Organisationen sind Herden von Gewohnheitstieren
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ebenso sind Organisationen jeglicher Art von Gewohnheit geprägt, da es schlicht angenehm und gewissermaßen risikoärmer scheint in den altbewährten Prozessen und Strukturen zu verbleiben. Nur wenige Firmen und Branchen schaffen es, eine grundlegend innovative und offene Einstellung gegenüber Veränderungen zu katalysieren, den Reiz auf das Neue und Unbekannte zu fördern. Michael Timmermann, Gründer und Managing Partner von Timmermann Partners, einer auf Change Management spezialisierten Unternehmensberatung, erläuterte in seinem Vortrag „Wie Sie Change Management nutzen, um Process Excellence wirklich zu leben“, wie Organisationen durch die richtige Kultur und ein inspirierendes und stimmiges Leitbild den Veränderungsprozess wirklich leben können.
Operative Starrheit lähmt Flexibilität in ungewohnten Situationen
Gerade weil Veränderungen schwierig und entlang ihrer Entwicklung mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert werden, neigen Organisationen und Menschen im Generellen dazu, Veränderungen zu vermeiden. Stattdessen werden Konformität und das stringente Befolgen von Standardabfolgen von Prozessschritten gefördert, um so das Fehlerrisiko größtmöglich zu minimieren. Solch eine Starrheit im Prozessdenken wird jedoch dann zum Problem, wenn quasi sklavisch an diesem in jeder Situation festgehalten wird. Als Resultat wird Mitarbeitern langfristig die Anpassungsfähigkeit fehlen, in ungewohnten Situationen eigenständig zu agieren und individuelle Entscheidungen zu treffen, da dies potenzielle Fehler produzieren könnte und im Gegensatz zu bewährten Strukturen steht. Für grundlegende Veränderungen innerhalb einer Organisation sowie für das Entwickeln innovativer Konzepte ist jedoch genau dies entscheidend, beides erfordert das Durchbrechen bestehender Strukturen.
Bayern München mit vorbildlicher Unternehmenskultur
Am Beispiel des FC Bayern München zeigte Herr Timmermann auf, wie Erfolg durch stetige Veränderungen und exzellente Prozesse vor allem durch eine gelebte Unternehmenskultur gefördert wird. Diese Kultur ist geprägt von den Prinzipien der Erneuerung und des Kollektivismus. Erneuerung steht in diesem Zusammenhang im Kontrast zur Einstellung der Risikovermeidung, welche besonderen Wert auf Stabilität und Bedachtheit legt. Die Einstellung der Erneuerung hingegen assoziiert sich besonders mit Aspekten wie:
- dem flexiblen Einführen neuer Prozesse,
- einer Just-do-It Mentalität,
- dem Ergründen von Chancen anstatt möglicher Probleme bei Änderungen von Prozessverhalten,
- dem Mut „gute Fehler“ zu machen und zu tolerieren (3 Kriterien für gute Fehler: Sie geschehen frühzeitig, das erste Mal und es wird etwas Wichtiges daraus gelernt.),
- einer grundlegenden Offenheit für Veränderungen und Innovationen und
- der Förderung konstruktiven Konfliktverhaltens, um Fortschritt voranzutreiben.
Kollektivismus steht im Gegensatz zum individualistischen Denkansatz, der übermäßig klare Strukturen, Zuständigkeiten und Regeln bevorzugt. Das Denken im Kollektiv zeichnet sich vielmehr durch das Aufbrechen des sogenannten Silodenkens aus und stellt sich dar durch:
- ein internes Vernetzen von Aufgaben zum Einreißen übertriebener Abteilungsgrenzen,
- eine Fokussierung auf ein gemeinsames Erfüllen von Kundenbedürfnissen und
- die Förderung einer konstruktiven Feedbackkultur und eines gemeinsamen Wir-Gefühls.
Zur Schaffung einer solchen Veränderungskultur ist es erforderlich, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens ein Verständnis dafür entwickeln,
- wieso etwas um sie herum geschieht und
- was es für eine Auswirkung auf sie persönlich haben wird.
Ebenso ist es wichtig, dass einzelne Personen durch geeignete interne Strukturen unterstützt werden und die Chance haben, die notwendigen Fähigkeiten für das sich verändernde Umfeld zu entwickeln. Im Verlauf von Change Projekten und den einhergehenden Herausforderungen, sollten Mitarbeiter daher durch zahlreiche Workshops und Events unterstützt werden, was auch zum Entstehen einer nachhaltigen Veränderungskultur beitragen kann. Letztendlich entscheidend ist jedoch oft, in welcher Art Führungskräfte Veränderungen begegnen, diese vorleben und mit ihrer persönlichen Motivation tragen. Vorbildwirkung besteht hier darin „Vorbild im Lernen“ zu sein, nicht nur dadurch in der – meist verzerrten – Selbstwahrnehmung das Zielverhalten zu zeigen.
Mit den „4 I“ vom Manager zum Change Leader
Auf die Frage, was einen wahren Change Leader ausmacht, waren sich die Teilnehmer der Fachkonferenz Process Excellence weitestgehend einig. Sie oder er muss für das Thema oder Projekt „brennen“, muss es aktiv und ehrlich vorleben, eine klare Vision entlang des Wegs vermitteln und die Sensitivität besitzen, die Wünsche und Ängste ihrer/seiner Mitarbeiter wahrzunehmen und in die Planung einzubeziehen.
Manager, die ihre Mitarbeiter mit einem hohen Aktivitätsgrad durch einen transformationalen Führungsstil leiten, können es langfristig schaffen, diese auf intrinsische Art und Weise zu motivieren, um so eine wirksame Change-Kultur im Unternehmen zu schaffen. Um diesen transformationalen Effekt zu erlangen und so vom Manager zu einem wahren Change Leader zu wachsen, sollten Führungskräfte die „4 I“ beachten
- Inspirierende Motivation: Der Manager zeigt Mitarbeitern ihren Nutzen und Beitrag für einen Veränderungsprozess und motiviert sie intrinsisch durch das Vermitteln einer packenden Vision.
- Intellektuelle Stimulation: Die Führungskraft regt Mitarbeiter an, ihre geistigen Fähigkeiten auszunutzen, um so bestehende Prozesse, Denklogiken oder Strukturen kritisch zu hinterfragen.
- Individuelle Zuwendung: Der Manager betrachtet die Mitarbeiter im Einzelnen, um so individuelle Stärken und Schwächen zu erkennen, zu fördern und optimal zu nutzen.
- Idealisierte Vorbildwirkung: Die Führungskraft handelt als wahres Vorbild an dem sich Mitarbeiter orientieren und agiert daher in authentischer und integrer Art und Weise.