Die Menge festlegen und WIP identifizieren
Da die in den einzelnen Fertigungsgängen anfallenden Bauteile keine eigene Identifikation haben, sind sie auch nicht in der Materialwirtschaft geführt. Ein logischer Abgleich, um bestimmte Mengen zu finden, existiert also nicht.
Die echten Mengen an Materialien und Teilen in einem Zwischenstadium müssen mit einer Inventur ermittelt werden. Permanente oder vorgezogene Inventuren sind nur dann erlaubt, wenn auf den Bestand zum Bilanzstichtag mit Hilfe eines funktionierenden Warenwirtschaftssystems gerechnet werden kann. Das ist bei WIP nicht der Fall, da die Teile dort nicht erfasst sind. Daher ist eine Aufnahme zum Bilanzstichtag notwendig.
Praxis-Tipp: Buchung auf rechnerischen Lagern
In vielen Unternehmen wird der Materialverbrauch erst gemeinsam mit dem Zugang des hergestellten Fertigteils gebucht. Um dennoch eine vernünftige Disposition über sinnvolle Lagerbestände zu ermöglichen, werden Mengen für die Produktion auf Zwischenlager, die nur logisch existieren, gebucht. Die auf diesen rechnerischen Lagern befindlichen Rohstoffmengen ergeben einen Anhaltspunkt über die als WIP im System befindlichen Mengen.
Inventur von WIP: Herausforderung für den Buchhalter
Bei der Inventur, die der Buchhalter mit einem Gang durch die Fertigung unterstützen und prüfen kann, muss neben der Menge des jeweiligen Zwischenprodukts auch festgehalten werden:
- Welches Material ist bereits in das Zwischenprodukt eingeflossen?
- Wie viel Fertigungslohn und wie viel Maschinenzeit ist bereits verbraucht worden?
Eine solch detaillierte Aufnahme kann sehr komplex sein. Die als Erleichterung vorgesehene Schätzung eines Grades der Fertigstellung (Percentage of Completion) wird kaum noch anerkannt. Die Prüfer verlangen, bestätigt durch entsprechende Gerichtsurteile, belastbare Nachweise über die bisher entstandenen Kosten. Bei signifikanten Beständen lohnt es sich, digitale Abläufe zur detaillierten Erfassung von Material, Löhnen und anderen direkten Kosten einzurichten. In Zukunft wird KI an dieser Stelle wesentlich unterstützten können.
Die beschriebenen Aufnahmeverfahren passen gut für produzierende Unternehmen mit vielen Produkten im Fertigungsprozess und entsprechenden Mengen an WIP.
Für Betriebe, die große Produkte in Einzelfertigung oder in geringer Stückzahl herstellen, bedeutet WIP eine besondere Aufgabe. Hier sind Produkte wie z. B. Lkw-Anhänger, Blockheizkraftwerke oder Gebäude in unfertigem und oft nicht definiertem Zustand zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Die Menge ist leicht bestimmbar: eins (oder nur wenige). Wegen der großen Werte ist aber eine möglichst genaue Feststellung des Fertigungszustands notwendig. Das geht nur in Zusammenarbeit zwischen Buchhaltung und Technik.
Hinweis: IFRS und HGB
Eine Bewertung nach Schätzung des Grades der Fertigstellung ist nach HGB nur ausnahmsweise erlaubt, wenn eine Einzelkostenerfassung nicht möglich ist. Das gilt vor allem bei großen, mehrjährigen Bauvorhaben. In der Rechnungslegung nach IFRS ist die Schätzung (Percentage of Completion) für Bau- und Langfristprojekte allerdings verpflichtend.
WIP bewerten
Die Bewertung von Work in Process erfolgt entsprechend der Ermittlung der Herstellkosten für Fertig- und Halbfertigteile. Für HGB-Abschlüsse ist das im § 255 Abs. 2 HGB geregelt. Demnach müssen die Herstellkosten beinhalten:
- die Materialkosten mit variablen Materialgemeinkosten
- die Fertigungslöhne mit variablen Fertigungsgemeinkosten
- die Sondereinzelkosten der Fertigung
- angemessene variable Anteile an den allgemeinen Verwaltungskosten und an den Kosten für Sozialeinrichtungen und den freiwilligen sozialen Leistungen
Es handelt sich also um eine Herstellkostenberechnung, die jedoch auf den Bearbeitungszustand des Zwischenprodukts abgestimmt werden muss. Noch gibt es keine Rückmeldung von verbrauchten Materialien und Zeiten. Nur das Material darf in die Bewertung einfließen, das schon verarbeitet wurde. Bewertet werden dürfen nur die Zeiten, die schon verbraucht wurden. Wichtig ist daher, bei der Mengenaufnahme auch den Verarbeitungszustand festzuhalten.
Im Gegensatz zur IFRS-Bewertung darf in der HGB-Bewertung kein Gewinn ausgewiesen sein! In den Herstellkosten müssen alle notwendigen Gemeinkosten enthalten sein, wobei pauschale Gemeinkostenzuschläge ohne eine belegbare Kalkulationsgrundlage nicht erlaubt sind.
Große Einzelprojekte können Risiko darstellen
Bei der Bewertung der gefunden Mengen an WIP gibt es unterschiedliche Auswirkungen je nach Unternehmenstyp. Grundsätzlich ist der Einfluss auf Gewinn oder Bilanz in den meisten Produktionsunternehmen aufgrund geringem Umfang nicht wesentlich. Merkbare und unter Umständen sogar bedrohliche Auswirkungen gibt es für die Unternehmen, die sich mit großen Einzelprojekten beschäftigen.