Berechnung der Freigrenze von 110 EUR bei Betriebsveranstaltungen
Praxis-Hinweis: 2 Themen in einem Urteil – Betriebsveranstaltung und Rechtmäßigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung
Die Entscheidung des BFH (BFH Urteil vom 28.04.2020 - VI R 41/17) betrifft zwei sehr unterschiedliche Themenbereiche:
- Neben der Berechnung der Freigrenze von 110 EUR für Betriebsveranstaltungen,
- hat der BFH auch Ausführungen zur Rechtmäßigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung getroffen.
Die Rechtsbehelfsbelehrung muss nach dem Gesetz darauf hinweisen, dass der Einspruch auch mittels E-Mail eingelegt werden darf. Fehlt dieser Hinweis, ist die Rechtsbehelfsbelehrung falsch. Die Einspruchsfrist beträgt dann ein Jahr und nicht einen Monat. Es kann sich also im Einzelfall durchaus lohnen, den Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung genau zu prüfen.
Die Hauptaussage des Urteils betrifft allerdings die Berechnung der Freigrenze von 110 EUR, bei deren Überschreiten die Leistungen des Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung als Arbeitslohn anzusehen sind. Hierbei betrifft die Entscheidung vor allem die Frage, welche Personen bei der Berechnung der Personenzahl einzubeziehen sind, durch die die Gesamtkosten letztlich zu teilen sind.
Kurz zum rechtlichen Hintergrund: Aufwendungen anlässlich einer Betriebsveranstaltung sind für Arbeitnehmer dann nicht als Arbeitslohn anzusehen, wenn die Aufwendungen als angemessen anzusehen sind. Was als angemessen anzusehen ist, wird dabei natürlich sehr unterschiedlich beurteilt. Die Finanzverwaltung geht allerdings pauschalierend davon aus, dass von einer Angemessenheit auszugehen ist, wenn ein Betrag von 110 EUR pro Arbeitnehmer nicht überschritten wird. Hierbei wird man laut dem BFH davon auszugehen haben, dass es bei den Personen, auf die die Gesamtkosten verteilt werden, nur auf Arbeitnehmer ankommt. Andere Anwesende bleiben außer Ansatz.
Zu beachten ist allerdings, dass die Entscheidung zur alten Rechtslage vor der Schaffung des § 19 Abs. 1 Nr. 1a EStG ergangen ist. Bis 2015 handelte es sich bei der Grenze von 110 EUR um eine Freigrenze. Nach der aktuellen Fassung des § 19 Abs. 1 Nr. 1a EStG liegt ein Freibetrag vor. Dies ist ein ganz wesentlicher Unterschied. Wird eine Freigrenze auch nur marginal überschritten, entfällt der gesamte Vorteil. Mithin sind nach der alten Fassung die gesamten Kosten für die Arbeitnehmer lohnsteuerpflichtig. Bei einem Freibetrag ist hingegen nur der Anteil, der die 110 EUR überschreitet, der Lohnsteuer zu unterwerfen. Insofern sind die Folgen eines Überschreitens der als angemessen angesehenen Grenze von 110 EUR pro Arbeitnehmer weniger folgenreich als früher.
Einspruch gegen die Verteilung der Gesamtkosten
Bei der Klägerin wurde eine Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführt. Gegen die Nachforderungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein, der vom Finanzamt als unzulässig verworfen wurde. In dem Nachforderungsbescheid war auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs mittels E-Mail nicht hingewiesen worden. Inhaltlich wandte sich die Klägerin gegen die Nachforderung mit dem Verweis darauf, dass bei Mitarbeiterfesten in den Jahren 2008 und 2011 die Gesamtkosten falsch aufgeteilt worden seien. Die Anzahl der Personen, durch die die Gesamtkosten aufzuteilen sind, sei falsch ermittelt. Das Finanzgericht gab der Klage statt, ließ aber die Revision zu. Diese wurde vom Finanzamt erhoben.
BFH - Teilnehmer der Veranstaltung falsch berechnet – FG muss erneut die Anzahl klären
Der BFH gab der Revision statt und hob damit die Entscheidung des FG Baden-Württemberg auf. Eine endgültige Entscheidung traf der BFH allerdings nicht. Der Einspruch ist dabei nach Ansicht des BFH nicht verspätet eingelegt worden, da die Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig gewesen ist.
Ein Einspruch kann nach der aktuellen Fassung des § 357 AO auch durch eine E-Mail eingelegt werden. Hierauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen. Da dies nicht geschehen ist, beträgt die Einspruchsfrist ein Jahr.
Der Nachforderungsbescheid 2008 ist nach einhelliger Ansicht falsch, da die Freigrenze von 110 EUR nicht überschritten ist. Für 2011 konnte der BFH aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz keine abschließende Prüfung vornehmen. Zutreffenderweise ist das Finanzgericht dabei davon ausgegangen, dass die Aufteilung der Kosten im Schätzwege zu erfolgen hat, wenn die Zuwendung anlässlich einer Betriebsveranstaltung nicht individuell zugerechnet werden kann. Der Aufwand von Familienangehörigen oder Gästen ist dabei nicht mit einzubeziehen. Auch sind nur solche Kosten einzubeziehen, die einen geldwerten Vorteil beim Arbeitgeber auslösen. Deshalb sind etwa Leistungen, die die Arbeitnehmer vor Ort konsumieren können, einzubeziehen, nicht aber etwa Reisekostenerstattungen. Auf dieser Grundlage hat das Finanzgericht die Anzahl der Teilnehmer, durch die die Gesamtkosten zu teilen sind, falsch berechnet.
Hierzu zählen nämlich
- nur die Arbeitnehmer,
- nicht aber weitere Anwesende wie Künstler, Fotografen oder Busfahrer.
Wegen dieser falschen Berechnung der Personenzahl war die Vorentscheidung aufzuheben. In einem weiteren Verfahren hat das Finanzgericht zu prüfen, durch wie viele Personen die Gesamtkosten tatsächlich aufzuteilen sind.
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