Vor allem in großen, komplexen Unternehmensstrukturen sind viele Prozesse noch nicht standardisiert. Das Zusammenspiel verschiedener Bereiche ist jedoch von großer wirtschaftlicher Bedeutung. So haben beispielsweise Prozesse im Einkauf unmittelbare Auswirkungen auf das Working Capital Management. Umso wichtiger ist es, dass die Finanz- und Einkaufsprozesse zusammenwachsen.
Einkaufs- und Bezahlprozess bei Freshfields
Bei der Wirtschaftskanzlei Freshfields war der Einkaufs- und Bezahlprozess bereits aufgrund seiner großen Volumina eine herausfordernde Aufgabe. Hinzu kam in der Vergangenheit ein überholtes Rechnungs-Workflowsystem. Dieses System war bis 2015 zwar mit anderen Einheiten und Ländern verknüpft, ermöglichte jedoch keine harmonisierte und moderne Prozessabwicklung. Hierdurch entstanden zahlreiche Herausforderungen, wie z.B.
- unkontrollierte Ausgaben und
- aufwendige manuelle Prozessanpassungen.
Einheitliches Prozessverständnis musste entwickelt werden
Im Prozess selbst mangelte es daher an der Transparenz über
- Bestellungen,
- Rechnungen und
- anstehende Zahlungen.
Eine weitere Herausforderung lag darin, dass in den Bereichen "Finanzen" und "Einkauf" unterschiedliche Kennzahlen für die Prozesskontrolle und -steuerung zum Einsatz kamen. Ein einheitliches Prozessverständnis war noch nicht vorhanden.
Gemeinsam mit dem Softwareanbieter Basware hat Freshfields daher 2015 ein Projekt initiiert und umgesetzt, um die Herausforderungen durch eine moderne und globale Lösung zu bewältigen. Berenice Koch, Business Analysis Manager bei Freshfields und Projektleiterin auf der Kundenseite, und Dr. Jörg Schramm, Vice President Purchase-to-Pay Kontinentaleuropa bei Basware und Projektleiter auf der Anbieterseite berichteten im Rahmen der Finance Fachkonferenz über das entstandene Projekt: "Digitalisierung des Source-to-Pay-Prozesses bei Freshfields Bruckhaus Deringer".
Ziele eines neuen Source-to-Pay-Prozesses
Freshfields verfolgte mit der Neumodellierung des "Source-to-Pay"-Prozesses und der Unterstützung durch Basware mehrere Ziele. Zunächst sollten Synergien durch vollständige und klassifizierte elektronische Daten über den gesamten P2P-Prozess gehoben werden. Zu diesen Synergien zählten nachhaltige Kosteneinsparungen in den Prozessen, aber auch die Optimierungen der Prozesse und Lieferantenbasis durch die neu gewonnene Transparenz. Eine erneuerte, detaillierte Compliance und ein optimiertes Lieferantenmanagement sollten die Realisierung der verhandelten Einsparungen auch langfristig sichern. Zu guter Letzt verfolgte Freshfields das Ziel einer möglichst hohen Automatisierung in den „Source-to-Pay“-Prozessen, um zusätzliche Effizienzsteigerungen zu erreichen. Durch die kürzeren Durchlaufzeiten der Rechnungen sollten Steigerungen bei der Skontorealisierung ermöglicht werden.
Vier Handlungsfelder für einen modernen "Source-to-Pay"-Zyklus
Um die gesteckten Ziele zu erreichen, war der „Source-to-Pay“-Prozess nach Basware-„state-of-the-art“ soweit wie möglich zu digitalisieren und die einzelnen Prozessschritte elektronisch zu integrieren. Dabei ließen sich vier wesentliche Handlungsfelder für einen modernen „Source-to-Pay“-Zyklus identifizieren:
- Einkaufs- und Prozessanalyse
- Veränderung des Einkaufs(-verhaltens)
- Prozessautomatisierung
- Working Capital Optimierung
Die umfassende und detaillierte Analyse des Einkaufs durch ein modernes Beschaffungssystem bildete die Grundlage für die zukünftige Beschaffung und die zugrundeliegenden Folgeprozesse bei Freshfields. Mithilfe der Basware-Lösungen bot sich für die Kanzlei die Möglichkeit, sämtliche Einkaufsdaten in einem System zu führen. Dadurch wurde sowohl eine hohe Transparenz als auch eine schnelle Verfügbarkeit der Daten (z.B. für tagesaktuelle Abfragen) zu den direkten und indirekten Ausgaben, ausgewählten Verkäufern und Prozessen garantiert. Bei der Veränderung des Einkaufs(-verhaltens) wurden die Möglichkeiten für digitale Einkaufslösungen stark erweitert, was dazu führte, dass es nun vermehrt möglich ist, in digitalen Shops oder durch digitale Orders deutlich effizientere elektronische Einkaufsprozesse durchzuführen.
Working Capital wurde durch Prozessautomatisierung verbessert
Ein ganz wesentlicher, zusätzlicher Baustein in der Gestaltung des neuen „Source-to-Pay“-Prozesses lag im Bereich der Prozessautomatisierung. Durch das Projekt initiiert, wurde der Anteil digitaler Rechnungen von 5 % auf 53 % deutlich erhöht. Der darauf aufbauende, neue Workflow beinhaltete die vollständige elektronische Erfassung der Rechnungsdaten, die anschließend im System gebündelt und teilweise automatisiert weiterverarbeitet wurden. Bei den automatisierten Prozessen kam darüber hinaus auch Machine Learning zum Einsatz, um die Aufgaben weiter zu automatisieren (z.B. Kontierungsvorschlag für Rechnungen ohne Bestellbezug). Der neue Workflow führte zu einer Verkürzung der Rechnungsdurchlaufzeiten, weshalb durch das Projekt auch das Working Capital optimiert werden konnte, z.B. indem die Verbindlichkeiten schneller fakturiert wurden.
Fazit des Projektes
Die Erfolge des Projektes lassen sich sowohl quantitativ als auch qualitativ ausdrücken:
- Die Rechnungsdurchlaufzeiten sind auf unter acht Tage gesunken und der Anteil der Papierrechnungen auf 47% zurückgegangen.
- Gleichzeitig hat sich die Stabilität des Systems deutlich erhöht, das Reporting ist detaillierter und die Antwortzeiten schneller geworden.
- Außerdem ist das Workflow-Management deutlich transparenter und die Informationsdichte im Workflow gestiegen.
Warum IT-Projekte häufig scheitern
In Ihrem Vortrag gehen die beiden Referenten auch auf die Ursachen für das Scheitern von (IT-)Projekten ein. Um das Scheitern eines Projektes zu vermeiden, sollten im Vorfeld die typischen Fehler und Probleme betrachtet und deren mögliches Auftreten im Projekt evaluiert werden. Zu den häufigsten Gründen für das Scheitern von Projekten zählen:
- Fehlende Unterstützung durch das Top-Management
- Fehlende Ressourcen oder Kompetenzen
- Unklare Zielsetzung oder unrealistische Erwartungen
- Überambitionierte Zeitvorstellungen
Hinzu kommt der Faktor Mensch, dem bei der Umsetzung eines Projekts häufig zu wenig Aufmerksamkeit gezollt wird. Widerstand gegen Veränderungen äußert sich in Aussagen wie "Das haben wir schon immer so gemacht" und muss aktiv bearbeitet werden.
Abgeleitet aus Ihren Projekterfahrungen geben die Referenten Empfehlungen für die erfolgreiche Gestaltung von Projekten. Dabei fokussieren sie sich vor allem auf drei Bereiche:
- Komplexität,
- Kommunikation und
- Kooperation.
Im Zusammenhang mit der Komplexität sollte in einem Projekt darauf geachtet werden, dass die Vielfalt der Interaktionen und Wechselbeziehungen im Projektumfeld (wie z.B. Teams, Rollen, Personen, Budget) nicht zu vielschichtig und damit unübersichtlich werden. Die Referenten empfehlen, sich zunächst die Komplexität bewusst zu machen und von vornherein mit einer Eingrenzung des Projektumfanges bzw. nur mit ersten Piloten zu starten.
Im Bereich der Kommunikation gilt: „Man kann im Projekt nie genug kommunizieren“. Deshalb sind bereits im Vorfeld die relevanten Zielgruppen zu identifizieren und ein Kommunikationsfahrplan für eine regelmäßige Kommunikation zu erstellen.
Zu guter Letzt ist für ein erfolgreiches Projekt eine starke Kooperation nötig. Diese reicht vom Einbezug externer Berater über die frühzeitige Einbindung der Fachbereiche und IT-Security bis hin zum Management Buy-in. Außerdem sollte zunächst mit einem Best Practice-Ansatz gestartet werden und erst anschließend eventuell notwendig gewordene Anpassungen vorgenommen werden. Zudem sind die Service-Einheiten, die später das Produkt betreuen, von Anfang an einzubinden, um sowohl frühzeitig das Wissen als auch das Commitment zum Produkt herzustellen. Eine Lieferanten-Kampagne dient dazu die Lieferanten mit "an Bord" zu holen und die richtige Auswahl der Lieferanten für den Pilot und den Regelbetrieb zu treffen.
Zu den Unternehmen:
Freshfields Bruckhaus Deringer LLP ist eine international tätige Wirtschaftskanzlei mit Hauptsitz in London. Zu den Mandanten der Kanzlei zählen vor allem nationale und internationale Unternehmen, Finanzinstitutionen und Regierungen. Die Kanzlei beschäftigt rund 2800 Rechtsanwälte in über 75 Ländern und ist in Deutschland mit fünf Büros an den Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und München vertreten.
Basware ist ein Anbieter für Software und Dienstleistungen im Bereich „Purchase-to-Pay“ (P2P).