Wohnungseigentümer haften nicht für sogenannte Sozialverbindlichkeiten
Hintergrund: Miteigentümer verauslagt Versicherungsprämie
Ein Wohnungseigentümer aus einer aus zwei Eigentümern bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von den Gesellschaftern der anderen Miteigentümerin die Erstattung verauslagter Versicherungsprämien.
Der Eigentümer ist Inhaber eines Miteigentumsanteils von 8/100, verbunden mit dem Sondereigentum an der Dachgeschosswohnung. Die übrigen 92/100 Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Sondereigentum der weiteren Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, werden von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gehalten.
Nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft eine fällige Versicherungsprämie für die Haus- und Gebäudeversicherung nicht gezahlt hatte, zahlte der Eigentümer der Dachgeschosswohnung die ausstehende Prämie von 3.700 Euro, um ein Erlöschen des Versicherungsschutzes zu verhindern, sowie wenig später 180 Euro für die Gebäudehaftpflichtversicherung.
Der Eigentümer verlangt nun von den Gesellschaftern der GbR gemäß deren Miteigentumsanteil die Erstattung von 92 Prozent der verauslagten Versicherungsprämien.
Entscheidung: Einzelne Eigentümer haften nicht
Die Klage hat keinen Erfolg. Für den geltend gemachten Zahlungsanspruch gegen die Gesellschafter der anderen Miteigentümerin fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
Tilgt ein Wohnungseigentümer Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft, kann er von der Gemeinschaft Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Hierüber besteht Einigkeit, wobei bezüglich der Anspruchsgrundlage verschiedene Auffassungen vertreten werden. Teilweise wird ein Ersatzanspruch gegen die Gemeinschaft auf die Grundsätze der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt, teilweise wird § 110 HGB herangezogen, teilweise wird ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 774 BGB angenommen.
Aus all diesen Anspruchsgrundlagen gegen die Gemeinschaft ergibt sich aber grundsätzlich kein Erstattungsanspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer, weil der tilgende Eigentümer für den Verband tätig wird, der gemäß § 10 Abs. 6 Satz 2 WEG Schuldner der Verbindlichkeit ist, und nicht für die übrigen Wohnungseigentümer.
Die anderen Wohnungseigentümer schulden auch keine Erstattung aus Bereicherungsrecht unter dem Gesichtspunkt einer Befreiung von ihrer anteiligen Haftung gemäß § 10 Abs. 8 WEG, denn die Zahlungen sind auf Verbindlichkeiten des Verbandes erfolgt, so dass ein Bereicherungsausgleich in diesem Verhältnis erfolgen müsste.
Auch aus § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft haftet, die während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind, kann der Eigentümer keinen Anspruch herleiten.
Zwar können Verbindlichkeiten der Gemeinschaft auch gegenüber einem Wohnungseigentümer bestehen, so dass eine generelle Beschränkung der Vorschrift auf Dritte nicht gerechtfertigt ist. Soweit der Wohnungseigentümer gegen den Verband Ansprüche hat, die in keinem Zusammenhang mit seiner Stellung als Wohnungseigentümer stehen, sondern in gleicher Weise auch von Dritten erworben werden können, wie dies beispielsweise bei dem Verkauf einer Sache an den Verband der Fall ist, haften im Ausgangspunkt (auch) die übrigen Wohnungseigentümer für diese Verbindlichkeit.
Anders ist es jedoch, wenn der Anspruch des Wohnungseigentümers gegen den Verband seine Grundlage im Gemeinschaftsverhältnis hat, er also untrennbar mit der Stellung als Wohnungseigentümer zusammenhängt. Auf solche sogenannten Sozialverbindlichkeiten ist § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG nicht anwendbar. Um nicht der Haftung gemäß § 10 Abs. 8 WEG unterfallende Sozialverbindlichkeiten handelt es sich etwa bei einem Anspruch auf Auszahlung eines Guthabens aus einer Jahresabrechnung oder bei einem Anspruch auf Aufwendungsersatz, wenn - wie hier - ein Eigentümer Verbindlichkeiten des Verbandes getilgt hat.
Ein Durchgriff des Wohnungseigentümers gegen die anderen Eigentümer kommt bei einer Sozialverbindlichkeit auch dann nicht in Betracht, wenn das Verbandsvermögen nicht ausreicht, den Aufwendungsersatzanspruch des leistenden Wohnungseigentümers zu erfüllen. In einem solchen Fall muss der Wohnungseigentümer eine entsprechende Beschlussfassung des Verbandes herbeiführen. Wenn ein Beschluss nicht zustande kommt, kann der Eigentümer Beschlussersetzungsklage erheben.
Alles in allem scheidet daher eine Haftung der GbR gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG und damit auch der Gesellschafter für die vom anderen Eigentümer verauslagten Versicherungsbeiträge aus.
(BGH, Urteil v. 26.10.2018, V ZR 279/17)
Lesen Sie auch:
BGH-Rechtsprechungsübersicht zum Wohnungseigentumsrecht
§ 10 Abs. 8 WEG
Jeder Wohnungseigentümer haftet einem Gläubiger nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils (§ 16 Abs. 1 Satz 2) für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind; für die Haftung nach Veräußerung des Wohnungseigentums ist § 160 des Handelsgesetzbuches entsprechend anzuwenden. Er kann gegenüber einem Gläubiger neben den in seiner Person begründeten auch die der Gemeinschaft zustehenden Einwendungen und Einreden geltend machen, nicht aber seine Einwendungen und Einreden gegenüber der Gemeinschaft. Für die Einrede der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit ist § 770 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend anzuwenden. Die Haftung eines Wohnungseigentümers gegenüber der Gemeinschaft wegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung bestimmt sich nach Satz 1.
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