Wo steht die Betriebswirtschaftslehre? Bestandsaufnahme und Standortbestimmung
Anspruchsvolle Zielsetzung
„BWL nicht nur neu zu vermessen, sondern auch zukunftsfest zu machen“ – Mit dieser Forderung umriss Prof. Barbara Weißenberger Ziel und Zweck der Tagung. Ergänzend verwies sie auf ein Zitat von Niklas Luhmann: „Die Wissenschaft hat die spezifische Funktion, die Welt für die Gesellschaft offen zu halten.“ Und sie fügte hinzu: „Diese Funktion verlangt Verantwortung, der sich die Wissenschaft stellen muss – als Betriebswirtschaftslehre hier und heute.“ Damit wird deutlich – und im Verlauf der Tagung gab es vielfache Bestätigung –, dass es nicht nur um die BWL an sich gehen kann, sondern auch um die BWL mit ihren vielfältigen Einflüssen und Wirkungen auf andere Fachgebiete sowie auf Wirtschaft und Gesellschaft. Der Kongress präsentiert eine enorme Vielfalt aktueller Themen und Diskussionen in allen Bereichen der BWL und zu den unterschiedlichsten Fragestellungen.
Die BWL bewegt sich
Die BWL, wie sie auf dieser Tagung zu erfahren war, unterscheidet sich von den Darstellungen in so manchen traditionellen BWL-Lehrbüchern.
- BWL wird offener, integriert sich in die Herausforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft. Beispielhaft wird auf die Erfahrungen bei der Corona-Pandemie und insbesondere auf die Auswirkungen der Mega-Trends Nachhaltigkeit und Digitalisierung verwiesen. Es wird vielfach gefragt, welchen Beitrag die BWL zur Bewältigung der großen Herausforderungen leisten kann. Diese Aussage bringt es auf den Punkt: „Die BWL ist ein Stück der Gesellschaft“ und damit mehr als die Lehre des Betriebes.
- Die traditionelle Erfolgsmessung passt sich dem gesellschaftlichen Wandel an, wie die Diskussion zum ganzheitlichen ökonomischen Erfolgsbegriff zeigt.
- Die Sichtweise auf die BWL gerät in die Diskussion. Beispielsweise gibt es einen Ansatz, BWL unter den Aspekt „Umgang mit Knappheit“ zu definieren, eine andere Sichtweise bezieht sich darauf, die „Entscheidungsfindung“ zu definieren.
- Die BWL richtet sich verstärkt interdisziplinär aus. Sie sucht die Zusammenarbeit anderen Disziplinen, etwa mit der Sozialwissenschaft, der Informatik oder mit technischen Disziplinen. Dahinter steht auch ein sich ausweitender ganzheitlicher Ansatz, der über die Fachgrenzen hinausgreift und so einen größeren Zusammenhang sucht.
- Das Jubiläumssymposium 100 Jahre BWL stand bezeichnenderweise unter dem Titel: „Der Beitrag der BWL zu den großen Herausforderungen für Unternehmen und Gesellschaft.“ Daraus werden viele Fragen und Herausforderungen“ abgeleitet. Beispielsweise die, wie die Unternehmen in dem sich veränderten Umfeld ihre Wettbewerbsfähigkeit bewahren können. So wurde auch nach der Vision einer „guten BWL von morgen“ gefragt. Die BWL wird als tätige und zielstrebige Disziplin eingeordnet, was z.B. diese Aussagen belegen:
- Was kann die BWL leisten?
- Wie kann sich die BWL bei der Lösung der großen Aufgaben der Gegenwart und Zukunft einbringen?
- Was kann die BWL hinsichtlich der Technikfolgenabschätzung oder der Gesetzfolgenabschätzung beitragen?
- Welchen Anteil kann die BWL bei der Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben bewirken, beispielsweise auch bei den Megatrends Nachhaltigkeit und Digitalisierung?
Auf den Punkt brachte es diese Forderung: „Vorne dabei zu sein“. Ein anderer praktischer beispielhafter Ansatz: BWL könne bei der Lösung der Probleme im Gesundheitswesen helfen. - Die Hochschullehrer der BWL zeigen eine erstaunliche disziplinäre Offenheit und auch eine überraschende wissenschaftliche Neugier.
Wie definiert man „ganzheitlichen ökonomischen Erfolg“?
Barbara Weißenberger verwies in ihrem programmatischen Impuls auf den Gewinn als zentrale betriebswirtschaftliche Leitmaxime. Er zeige, dass sich ein Unternehmen im Wettbewerb durchsetzen müsse. Aber Gewinn dürfe nicht einfach mit finanzieller Profitabilität gleichgesetzt werden. Sie definierte einen „ökonomischer Erfolg“ und damit einen anzustrebenden „Gesamt-Gewinn“. Dies stößt eine notwendige Diskussion an: Gewinn müsse über finanzielle Profitabilität hinaus als ganzheitlicher ökonomischer Erfolg verstanden werden. Dieser Diskurs greift politische und gesellschaftliche Forderungen und Entwicklungen auf und integriert sie in die Unternehmensführung und -steuerung.
Erfolg ist nicht automatisch Gewinn
Der „ökonomische Erfolg“ wie er von Weißenberger dargelegt wird, setzt ein Gleichgewicht voraus:
- Finanzieller Profit ist in diesem Sinne nur eine Dimension des Unternehmenserfolgs.
- Hinzu kommen für einen ganzheitlichen Erfolg als nichtfinanzielle Dimensionen ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowie die Governance.
- Insofern steht ein ökonomischer Erfolg auf vier Säulen (Finanzielles Ergebnis, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Nachhaltigkeit und Governance).
Die akademischen Fachvertreter sehen die BWL in einem guten Zustand
Vielfach hieß es, Verfassung und Situation der BWL seien gut. Diese Einschätzung stützt sich u.a. auf diesen Dreiklang:
- Die BWL ist Deutschlands beliebteste Studienfach. Jedes Jahr werden den Angaben nach rund 250.000 Studierende ausgebildet.
- Die BWL macht Fortschritte bei den Geldern, die außerhalb der Grundfinanzierung zufließen (Drittmittel) sowie bei Projekten, Akzeptanz und Aufmerksamkeit.
- Die BWL kann zur Lösung der aktuellen großen Herausforderungen und Zukunftsthemen einiges beitragen. Vielfach wurde auf das Potenzial der BWL zur Lösung von Aufgaben in den Unternehmen sowie von Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft verwiesen.
Zusammenwirken von Forschung, Lehre und Wissens- bzw. Praxistransfer
Der notwendige Zusammenhang von Forschung, Lehre und Wissens- bzw. Praxistransfer wurde u.a. von Péter Horváth, einem der großen Controlling-Pioniere, formuliert. In diesem Sinne erwarten Praxisvertreter von den Universitäten insbesondere
- der Praxis gut ausgebildete Betriebswirte zur Verfügung zu stellen. Dabei wurde insbesondere auf Fähigkeiten des strukturierten und analytischen Denkens abgehoben.
- der Praxis geeignete Methoden, einen „Werkzeugkoffer“, anzubieten.
- verstärkt Fragestellungen der Praxis aufzunehmen und sich mit ihnen lösungsorientiert zu befassen.
Es ließ sich der Eindruck gewinnen, dass hier noch Steigerungsbedarf besteht, wie die Diskussion bedeutender „wissenschaftsorientierter Unternehmer“ anklingen ließ, z.B. von Prof. Dr. Dr. August-Wilhelm Scheer (Scheer Holding), Prof. Dr. Dres. Hermann Simon (Simon, Kucher und Partners) oder Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Péter Horváth (Horváth & Partners).
Mehr Wirkung erfordert gute Wissenschaftskommunikation
Aus den Zielsetzungen hinsichtlich der Nutzung und Verwendung der BWL und ihrer Erkenntnisse ergeben sich hohe Anforderungen die Kommunikationsfähigkeit, beispielsweise im Zusammenwirken von Forschung, Lehre und Praxis. In der Anerkennung dieser Problematik und die Forderung nach mehr Wirkung der BWL gab es eine VHB-Symposium „Erfolgreiche Wissenschaftskommunikation - Best Practices für mehr gesellschaftlichen Impact“.
- Die Forderung nach „Sprachfähigkeit“ bzw. wirkungsvoller und verständlicher Kommunikation war zu vernehmen.
- Wie ist der Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis zu gestalten, aber auch mit anderen Disziplinen?
- Welche Zielgruppen sollen wie erreicht werden und welche Kommunikationskanäle sollen für eine proaktive Kommunikation genutzt werden?
Verband und Veranstaltung
Der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (VHB) setzt sich nach eigenen Angaben aus über 2.800 Mitgliedern zusammen, die sich wissenschaftlich auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre betätigen. Ziel des VHB ist dem Vernehmen nach die Förderung und Weiterentwicklung der BWL als gesellschaftlich relevante, international anschlussfähige und zukunftsweisende Wissenschaftsdisziplin. Der 1921 gegründete VHB sieht sich als führende wissenschaftliche Verbandsinstitution der BWL im deutschsprachigen Raum.
Herausragende Tagung
Mit der Jubiläumstagung feierte der VHB 100 Jahre BWL. Diese Jubiläumstagung fand vom 08.-11. März 2022 digital statt. Sie stand unter dem Generalthema „BWL.Weiter.Denken“ und wurde von der Heinrich Heine Universität Düsseldorf ausgerichtet. Der Gedanken- und Informationsaustausch erfolgte in einem umfassenden Fach- und Diskussionsprogramm: Über 20 Symposia zu betriebswirtschaftlichen Herausforderungen, über 15 Workshops, 180 Fachvorträge und Posterpräsentationen sowie Keynotes, die einen Blick von außen auf die Betriebswirtschaftslehre warfen.
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