„Wir wollen die betriebliche Gesundheitsförderung in Richtung 4.0 bringen“
Frau Dr. Ponnath, was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Das ganze Team vom Gesundheitsmanagement hat sich sehr über den Preis gefreut. Die Auszeichnung für unser Engagement für Gesundheit am Arbeitsplatz wurde direkt von den Mitarbeitern, für die wir gesundheitsfördernde Maßnahmen planen und umsetzen, im Rahmen der „Great Place to Work“-Befragung honoriert. Durch die Verleihung des Preises fühlen wir uns in unserer Arbeit bestätigt und motiviert, uns weiterhin für die Gesundheit der Mitarbeiter zu engagieren.
Seit wann betreiben Sie die betriebliche Gesundheitsförderung systematisch?
Seit 2007 gibt es einen offiziellen „Gesundheitszirkel“, in dem wir Maßnahmen diskutieren und planen. Viele Maßnahmen z. B. zur Ergonomie am Arbeitsplatz oder zur Arbeitssicherheit werden selbstverständlich schon seit langem durchgeführt. Auch Vorsorgeuntersuchungen, Beratungen und Impfungen für Reisen gibt es wesentlich länger.
Welche Investitionen betreibt Reinhausen?
Finanziell kann ich das nicht genau beziffern, da wir – also das Gesundheitsmanagement – nicht gedeckelt sind. Uns steht ein offenes Budget zur Verfügung. Das ist nicht jedes Jahr gleich, sondern hängt von den geplanten Maßnahmen ab. Doch bisher wurde noch nichts abgelehnt oder anders gesagt, konnte alles durchgeführt werden. Das macht uns vom BGM das Arbeiten sehr leicht.
Und welche messbaren Erfolge können Sie nachweisen?
Es ist ja relativ schwierig, die Erfolge von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu messen. Meistens werden dafür Krankenzahlen herangezogen. Da kann ich sagen, dass unsere AU-Tage unter dem Branchendurchschnitt liegen. Und das Ziel, das wir uns vor einigen Jahren selbst gesetzt hatten, den Krankenstand zu reduzieren, haben wir übertroffen.
Der Erfolg spiegelt sich sicherlich auch in den Werten wider, die wir alle 2 Jahre bei den Befragungen unserer Mitarbeiter für den Great Place to Work-Wettbewerb erhalten. Hier verzeichnen wir extreme Zuwächse und liegen aktuell bei 90 % Zufriedenheit.
Wie viele Auszubildende gibt es bei Reinhausen und warum investieren Sie so gezielt in deren Gesundheitsförderung?
Wir bilden Zerspanungsmechaniker ebenso aus wie Industriekaufleute oder Fremdsprachenkorrespondenten. Zurzeit sind es ca. 120 Auszubildende u. a. in der Fertigung und im Büro. Hinzu kommen noch einige Dualstudenten, die ebenfalls von unseren Maßnahmen profitieren.
Unser Motto lautet: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Deshalb haben wir ein 3-Säulen-Programm entwickelt, das über 3 Jahre läuft. So bekommt jeder Auszubildende jedes Schwerpunktthema auf jeden Fall einmal in seiner Ausbildung mit. Die drei Themenbereiche sind Rücken und Ergonomie, bewusste Ernährung sowie Stressbewältigung und Prävention.
Können Sie mir dazu Beispiele nennen?
Ja, gerne. Im Ernährungsjahr machen wir u. a. einen Kochkurs mit den Auszubildenden. Dort lernen sie von unserem Koch, dass sich gutes und gesundes Essen leicht schnell selbst zubereiten lässt und so eine Alternative zu Fast Food sein kann.
Steht der Rücken im Mittelpunkt, wird der zunächst vermessen, damit jeder weiß, ob alles fit ist oder wo es Schwachstellen gibt. Dann lernen die Auszubildenden Übungen kennen, die sie am Arbeitsplatz ohne Matte und Sportkleidung durchführen können.
Ist es nicht schwierig, junge Menschen für Gesundheit und Prävention zu begeistern?
Überhaupt nicht. Wir machen das jetzt schon im 2. Jahr, immer über mehrere Tage verteilt am Anfang des Ausbildungsjahres. Neben Informationsvorträgen gibt es auch praktische Teile. Das ist ganz wichtig und macht allen Spaß.
Sehr gut kommt bei den Auszubildenden z. B. das Thema Haut, Hautschutz und -pflege an. Neben Informationen und Beratung erhalten die Teilnehmenden Produktproben speziell für ihre jeweiligen Bedürfnisse.
Sie haben einen betriebseigenen Suchthelfer und einen Suchtarbeitskreis. Was war die Motivation dieses tabubehaftete Thema so in den Fokus zu rücken?
Beim Thema Sucht weisen wir durchschnittliche Zahlen auf, die mit denen der Gesamtbevölkerung vergleichbar sind bzw. sogar etwas darunter liegen. Doch jeder Suchtkranke ist einer zu viel. Deshalb haben wir einen Suchthelfer im Unternehmen installiert. Dabei war es uns wichtig, dass dieser selbst ein ehemaliger Betroffener – in diesem Falle ein trockener Alkoholiker – ist. Dadurch ist die Hemmschwelle niedriger, ihn anzusprechen. Er hat eine eigene Telefonnummer und E-Mail-Adresse und die Möglichkeit, bei Bedarf Gespräche mit Betroffenen so zu führen, dass es die anderen Kollegen nicht mitbekommen.
Damit jeder im Betrieb unseren Suchthelfer kennt, hat er bei unserem Gesundheitstag einen Stand zum Thema Sucht. Dort ist er selbst präsent, informiert auf spielerische Art und man kann ungezwungen mit ihm ins Gespräch kommen. Das erleichtert die Kontaktaufnahme, wenn es einmal nötig wird, ein Einzelgespräch mit ihm zu führen.
Des Weiteren ist ein Grund dafür , dass wir uns mit diesem Thema intensiv beschäftigen, unsere Nähe zur tschechischen Grenze. Die Region hat daher ein Problem mit Crystal Meth. Zu unseren Azubis kommt jährlich ein Polizeibeamter, der in einem Vortrag sehr anschaulich und abschreckend auf die Gefahren zum Beispiel von „Crystal Meth“ hinweist.“
Was sind Ihre nächsten Ziele in Sachen betriebliche Gesundheitsförderung?
Ein ganz großes Ziel ist es, uns digital besser aufzustellen. Wir wollen unsere betriebliche Gesundheitsförderung in Richtung 4.0 bringen. Vor allem für die jungen Leute ist das wichtig. Deshalb sind wir aktuell mit entsprechenden Anbietern im Gespräch.
Aber auch die Kooperation mit Fitnessstudios wollen wir weiter ausbauen. Momentan können unsere Mitarbeiter in einem Studio hier in Regensburg in Betriebsnähe zu verbilligten Preisen trainieren. Weitere Anbieter in Regensburg, aber auch an unseren Standorten Erfurt und Berlin sollen hinzukommen. Das Training im Fitnessstudio kommt super an, auch bei den Älteren. Das hatten wir so nicht erwartet.
Aktuell bieten wir auch Massage am Arbeitsplatz an und eine Psychologin hält einmal die Woche Sprechstunde bei uns im Betrieb. Gerne würden wir direkt in der Firma Rückenschule, Yoga oder progressive Muskelentspannung anbieten. Doch dafür sind die räumlichen Verhältnisse zurzeit zu eng. In 4 Jahren wird es ein neues großes Werk mit ausreichend Platz geben. Mal sehen, welche Übergangslösung uns bis dahin noch einfällt ...
Das Interview führte Bettina Brucker, M. A., Freie Journalistin und Autorin.
Die Maschinenfabrik Reinhausen GmbH ist in der Energietechnik tätig und hat ihren Sitz in Regensburg. Das traditionsreiche Unternehmen hat 3.350 Mitarbeiter, wovon 120 Azubis sind. Der Umsatz lag 2016 bei 750 Mio. EUR. (www.reinhausen.com)
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