Der Fall
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das sich insbesondere mit Firmen- und Event-Catering befasst. Die Klägerin ist bei ihr seit dem 01.09.2018 beschäftigt. Die Klägerin war schwanger. Am 12.12.2019 erging ein ärztliches Beschäftigungsverbot.
Die Beklagte war vom Lock-Down auf Grund der Coronakrise in der Weise betroffen, dass durch das Verbot von Zusammenkünften und Veranstaltungen, bei denen in der Regel Speisen verzehrt werden, sämtliche Aufträge für die Beklagte entfielen. Alle Mitarbeiter mit Ausnahme der Klägerin wurden von der Beklagten um ihre Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit gebeten. Sämtliche Mitarbeiter mit Ausnahme der Klägerin stimmten der Kurzarbeit zu.
Mit Bescheid vom 20.03.2020 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld mit Wirkung vom 01.03.2020 an. Für die Monate März und April 2020 kürzte die Beklagte die Vergütung der Klägerin auf die Höhe des den anderen Mitarbeitern gewährten Kurzarbeitergeldes. In der Kommunikation mit der Klägerin verwies die Beklagte darauf, dass nach Auskunft der Krankenkasse das Beschäftigungsverbot nicht mehr maßgeblich sei und die Klägerin mit den anderen Mitarbeitern gleichbehandelt werden müsse. Die Klägerin teilte mit, dass sie kein Einverständnis zur Kurzarbeit gebe. Die Beklagte zahlte die fehlenden Gehaltsbestandteile nach und vergütete die Klägerin in vertraglich vereinbarter Höhe.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, ihr stehe unabhängig von der Frage, ob sie im Betrieb beschäftigt werden könne, Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG zu. Sowohl der kurzfristige Verzug mit der Lohnzahlung, als auch die Tatsache, dass sie nicht gemeinsam mit den anderen Mitarbeitern, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt um ihre Zustimmung zur Kurzarbeit gebeten worden sei, stelle eine Diskriminierung i.S.d. § 2 AGG i.V.m. § 15 AGG dar. Hieraus folge ihr Entschädigungsanspruch. Die Beklagte behauptet, nach der Anfrage bei der Krankenkasse habe sie lediglich übersehen, dass die Zustimmung der Klägerin zur Kurzarbeit noch nicht vorliege.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, der kurzzeitige Zahlungsverzug habe darauf beruht, dass die Beklagte übersehen habe, dass die Zustimmung der Klägerin zur Kurzarbeit nicht vorliege. Die Schwangerschaft sei deshalb nicht kausal für die Ungleichbehandlung.
LAG Köln: Kein Anspruch auf Mutterschutzlohn
Der Klägerin stand - so das LAG (Urteil vom 29.3.2021, Az. 2 Sa 1230/20) - nach dem Entfall sämtlicher Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb der Beklagten durch die Coronakrise kein Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG mehr zu. Die Tatsache, dass die Beklagte das Beschäftigungsverbot ab März 2020 für die Berechnung des Vergütungsanspruchs außer Acht gelassen hat, war damit nicht benachteiligend.
Das ärztliche Beschäftigungsverbot nach § 16 MuSchG wird dann wirkungslos, wenn eine Beschäftigung aus anderen Gründen als einer durch die Weiterbeschäftigung drohenden Gefahr für Mutter und/oder Kind ohnehin nicht mehr möglich ist. So hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Gefährdung für die Gesundheit der Mutter oder ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung der einzige Grund sein darf, weshalb mit der Arbeit ausgesetzt werden muss (z.B. BAG, NZA 2002, 738).
Die Rechtsansicht der Klägerin, dass sich aus § 21 MuSchG ergebe, dass Kurzarbeit ein Beschäftigungsverbot nicht verdränge, ist unzutreffend.
Eine benachteiligende Behandlung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft oder wegen ihres Geschlechts liegt auch nicht in der partiellen verkürzten Vergütungszahlung, welche nach Klärung der Rechtslage nachgezahlt wurde. Zunächst wurde die Klägerin nicht schlechter behandelt als alle anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, weil die Beklagte lediglich davon ausgegangen ist, der Klägerin stehe ebenfalls nur Vergütung in Höhe des Kurzarbeitergeldes zu.
Ein Nachteil gegenüber den anderen Mitarbeitern ist damit nicht verbunden gewesen, sodass es unabhängig vom Geschlecht bereits an einer benachteiligenden Handlung fehlt. Die Klägerin wurde so behandelt, als habe sie die Zustimmung zur Kurzarbeit erteilt. Ein mit dem Geschlecht zusammenhängendes Differenzierungskriterium ist nicht erkennbar. Auch die Tatsache, dass die Klägerin erst verspätet um ihre Zustimmung zur Kurzarbeit gebeten wurde, stellt keine benachteiligende Handlung dar. Denn hierdurch blieb der Klägerin ihr folgt voller Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug uneingeschränkt erhalten. Die verspätete Anfrage ist damit nicht nachteilig i.S.d. AGG.
Wichtig für die betriebliche Praxis: Im Beschäftigungsverbot befindliche Mitarbeiterinnen nicht „vergessen“
Die sog. „Kurzarbeit 0“ während der Corona-Pandemie scheint - wie die Pandemie selbst - langsam überwunden zu sein. Ob diese optimistische Einschätzung trügt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Trotzdem werden Fälle wie diese noch abzuarbeiten sein.
Unabhängig davon macht die Entscheidung aber deutlich, dass - soll dieses Mittel eingesetzt werden - alle Beschäftigten um Zustimmung zur Kurzarbeit gebeten werden müssen, auch die, die im Beschäftigungsverbot sind, weil dieses in diesem Fall nur suspendiert ist.
Die Entscheidung hat aber auch eine weitergehende Bedeutung: Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BAG macht das LAG deutlich, dass das Beschäftigungsverbot immer dann endet, wenn der Arbeitgeber keine Beschäftigung mehr anbieten kann, z.B. wenn das Betriebsgebäude abbrennt oder auf Grund einer behördlich verfügten Betriebsschließung wegen Hygieneproblemen für alle Mitarbeiter eine Beschäftigung entfällt. In diesen Fällen sei der besondere Mutterschutz nicht mehr erforderlich, da eine Gefahr für die Schwangerschaft von vorneherein ausgeschlossen ist.