Neue Grenzwerte für Größenklassenzuordnung


Neue Grenzwerte für Größenklassenzuordnung

Ein wichtiger Eckpunkt des BilRUG ist die Änderung der maximal zulässigen Grenzwerte für die Größenklassenzuordnung. Davon sind Einzel- und Konzernabschlüsse betroffen. Der deutsche Gesetzgeber hat rückwirkend die Maximalwerte der EU-Richtlinie ins HGB übernommen. Allerdings werden die zugrunde liegenden Größen Bilanzsumme und insbesondere Umsatzerlöse neu definiert.

Für den Einzelabschluss erfolgt eine Anhebung der maximal zulässigen Grenzwerte für die Größenklassenzuordnung von Kapitalgesellschaften und denen gleichgestellte Personengesellschaften nach § 264a HGB (Art. 3 Abs. 1-3 EU-Bilanzrichtlinie). Dabei gibt der Gesetzgeber das Mitgliedstaatenwahlrecht zugunsten der in der Richtlinie erlaubten Obergrenzen komplett weiter, um möglichst viele Unternehmen entlasten zu können. Konkret werden in der Gesetzesbegründung Einsparungen von 120 Mio. EUR jährlich durch diese Maßnahme veranschlagt.

"BilRUG in der Praxis" liefert Tipps, wie Sie mit den neuen Grenzwerten für die Größenklassenzuordnung im Alltag verfahren können.

 

Größenklasse

 

Kleinst

Klein

Mittel

Groß

Bilanzsumme in Mio. €

≤ 0,35

(0,35 – 4,84)

0,35 – 6

(4,84 – 19,25)

6 – 20

(> 19,25)

> 20

Umsatz           in Mio. €

≤ 0,7

(0,7 – 9,68)

0,7 – 12

(9,68 – 38,5)

12 – 40

(> 38,5)

> 40

Mitarbeiter

≤ 10

> 10 -≤ 50

≤ 250

> 250

Die Klammerwerte stellen die aktuell in § 267 HGB bestimmten Schwellenwerte dar

Tab. 1: Größenklassen auf Einzelabschlussebene

Auffällig ist, dass die Werte für die erst kürzlich eingeführten Kleinstkapitalgesellschaften konstant bleiben und auch die Abgrenzungen von mittelgroßen zu großen Kapitalgesellschaften nur um knapp 4 % erhöht werden, was nicht einmal einem Inflationsausgleich der zuletzt für die Geschäftsjahre 2008 angepassten Werte entspricht. Dagegen werden die Abgrenzungen von klein zu mittelgroß um ca. 24% angepasst, was somit als echte Erleichterung angesehen werden kann.
Zudem wird einerseits klargestellt, dass im Falle des Formwechsels die Erleichterung der Überschreitung der Schwellenwerte an zwei aufeinander folgenden Stichtagen keine Anwendung findet, sofern der formwechselnde Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personenhandelsgesellschaft im Sinne des § 264a Absatz 1 ist. Diese Regelung muss jedoch aufgrund einer entsprechenden Formulierung im Artikel des EGHGB nicht vor dem Geschäftsjahr 2016 beachtet werden, solange nicht auch die übrigen Änderungen in den §§ 267, 267a, 277 Abs. 1 sowie 293 HGB nF angewandt werden sollen. Andererseits wird klargestellt, dass künftig für die Bestimmung der Bilanzsumme ein auf der Aktivseite auszuweisender Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) nicht relevant ist (§ 267 Abs. 4a HGB nF). Im Referentenentwurf wurde hier noch die Position D des § 266 Abs. 2 HGB (Latente Steuern) ausgeschossen, was sinnvoll wäre, da in § 274 HGB ein Ansatzwahlrecht eingeräumt wird, dessen Ausübung nun Einfluss auf die Unternehmensgrößenklasse hat.

BilRUG - Änderung der Schwellenwerte bei Konzernen

Die maximal zulässigen Schwellenwertgrenzen für eine Konzernrechnungslegungspflicht werden – verbunden mit zwei Mitgliedstaatenwahlrechten – um 3,9 % angehoben (Art. 23 Abs. 1, 2 EU-Bilanzrichtlinie i. V. m. Art. 3 Abs. 4-6 EU-Bilanzrichtlinie). Nach dem BilRUG ergeben sich auf Ebene der Konzernabschlüsse die folgenden Grenzwerte für die größenabhängige Befreiung:

Bruttomethode

Nettomethode

Bilanzsumme in Mio. €

(> 23,1)

> 24

(> 19,25)

> 20

Umsatz           in Mio. €

(> 46,2)

> 48

(> 38,5)

> 40

Mitarbeiter

> 250

> 250

Die Klammerwerte stellen die aktuell in § 293 HGB bestimmten Schwellenwerte dar

Tab. 2: Größenabhängige Befreiung von der Konzernabschlusserstellungspflicht

Auf die Klarstellungen in § 267 HGB nF bei der Berechnung der Bilanzsumme und den Fall von Formwandel wird verwiesen.

Neudefinition der Umsatzerlöse

Während die Klarstellungen im Rahmen der Bestimmung der Bilanzsumme kaum Auswirkungen in der Praxis haben dürfte, stellt die Änderung der Definition von Umsatzerlösen eine erhebliche Herausforderung dar. Nach dem BilRUG lautet der § 277 Abs. 1 HGB nF nun:

„Als Umsatzerlöse sind die Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern auszuweisen.“

Somit kommt es zu einer Streichung der bisherigen Hinweise auf die "Normalität" der Geschäftstätigkeit und auf das "Typische" der erbrachten Leistung als konkretisierendes Merkmale des Umsatzbegriffs. Hintergrund ist, dass in der umzusetzenden Bilanzrichtlinie 2013/34/EU die Nettoumsätze entsprechend definiert werden (Art. 2 Nr. 5). Da in Art. 28 der Vierten Richtlinie noch von Erlösen

„aus dem Verkauf von für die normale Geschäftstätigkeit der Gesellschaft typischen Erzeugnissen und der Erbringung von für die Tätigkeit der Gesellschaft typischen Dienstleistungen"

gesprochen wurde, sah der Gesetzgeber hier einen Änderungsbedarf, der jedoch wenig konsistent umgesetzt erscheint.
Zunächst ergibt sich ein Widerspruch zur kaufmännischen GuV nach GoB. § 277 HGB ist nur von Kapitalgesellschaften, denen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften nach § 264a HGB sowie Gesellschaften nach § 5 PublG zu beachten. Es erscheint problematisch, dass es zu einer Änderung der allgemeinen GoB zum Umsatzausweis kommt, nur weil spezielle Regelungen  für Kapitalgesellschaften verändert wurden.

BilRUG: keine Änderung der Umsatzdefinition

Gleichwohl sollte es zukünftig keine unterschiedlichen Umsatzdefinitionen für von § 277 HGB betroffenen und nicht betroffenen Unternehmen geben.
Inhaltlich bedeutet die vorgeschlagene Neuregelung eine Aufhebung der Abgrenzung zu den sonstigen betrieblichen Erträgen. Konkret würden neben den betriebszweckbedingten Erlösen etwa auch Erlöse aus der Kantine und aus nicht betrieblichen Mieterträgen unter den Umsatzerlösen verbucht werden müssen. Zudem fließen zukünftig außerordentliche Erträge nicht nur in den Posten "sonstige betriebliche Erträge", sondern auch in die Umsatzerlöse ein, da der Ausweis von außerordentlichen Posten in der GuV – allerdings erst ab dem Geschäftsjahr 2016 – nicht mehr vorgesehen ist (§ 275 HGB nF). Dies verzerrt sämtliche Umsatz-Kennzahlen und schränkt überbetriebliche Vergleiche erheblich ein – mit allen Folgewirkungen auch für Abschlussanalyse, Rating, Kostenrechnung und Unternehmenssteuerung.

Abgrenzungeherausforderungen bei Produkten und Dienstleistungen

Eine neue Abgrenzungsherausforderung besteht darin, wie weit die Produkte und Dienstleistungen zu verstehen sind. In der beschlussfassung des Rechtsausschusses des Bundestags wird zumindest klargestellt, dass umsatzrelevante Produkte immer einen Bezug zum Umlaufvermögen haben müssen. Damit sind Erträge aus dem Abgang von Anlagevermögen weiterhin nicht als Umsatz auszuweisen.
Schließlich stellt sich die Frage nach dem analogen Aufwandsausweis. Wenn in den Umsätzen auch "sonstige Erträge" enthalten sind, dann müssen auch die Herstellungskosten des Umsatzes die entsprechenden zugeordneten Aufwendungen enthalten. Im konkreten Beispiel müssten die Aufwendungen der Kantine oder der Vermietungsobjekte auch in den Herstellungskosten ausgewiesen werden. Dies schränkt jedoch die Aussage des für Unternehmenssteuerung und –einschätzung wichtigen Bruttoergebnisses vom Umsatz erheblich ein. Zudem passen die Herstellungskosten des Umsatzes selbst bei einer Bewertung zu produktionsbezogenen Vollkosten ggf. nicht mehr zu den Bestandsveränderungen.

In die Richtung sinkender Umsätze zielt dagegen der explizite Ausschluss aller mit dem Umsatz verbundener Steuern aus den Umsatzerlösen. Daher haben Unternehmen, die etwa Zucker-, Schaumwein-, Brandweinsteuer usw. abzuführen haben, zukünftig tendenziell geringere Umsatzerlöse.

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