EU-Risikorat: Deutschland verzögert Kampf gegen Preisblase

Der EU-Risikorat ESRB wirft Deutschland vor, gegen Preisübertreibungen am Wohnimmobilienmarkt nicht schnell und effizient genug zu handeln. In einem Schreiben an die zuständigen Bundesministerien werden konkrete Maßnahmen gegen eine Blase eingefordert.

Die Preise für Wohnungen und Häuser steigen in einigen Staaten Europas stark – auch hierzulande. Der bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte Europäische Rat für Systemrisiken (ESRB) warnte am 11. Februar in Frankfurt am Main vor Überbewertungen am deutschen Immobilienmarkt und empfiehlt strengere Vorschriften. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen seien nur "teilweise angemessen und teilweise ausreichend".

Es gebe einen Anstieg der Wohnimmobilienpreise auf breiter Front, nicht nur in den Städten, auch in ländlichen Gegenden, Schätzungen deuteten auf eine "hohe und wachsende Überbewertung" hin. In seinem Bericht schreibt der EU-Risikorat unter anderem von einem starken Preisanstieg, von Zeichen sich lockernder Kreditvergabestandards und von fehlenden Daten zu Immobiliendarlehen.

Der ESRB – geschaffen als Reaktion auf die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 bis 2009 im Zuge einer Neuordnung der Banken- und Finanzaufsicht – hat für den Bericht die mittelfristige Anfälligkeit der europäischen Wohnimmobilienmärkte untersucht. Analysiert wurden alle EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen.

Bundesbank: Überbewertungen von bis zu 30 Prozent bei Wohnimmobilien

Warnungen wurden an Bulgarien, Kroatien, Ungarn, die Slowakei und Liechtenstein gesandt. Empfehlungen gingen an Österreich und Deutschland, die bereits 2016 und 2019 Warnungen erhalten hatten. Schon damals hatte der EU-Risikorat Übertreibungen am deutschen Wohnungsmarkt verzeichnet. Die Überbewertung bezifferte er nun auf 19 bis 23 Prozent im ersten Quartal 2021. Der Risikorat empfahl unter anderem, die Grenzen beim Verhältnis von Kreditbetrag zum Verkehrswert von Immobilien neu zu diskutieren.

Die Finanzaufsicht Bafin hat bereits strengere Regeln für Geldhäuser auf den Weg gebracht: Als Vorsorge für mögliche Rückschläge etwa auf dem Immobilienmarkt müssen deutsche Banken einen zusätzlichen Kapitalpuffer ansparen – zum 1. April soll ein zusätzlicher Puffer spezifisch Wohnimmobilien-Kredite absicheren.

Die Deutsche Bundesbank warnt schon länger vor Überbewertungen von zehn bis 30 Prozent bei Wohnimmobilien in Deutschland. Der Preisanstieg bei Wohnungen und Häusern hat sich zuletzt noch beschleunigt. Im dritten Quartal 2021 verteuerten sich Immobilien laut Statistischem Bundesamt im Schnitt um zwölf Prozent zum Vorjahresquartal. Es war der größte Preisanstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000.

Platzt die Immobilienblase? – EZB sieht Anzeichen für Stress

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im November 2021 in ihrem Finanzstabilitätsbericht (Financial Stability Review) die stark steigenden Wohnimmobilienpreise in Deutschland kritisiert. Auch nach Einschätzung der Notenbank hat das Risiko von Preiskorrekturen zugenommen – und Deutschland muss reagieren.

Europaweit haben sich die Preise für Häuser und Wohnungen im zweiten Quartal 2021 im Schnitt um 7,3 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal 2020 verteuert – das sei die höchste Jahresrate seit 2005, heißt es in dem Bericht. Die EZB zählt die Wohnimmobilienmärkte von Deutschland, Österreich und Benelux zu den deutlich überbewerteten, die Preise steigen hier rascher als im Währungsraum insgesamt. Die Immobilienmärkte seien deutlich anfälliger für Preiskorrekturen geworden, "und es gibt kaum Anzeichen dafür, dass die Kreditvergabestandards als Reaktion darauf verschärft wurden", schrieb EZB-Vizepräsident Luis de Guindos im November-Bericht.

Deutschland sollte darüber nachdenken, gezielt finanzstabilisierende makroprudenzielle Maßnahmen graduell anzupassen – dazu gehörten neben Obergrenzen für den Beleihungswertauslauf von Hypothekenkrediten unter anderem auch die Aktivierung antizyklischer Kapitalpuffer für Banken. Eine restriktivere Vergabe von Darlehen und höhere Kreditstandards könnten ebenfalls gegensteuern – wenn nicht, könnte das der EZB zufolge die Finanzstabilität gefährden, falls die drohende Immobilienblase platzen und die Preise fallen sollten.


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dpa

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