schont. (Frauke Schuseil, Fraunhofer IAO)

Wichtig sei, abzuschätzen, ob sich der Einsatz der KI auch finanziell lohnt. „Dabei geht es nicht nur um die direkten Kosten“, sagt die Wissenschaftlerin. „Besonders interessant wird es ja, wenn ich meinen Kunden durch die KI einen neuen Service anbieten kann, der die Umwelt schont. Dann rechnet sich das für Kunde, Firma und die Umwelt.“

Energieverbrauch und Vertrauen: Warum KI nicht immer nachhaltig ist

Nicht aus dem Blick verlieren dürfe ein Unternehmen den Energieverbrauch der KI selbst. „Wenn ich beispielsweise Bilderkennungsverfahren in der Produktion verwende, kann dies schnell zu hohen Energiekosten und negativen Umweltwirkungen führen“, sagt Schuseil. Deshalb empfiehlt sie, die Ressourcenintensität von KI-Modellen offen zu legen, verschiedene Modelle miteinander zu vergleichen und sicherzustellen, dass der Nutzen höher als die negativen Auswirkungen ist. 

Und noch etwas: Der Anwender soll der KI nicht blind vertrauen. Schuseil: „KI kann gerade bei komplexen Fragestellungen hervorragend unterstützen. Das kann aber auch dazu führen, dass sie Lösungen findet, die zu simpel sind – also der Komplexität nicht gerecht werden.“ Deshalb sei es wichtig, die Ergebnisse der KI nachvollziehen zu können. 

KI kann gerade bei komplexen Fragestellungen hervorragend unterstützen. Das kann aber auch dazu führen, dass sie Lösungen findet, die zu simpel sind – also der Komplexität nicht gerecht werden. (Frauke Schuseil, Fraunhofer IAO)

Erfolgsfaktoren für den Einsatz von KI – am Beispiel Henkel

Aus dem Einsatz der Künstlichen Intelligenz bei Henkel lassen sich einige Erfolgsfaktoren ableiten. Wichtig ist es, einen konkreten Anwendungsfall zu haben. „Die KI kann helfen, eine spezifische Aufgabe zu lösen. Dafür muss ich genau definieren, in welche Richtung ich die Daten auswerten will“, sagt Weber. Um die Investition zu begründen, ist zudem ein solider Business-Case nötig. „Da eignet sich das Thema Energie sehr gut. Wenn man schon einstellige Energieeinsparungen erzielt, lohnt sich in der Regel die Investition bereits“, erläutert Weber. 

Für den Erfolg ist darüber hinaus wichtig, der Belegschaft klarzumachen, was solch ein Tool bringt. „Sie sollen es ja nutzen, um möglichst viel rauszuholen“, sagt Sobotka. Das Unternehmen hat für die Anwendung ein kleines Data-Science-Team aufgebaut. „Wir sind sehr gut damit gefahren, die Programmierkompetenz im eigenen Team zu haben. Das macht uns schnell“, sagt Weber.

Nachhaltigkeit durch Künstliche Intelligenz: Ein Praxis-Leitfaden

Die Forschenden der Frauenhofer-Institute wollen Unternehmen bei der Nutzung von KI unterstützen und haben dafür in ihrer Studie einen Leitfaden mit sieben Schritten entwickelt:

  1. Entwicklung und Einführung einer Nachhaltigkeitsstrategie: Dies ist wichtig, um die entscheidenden Schlüsselaktivitäten auszuwählen und die nötigen Ressourcen bereitzustellen.
  2. Nachhaltigkeitsziele aus der Nachhaltigkeitsstrategie ableiten
  3. Nachhaltigkeitsherausforderungen identifizieren und technologische Problemstellung formulieren: Dies könnte zum Beispiel bedeuten, dass ein Unternehmen seine Emissionen bis zum Jahr XY um X Prozent reduzieren will. Die Problemstellung sind beispielsweise die hohen Emissionen in der Produktion. Dieser Punkt ist ein guter Einstieg für Unternehmen, die bereits eine Nachhaltigkeitsstrategie mit Zielen haben.
  4. Bewusste Entscheidung für oder gegen KI: Ausgehend von der Problemstellung wird untersucht, ob KI helfen kann. „Nur weil KI gerade in ist, heißt das gar nicht, dass es keine anderen Lösungen gibt“, sagt Schuseil. 
  5. Prüfung der Voraussetzungen: KI stellt besondere Anforderungen. Die IT-Infrastruktur muss leistungsfähig sein, das Unternehmen benötigt Expertise und Ressourcen. Und schließlich müssen genügend Daten zum Training der KI-Modelle zur Verfügung stehen. Fehlen diese Voraussetzungen, kann der Einsatz der KI schnell Frust verursachen. 
  6. Projektplanung und Technologieauswahl: Hier ist beispielsweise zu klären, ob die KI selbst entwickelt wird oder ob der Auftrag an einen externen Partner vergeben wird. Schnittstellen zu anderen Systemen sowie benötigte Software- und KI-Komponenten müsse in diesem Schritt ebenfalls geklärt werden. 
  7. Umsetzung!

Ein Beispiel für die Verknüpfung von KI und Nachhaltigkeit ist die Große-Belt-Brücke in Dänemark. Für die Sund & Bælt Holding, den Betreiber der knapp 18 Kilometer langen Brücken- und Tunnelkombination, war die Wartung eine der größten Herausforderungen. Gemeinsam mit IBM entwickelte Sund & Bælt eine KI, die hilft, die Konstruktion zu überwachen und die Auswirkungen von Veränderungen – zum Beispiel der Verkehrsbelastung – zu simulieren. Die Verantwortlichen hoffen, dadurch die Lebensdauer der Brücke um 100 Jahre zu verlängern und so 750.000 Tonnen CO2 einzusparen. 


Schlagworte zum Thema:  Künstliche Intelligenz (KI), Nachhaltigkeit