OECD nimmt Stellung zu möglichen Auswirkungen der Corona-Krise auf Verrechnungspreisgestaltung
Die COVID-19 Pandemie hat auch für multinationale Unternehmen stark unterschiedliche, teilweise gravierende Auswirkungen. Vor diesem Hintergrund sehen sich Steuerpflichtige neuen Herausforderungen bei der Analyse und Dokumentation von Verrechnungspreisen ausgesetzt. Aus diesem Grund hat die OECD am 18. Dezember 2020 ein Positionspapier zur Verfügung gestellt, welches die möglichen Auswirkungen der Krise auf die Verrechnungspreispraktiken verdeutlicht. Das Papier soll den Eindruck vermitteln, dass die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2017 auch in der aktuellen Zeit als ein flexibles Regelwerk – sozusagen krisenfest – angewendet werden können. Vier Themenbereiche stehen im Fokus der Veröffentlichung:
- Vergleichbarkeitsanalyse,
- die Zuweisung von Verlusten und von außergewöhnlichen COVID-19-spezifischen Kosten,
- staatliche Hilfsprogramme und
- Vorabverständigungsverfahren.
Vergleichbarkeitsanalyse für Transfer Pricing
Aufgrund der möglichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf multinationale Unternehmensgruppen empfiehlt die OECD, eine zeitnahe und sektorenspezifische Dokumentation von krisenbedingten Auswirkungen durchzuführen. Dabei stellen Kennzahlen, z.B.
- die Entwicklung der Umsatzzahlen,
- Art und Höhe der außergewöhnlichen Kosten,
- makroökonomische Daten,
- prognostizierte Finanzzahlen oder
- die Kapazitätsauslastung,
wichtige Informationsquellen dar. Da die Pandemie auch die Preisgestaltung einiger Transaktionen mit Dritten erheblich beeinflussen kann, reduziert sich die Verlässlichkeit historischer Daten, die in Vergleichbarkeitsanalysen verwendet werden. Eine Vergleichbarkeitsanalyse muss die Transaktion mit verbundenen Parteien spezifisch abgrenzen, einschließlich der tatsächlichen und aktuellen wirtschaftlichen Umstände. Starke Bedenken werden insbesondere bei einer Analyse, die nur auf Daten der globalen Finanzkrise 2008/2009 basiert, geäußert.
Daneben werden in dem Positionspapier Länder wie beispielsweise Deutschland, die eine starke Präferenz für den „price setting“-Ansatz haben, aufgefordert, zur Angemessenheitsanalyse von krisenbedingten Margen auch erst im Nachhinein veröffentlichte Informationen zuzulassen sowie das sog. „outcome testing“ zu akzeptieren. Des Weiteren empfiehlt die OECD, für die Verwendung von internen Vergleichsdaten das Verhalten Dritter zu dokumentieren und zusätzlich mehrere Verrechnungspreismethoden zu Verprobungszwecken zu verwenden. Hierbei wird dem Steuerpflichtigen nahegelegt, sich an Vergleichsunternehmen derselben Jurisdiktion zu orientieren. Damit sollen Verzerrungen, die durch die verschiedenen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen entstehen, reduziert werden.
Verlustverteilung und die Zuweisung von COVID-19 spezifischen Kosten
Krisenbedingt ist die Verlustverteilung ein zentrales Thema für multinationale Unternehmen. Umsatzeinbrüche durch eine sinkende Nachfrage oder unterbrochene Lieferketten und Pandemie-bedingte außergewöhnliche Kosten können beispielsweise beobachtet werden. Im Zuge der COVID-19 Krise und unter Zuordnung bestimmter vertraglicher Risiken können nach Aussage der OECD selbst Routineunternehmen („limited risk“) unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise einen kurzfristigen Verlust verzeichnen. Dazu sollten die wirtschaftlichen Gründe vor und nach dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie, die zu einer Änderung des übernommenen Risikos führen, sorgfältig überprüft werden.
Die OECD hat erkannt, dass durch die Pandemie entstandene außergewöhnliche Kosten, bei denen die Möglichkeit der Weitergabe der Kosten an den Kunden nicht besteht, von der Kostenbasis ausgeschlossen werden könnten. Zu diesen außergewöhnlichen Kosten zählen z.B.
- Ausgaben für Masken,
- Investitionen in Home-Office Lösungen oder
- Umbaukosten zur Einhaltung von Abstands- und Hygienekonzepten.
Darüber hinaus können verbundene Parteien die Anwendung vereinbarter Klauseln über höhere Gewalt („force majeure“) erwägen. Hierfür gibt die OECD die Empfehlung ab, eine in dem Positionspapier dargestellte Prüfreihenfolge einzuhalten.
Staatliche Hilfsprogramme
Viele Regierungen haben im Rahmen der COVID-19 Pandemie durch eine Vielzahl von Programmen sowie breiten Finanz- und Liquiditätshilfen Unterstützung geleistet. Hierbei ist nach den Aussagen der OECD neben der Dauer der Maßnahmen vor allem auch entscheidend, welche Unternehmen Unterstützung erhalten und ob diese Maßnahmen Auswirkungen auf die Preissetzung haben. Außerdem appelliert die OECD an die Unternehmen, eine sorgfältige Prüfung von staatlichen Maßnahmen vor allem im Zusammenhang mit einer möglichen Kostenreduktion, möglichen Umsatzsteigerungen oder einer Qualifizierung als außerordentliche Einnahme durchzuführen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Verrechnungspreismethoden zu werfen, die diese massiven staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zu berücksichtigen haben.
Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreements, APA)
Einige Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, bestehende APAs unter den aktuellen Bedingungen anzuwenden, sollen die vereinbarten APAs sowohl von den Steuerbehörden als auch von den Unternehmen weiterhin eingehalten werden. Krisenbedingte Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Erfüllung der APA-Bedingungen auf der Seite der Unternehmen sollen frühzeitig an die betroffenen Steuerbehörden gemeldet werden, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Demnach ist es wichtig, dass bestehende APAs weiterhin respektiert werden, ansonsten droht eine vorzeitige Beendigung oder Aufhebung. Dies sollte von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der Umstände des Unternehmens, des wirtschaftlichen Umfelds und der Dauer analysiert werden. Im Falle des Nichteinhaltens der APA-Gültigkeitsbedingungen sollte der Steuerpflichtige die Gründe dafür genau dokumentieren. Unternehmen und Steuerbehörden wird demnach empfohlen, einen flexiblen und kooperativen Ansatz zu verfolgen. Diese Aussagen gelten ebenfalls uneingeschränkt für APAs, die sich zum aktuellen Zeitpunkt noch in Verhandlung befinden bzw. noch nicht abgeschlossen wurden.
Ein Leitfaden für die Krise
In der Summe stellt das Positionspapier einen Leitfaden für die Verrechnungspreisanalyse in der COVID-19 Krise dar. Für den deutschen Steuerzahler weißt es sowohl positive (z.B. die Empfehlung an Deutschland, auch das „outcome testing“ zuzulassen) als auch negative Aspekte (die weitreichenden Dokumentationsanforderungen) auf. Allerdings sind in dem Leitfaden bis auf wenige Ausnahmen kaum konkrete und auch kaum neue Aussagen enthalten.
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