Passivierung von Verbindlichkeiten bei einem Rangrücktritt
Praxis-Hinweis: Rangrücktritt auf Übereinstimmung mit den Vorgaben der Finanzverwaltung überprüfen
Die Vereinbarung eines Rangrücktritts stellt, im Rahmen der Ermittlung einer bilanziellen Überschuldung für insolvenzrechtliche Zwecke, ein für die Praxis sehr bedeutsames Rechtsinstrument dar. Rein rechtlich gesehen handelt es sich um eine Vereinbarung über die Abänderung des ursprünglichen Vertrags. Diese hat keine Auswirkungen auf den Bestand der Verbindlichkeit, wohl aber auf die Rangfolge, in der die Verbindlichkeiten zu bedienen sind. Die Verbindlichkeit besteht also weiter, sie ist aber zu einem anderen, späteren Zeitpunkt zu begleichen.
Nach der Ansicht des BFH (BFH Urteil vom 19.08.2020 - XI R 32/18) ist dies auch dann zutreffend, wenn
- am Bilanzstichtag aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Schuldnern nicht davon auszugehen ist,
- dass die Verbindlichkeit überhaupt irgendwann bezahlt werden kann.
Dies gilt sowohl für das Handelsrecht, als auch für das Steuerrecht. Für das Steuerrecht ist darüber hinaus zu beachten, dass der Rangrücktritt entsprechend den Vorgaben des BFH in früheren Urteilen formuliert ist, welche die Finanzverwaltung übernommen hat. Demnach muss der Rangrücktritt vorsehen, dass die Rückführung der Verbindlichkeit nicht nur aus zukünftigen Gewinnen oder Einnahmen, sondern auch aus „sonstigem freien Vermögen“ erfolgen soll.
Da die Klägerin diese Vorgaben beachtet hat, war die Verbindlichkeit entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht auszubuchen. Insofern führt das Urteil die Vorgaben an einen auch steuerrechtlich anzuerkennenden Rangrücktritt vor Augen. Wer seine Rangrücktritte noch nicht auf ihre Übereinstimmung mit den Vorgaben der Finanzverwaltung überprüft hat, sollte dies spätestens jetzt machen.
Finanzverwaltung: Verbindlichkeit, für die der Rangrücktritt erklärt worden war, sei gewinnwirksam auszubuchen
Die Klägerin ist eine in einen Konzern eingebundene GmbH, die seit dem Jahr 2006 ihre wirtschaftlichen Aktivitäten im Wesentlichen bis auf die Vermietung des Betriebsgeländes eingestellt hatte und diese erst im Jahr 2017 wieder aufnahm. Im Jahr 2007 verzichtete die Alleingesellschafterin der Klägerin auf eine Forderung gegen diese und gab gleichzeitig wegen weiterer Forderungen eine Rangrücktrittserklärung ab. Im Rahmen eine Außenprüfung vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass wegen der wirtschaftlichen Situation der Klägerin nicht mehr mit einer Rückzahlung der Verbindlichkeit zu rechnen sei. Die Verbindlichkeit, für die der Rangrücktritt erklärt worden war, sei deshalb gewinnwirksam auszubuchen. Die Klägerin wandte ein, die Rangrücktrittserklärung sei entsprechend den Vorgaben der Finanzverwaltung formuliert worden und deshalb wäre die Verbindlichkeit weiter zu passivieren. Erst das Finanzgericht erkannte dieses Rechtsauffassung der Klägerin als zutreffend an, ließ jedoch die Revision zum BFH zu. Diese wurde vom Finanzamt erhoben.
BFH: Keine Auflösung der Verbindlichkeit
Der BFH bestätigte allerdings die Entscheidung des FG Münster und wies die Revision als unbegründet ab. Die Auflösung der Verbindlichkeit ist ohne Rechtsgrund erfolgt. Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen oder Einnahmen, sondern auch aus „sonstigem freien Vermögen“ vorsieht, löst weder handels- noch steuerrechtlich ein Passivierungsverbot aus. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des jeweiligen Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen. Das wirtschaftliche Unvermögen des Schuldners ist nämlich unerheblich. Es kommt nach Ansicht des BFH allein auf den rechtlichen Gehalt der Durchsetzungssperre an. Letztlich ist es damit für die Passivierung der Verbindlichkeit irrelevant, ob der Schuldner in der Lage sein wird, die Verbindlichkeit jemals zu zahlen.
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