Währungsumrechnung: "Wo sind meine 100 Euro geblieben?"
Rätselraten um Wertveränderungen bei der Konsolidierung
Ein Teil der Leserschaft wird spontan konstatieren, dass dies nur in Konzernen vorkommen kann, deren Konzernrechenwerk qualitativ nicht auf der Höhe der Zeit ist. Schließlich gehen in einer perfekt arbeitenden Konzern-Konsolidierung keine Werte verloren! Und wenn man zu 100 EUR von Dritten einkauft, dann müssen nach Verbrauch natürlich auch 100 EUR in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) ankommen. Das ist so, seit es T-Konten gibt.
Ein anderer Teil der Leser:innen ist diesem Phänomen schon einmal im eigenen Konzern begegnet und gleichzeitig überzeugt davon, dass im eigenen Haus zu 100 % richtig und natürlich auch IFRS-konform gearbeitet wird.
Wenn es nun aber weder einen Qualitätsmangel gibt, noch irgendwo ganz bewusst eine solche Wertveränderung im Zuge der Konsolidierung vorgenommen wird, was ist dann die Quelle dieses Phänomens?
Ursache liegt in der Umrechnung von Fremd- in Konzernwährung
Das Phänomen kommt dadurch zustande, dass eine fremdwährungsführende Tochtergesellschaft (TG) einen in der Konzernwährung EUR eingekauften Warenwert zum transaktionalen Tageskurs in Lokalwährung (Local currency, LC) umrechnen muss, welcher nach Verbrauch in exakt gleicher Höhe als Aufwand berichtet wird. Am Ende der Berichtsperiode wird im Zuge der Konzernkonsolidierung dieser in Lokalwährung geführte Aufwandswert zurück in EUR konvertiert. Diesmal erfolgt die Umrechnung jedoch zum (kumulierten) Durchschnittskurs.
Es wäre purer Zufall, wenn der Transaktional-Kurs zum Zeitpunkt des Einkaufs und der Durchschnittskurs am Ende der Berichtsperiode identisch wären. Im Normalfall sind sie es nicht. Somit unterliegen die 100 EUR unvermeidlich einer Wertveränderung auf dem Weg von lokalem Einkauf über lokale Aufwandsbuchung bis hoch zur konsolidierten GuV-Berichterstattung auf Konzernebene: Bei Abwertung der Lokalwährung ggü. EUR schrumpft der Berichtswert in der GuV, bei einer Aufwertung erhöht er sich.
"Alles kein Problem, das schwingt sich im Großen und Ganzen ein" könnte hierauf eine oft gehörte Reaktion sein. ABER, v. a. in "VUCA"-Zeiten mit hoher Währungsvolatilität, ergibt sich in Kombination mit der mehrheitlich angewandten Methodik eines kumulierten Durchschnittskurses eine Konstellation, welche zu einem beachtlichen Werte-Delta führen kann. Und dies lange bevor es zur verpflichtenden Anwendung von Inflation Accounting kommt (IAS29), wie man es aktuell im Falle türkischer TGs kennt. In diesen seltenen Ausnahmefällen muss im Nachhinein aufwändig berechnet werden, wie groß die "unsichtbaren" Deltas sind, die sich im Zuge von Hyperinflation und einhergehender Währungsabwertung ergeben.
Zahlenbeispiel zur Verdeutlichung des Abweichungspotenzials
Der Fall:
- Eine Fremdwährungs-TG kauft Anfang Januar für 100 EUR Ware bei einem transaktionalen Kurs von 1:1 (Lokal- zu Konzernwährung).
- Die TG verbraucht diese vollständig bis Jahresende.
- Die angenommene Währungsabwertung beträgt im Durchschnitt monatlich 1,0 % (=> 13 % p.a.)
- Dann wird in der Konzern-GuV am Jahresende bei Anwendung eines kumulierten Durchschnittskurs ein Aufwandswert von 93,70 EUR ausgewiesen. Ein "Schwund" von satten 6,3 %!
EUR | Stichtagskurs Fremdwährung | LC | Abwertung | Kumulierter Fremdwährungskurs | |
Einkauf | 100,00 | 1,00 | 100,0 | ||
Ende M1 | 1,01 | 1,0 % | 1,010 | ||
Ende M2 | 1,02 | 1,0 % | 1,015 | ||
Ende M3 | 1,03 | 1,0 % | 1,020 | ||
Ende M4 | 1,04 | 1,0 % | 1,025 | ||
Ende M5 | 1,05 | 1,0 % | 1,030 | ||
Ende M6 | 1,06 | 1,0 % | 1,036 | ||
Ende M7 | 1,07 | 1,0 % | 1,041 | ||
Ende M8 | 1,08 | 1,0 % | 1,046 | ||
Ende M9 | 1,09 | 1,0 % | 1,051 | ||
Ende M10 | 1,10 | 1,0 % | 1,057 | ||
Ende M11 | 1,12 | 1,0 % | 1,062 | ||
Ende M12 | 1,13 | 1,0 % | 1,067 | ||
Aufwand | 93,70 | 100,0 | 1,067 | ||
"Schwund" | - 6,3 % |
Dieser Beispielfall würde sich noch nicht für ein Inflation Accounting qualifizieren, wenn man unterstellt, dass sich Abwertung und Inflation in ähnlicher Wertdimension bewegen. D. h. dieser "Schwund" wäre in der Konzern-GuV unsichtbar und bilanztechnisch "unter den Teppich gekehrt" über das direkt gegen Eigenkapital gebuchte CTA-Konto (Cumulative Translation Adjustment).
Wie lassen sich konvertierungsbedingte Deltas von vornherein vermeiden?
Wäre es nicht schön im Sinne von transparenter Steuerung ("1 EUR bleibt 1 EUR") und Aufwandsvermeidung (Bsp. Inflation Accounting), wenn es eine systemische Möglichkeit gäbe, solche konvertierungsbedingten Deltas von vornerein zu vermeiden?
Und ist es bei genauer Betrachtung des zentralen IFRS-Konsolidierungs-Grundsatzes "als wäre es ein Unternehmen" nicht ohnehin so, dass bei "technischer Machbarkeit" abhängige Auslandsgesellschaften transaktional konsolidiert werden müssten?
Diese beiden Fragen muten aufgrund fehlender Technologie bis dato rhetorisch an. In Bälde bedürfen sie aber einer konkreten Antwort, denn mit dem in Entwicklung befindlichen Universal Parallel Accounting (UPA) von SAP wird in Zukunft für alle auf S/4 laufenden Konzerne die technologische Voraussetzung für eine transaktionale Konsolidierung geschaffen sein. Durch die kontinuierliche, tagesgenaue Mitbuchung eines Group-Currency-Ledgers bleibt der beispielhafte Wareneinkauf einer fremdwährungsführenden TG zu 100 EUR werttechnisch unverändert erhalten bis hoch in den konsolidierten GuV-Ausweis des Konzerns, d. h. die oben beschriebene Verzerrung aufgrund der simplifizierten Durchschnittskurs-Umrechnung wird der Vergangenheit angehören.
Noch gibt es einige (weitere) konsolidierungstechnische Fragestellungen zu lösen auf dem Weg in diese Zukunft. Dies ist jedoch nur noch eine Frage der Zeit.
Neugierig geworden? Wir freuen uns auf Ihr Feedback.
Welche anderen Transparenzprobleme die heute in Anwendung befindliche Konvertierungspraxis namens "modifizierte Stichtagsmethode" (Bilanz zu Stichtags-, GuV zu Durchschnitts-Kurs) in sich trägt und welche Chancen/Möglichkeiten sich mit der UPA-Technologie ergeben, wird in einem spezifischen Fachartikel inkl. plakativer Buchungsbeispiele und Excel-Templates detailliert erörtert. Als Abonnent:in von Haufe Finance Office oder Controlling Office finden Sie dort den Beitrag "Konzernkonsolidierung: Universal Parallel Accounting wird aktuelle Transparenzprobleme durch Fremdwährungen beheben" inkl. Tool.
Ihre Meinung zu diesem Problem und Lösungsansatz können Sie gerne als Kommentar zu dieser News oder per Mail an den Autor (Mailadresse: heiko.schletz@sapo.pt ) äußern und bei ihm auch die Langfassung als pdf-Datei anfragen. Wir freuen uns auf die Diskussion.
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