BGH: Änderung des Verteilungsschlüssels muss eindeutig sein

Eine wirksame Änderung des Verteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss setzt voraus, dass aus dem Beschluss hinreichend konkret hervorgeht, dass die Wohnungseigentümer das Bewusstsein hatten, eine Änderung der bisherigen Kostenverteilung für künftige Abrechnungen zu beschließen.

Hintergrund

Eine Wohnungseigentumsanlage besteht aus über 400 Wohneinheiten sowie drei Teileigentumseinheiten, in denen sich ein Hotel befindet. Auf letztere entfällt knapp die Hälfte der Miteigentumsanteile. Die Teilungserklärung regelt die Verteilung der Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums. Eine Öffnungsklausel enthält die Teilungserklärung nicht.

In einem 1993 geschlossenen Vertrag zwischen der Betreibergesellschaft des Hotels, die Eigentümerin der Teileigentumseinheiten ist, und der Wohnungseigentümergemeinschaft sind Vereinbarungen über den Einsatz der Pförtner sowie die diesbezügliche Kostenverteilung getroffen worden. Die darin vereinbarte Kostenverteilung weicht von der Teilungserklärung ab. Der Vertrag ist durch bestandskräftigen Beschluss der Wohnungseigentümer genehmigt worden.

In einem 2009 geschlossenen Vertrag zwischen der Hotelgesellschaft und der Eigentümergemeinschaft über die technische Betreuung der Anlage durch die Hotelgesellschaft ist abweichend von der Teilungserklärung geregelt, dass die Eigentümer monatlich einen bestimmten Betrag an die Gesellschaft zahlen. Auch diesen Vertrag haben die Wohnungseigentümer bestandskräftig genehmigt.

In einer Eigentümerversammlung im Dezember 2015 fassten die Wohnungseigentümer unter anderem Beschlüsse mit folgendem Inhalt:

Von den im Jahr 2011 angefallenen Kosten für die technische Betreuung der gemeinschaftlichen Anlagen durch die Hotelgesellschaft in Höhe von 275.000 Euro trägt die Hotelgesellschaft 125.000 Euro direkt. Die gegenüber der Gemeinschaft abgerechneten Kosten von 150.000 Euro tragen die Wohnungseigentümer, unter diesen verteilt nach Miteigentumsanteilen.

Von den im Jahr 2011 angefallenen Kosten für Pförtnerdienstleistungen durch die Hotelgesellschaft in Höhe von 150.000 Euro trägt die Hotelgesellschaft 52.000 Euro direkt. Die gegenüber der Gemeinschaft abgerechneten Kosten von 98.000 Euro tragen die Wohnungseigentümer, unter diesen verteilt nach Miteigentumsanteilen.

Gegen diese Beschlüsse haben mehrere Miteigentümer Anfechtungsklage erhoben.

Entscheidung

Die Anfechtungsklage hat Erfolg. Beide Beschlüsse sind für ungültig zu erklären.

Kosten der technischen Betreuung

Der Beschluss über die Verteilung der Kosten für die technische Betreuung entspricht nicht dem in der Teilungserklärung vorgegebenen Abrechnungsschlüssel. Dieser ist auch nicht wirksam geändert worden, insbesondere nicht dadurch, dass die Eigentümer den Vertrag über den Pförtnereinsatz bestandskräftig genehmigt haben.

Selbst wenn man nach § 16 Abs. 3 WEG eine Beschlusskompetenz für eine Änderung des Verteilungsschlüssels annimmt, setzt eine wirksame Änderung des bisher geltenden Verteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss voraus, dass aus dem Beschluss hinreichend konkret hervorgeht, dass die Wohnungseigentümer das Bewusstsein hatten, eine Änderung der bisherigen Kostenverteilung für künftige Abrechnungen zu beschließen. Nur so ist die erforderliche Transparenz gewährleistet und die Neuregelung der Kostenverteilung insbesondere für einen Sonderrechtsnachfolger, der nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden ist, durch Einsicht in die Beschlusssammlung klar ersichtlich. Aus der bloßen Genehmigung des Vertrages über die technische Betreuung wird aber nicht der Wille der Eigentümer deutlich, den Kostenverteilungsschlüssel aus der Teilungserklärung zu ändern.

Auch in dem angefochtenen Beschluss selbst liegt keine wirksame Änderung des Verteilungsschlüssels, weil hierin nur die 2011 angefallenen Kosten verteilt werden. Eine abstrakt-generelle Regelung über die künftige Verteilung der Kosten enthält er hingegen nicht.

Kosten des Pförtnerdienstes

Auch der Beschluss über die Verteilung der Kosten für den Pförtnerdienst für das Jahr 2011 entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Die beschlossene Kostenverteilung weicht von den Festlegungen der Teilungserklärung ab und orientiert sich an den Vorgaben des durch bestandskräftigen Beschluss genehmigten Vertrages. Selbst wenn mit der Genehmigung zugleich eine Änderung der Kostenverteilung beschlossen worden sein sollte, wäre dies aber mangels Beschlusskompetenz nichtig. Aus § 16 Abs. 3 WEG oder § 21 Abs. 7 WEG kann sich eine Beschlusskompetenz schon deshalb nicht ergeben, weil diese Vorschriften, die die Möglichkeit der Änderung des geltenden Verteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss regeln, erst mit der WEG-Reform am 1.7.2007 in Kraft getreten sind. Sie können daher nicht Grundlage für eine in den 1990er Jahren beschlossene Änderung des Verteilungsschlüssels in der Teilungserklärung sein.

Ebenso wenig könnte sich ein Beschluss über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels auf § 21 Abs. 3 WEG stützen. Nach dieser Vorschrift, die bereits vor der Reform des WEG im Jahr 2007 galt, können die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen, soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, denn die Verteilung der Pförtnerkosten ist hier in der Teilungserklärung ausdrücklich geregelt. Eine Änderung des in der Teilungserklärung geregelten Kostenverteilungsschlüssels konnte vor Inkrafttreten der WEG-Reform 2007 daher nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erfolgen. Ein vereinbarungsändernder Mehrheitsbeschluss war mangels Beschlusskompetenz nichtig.

In dem Beschluss selbst liegt keine Änderung des Verteilungsschlüssels der Teilungserklärung. Es werden lediglich die im Jahr 2011 für die Pförtnerdienstleistungen angefallenen Kosten verteilt. Eine abstrakt-generelle Regelung über eine Änderung des Verteilungsschlüssels der Teilungserklärung ist nicht getroffen worden.

(BGH, Urteil v. 8.6.2018, V ZR 195/17)

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