BGH: Käufer muss Schriftformmangel nicht heilen XII ZR 68/10

Eine Schriftformheilungsklausel in einem gewerblichen Mietvertrag hindert den Grundstückserwerber nicht, einen Mietvertrag, in den er eingetreten ist, unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen, ohne zuvor vom Mieter eine Heilung des Mangels verlangt zu haben.

Hintergrund

Die Vermieterin einer Ladenfläche verlangt vom Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Räumung des Ladens.

Im September 2005 schloss der Mieter mit dem Insolvenzverwalter des Rechtsvorgängers der Vermieterin einen schriftlichen Mietvertrag über eine Ladenfläche zum Betrieb einer Apotheke. Es war eine Mietzeit von 1.1.2006 bis 31.12.2015 vereinbart.

In § 24 Nr. 6 des Mietvertrags heißt es:
"Alle Vereinbarungen, die zwischen den Parteien getroffen worden sind, sind in diesem Vertrag enthalten. Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Den Mietvertragsparteien sind die besonderen gesetzlichen Schriftformerfordernisse der §§ 550, 126 BGB bekannt. Sie verpflichten sich hiermit gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen. Dies gilt nicht nur für den Abschluss des Ursprungsvertrages/Hauptvertrages, sondern auch für Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsverträge."

Nach Vertragsschluss verhandelten der Insolvenzverwalter und der Mieter über Ergänzungen des Mietvertrags. Sie vereinbarten schließlich unter anderem, dass die Mietzeit neu für die Zeit 1.3.2006 bis 28.2.2012 festgelegt wird und der Mieter berechtigt sein soll, das Mietverhältnis dreimal um je fünf Jahre zu verlängern. Die ergänzenden Vereinbarungen wurden allerdings nicht in einem von beiden Parteien unterzeichneten Schriftstück fixiert, sondern lediglich vom Insolvenzverwalter in einem Schreiben bestätigt.

Im Januar 2008 wurde die jetzige Vermieterin als Grundstückseigentümerin im Grundbuch eingetragen. Sie kündigte im April 2008 das Mietverhältnis ordentlich zum 31.12.2008. Hierbei berief sie sich darauf, dass der Mietvertrag nicht der Schriftform entspreche und daher die fest vereinbarte Mietzeit nicht gelte. Der Mieter akzeptiert die Kündigung nicht.

Entscheidung

Der BGH gibt der Vermieterin Recht. Sie konnte das Mietverhältnis ordentlich kündigen.

Der Mietvertrag entsprach nicht (mehr) der Schriftform, nachdem der Insolvenzverwalter und der Mieter Änderungen vereinbart hatten, ohne dies in einer von beiden unterzeichneten Urkunde niederzulegen. Mangels Schriftform galt der Mietvertrag gemäß § 550 BGB für unbestimmte Zeit geschlossen, sodass eine ordentliche Kündigung möglich war.

Kein Verstoß gegen Treu und Glauben

Der Vermieterin war es auch nicht aus Treu und Glauben versagt, sich auf das Fehlen der Schriftform zu berufen. Grundsätzlich darf sich jede Partei darauf berufen, dass die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform nicht eingehalten sei. Nur ausnahmsweise kann dies rechtsmissbräuchlich sein. Dies war hier aber nicht der Fall.

Die ordentliche Kündigung verstieß nicht deshalb gegen Treu und Glauben, weil die Vermieterin zuvor nicht verlangt hat, die Schriftform wieder herzustellen. Dem Erwerber eines Grundstücks ist es nicht als treuwidrig anzulasten, wenn er das Mietverhältnis trotz einer im Mietvertrag enthaltenen Heilungsklausel wegen eines Schriftformmangels kündigt. Anderenfalls würde der Schutzzweck des Schriftformerfordernisses ausgehebelt. Dieses soll sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Darüber hinaus dient es dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien sicherzustellen und diese davor zu schützen, unbedacht langfristige Bindungen einzugehen.

(BGH, Urteil v. 22.1.2014, XII ZR 68/10)

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