BGH: Keine Eigenbedarfskündigung auf Vorrat

Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs für einen Verwandten setzt voraus, dass der Begünstigte tatsächlich in die Wohnung einziehen will. Solange der Nutzungswunsch der Bedarfsperson erst geweckt werden muss, besteht kein Eigenbedarf, der eine Kündigung rechtfertigt.

Hintergrund: Eigenbedarfsperson zieht nicht ein

Die ehemalige Mieterin einer Einzimmerwohnung verlangt vom Vermieter Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs. Der Vermieter hatte den Mietvertrag im April 2011 zum 31.1.2012 gekündigt. Die Wohnung werde „dringend“ benötigt, um seine pflegebedürftige, 1926 geborene Mutter, die allein in einem Einfamilienhaus lebe, aufzunehmen.

Im anschließenden Räumungsprozess einigten sich die Parteien darauf, dass die Mieterin bis zum 31.8.2012 auszieht und bei einem fristgerechten Auszug 1.000 Euro erhalten soll. Die Mieterin zog im August 2012 aus. Seitdem steht die Wohnung leer. Die Mutter des Vermieters zog nicht um und verstarb im November 2014.

Die Mieterin hält den Eigenbedarf für vorgeschoben und verlangt Schadensersatz in Höhe von rund 24.000 Euro. Sie hat Beweis dafür angeboten, dass die Mutter nicht vorhatte, umzuziehen. Hierfür bezog sie sich auf ein ärztliches Attest, wonach die Mieterin zum Zeitpunkt der Kündigung in ihrem eigenen Haus versorgt gewesen sei und der Vermieter und seine Geschwister, nicht aber die Mutter selbst, geplant hätten, die Mutter „eventuell“ zu sich zu nehmen. Ferner hat die Mieterin den behandelnden Arzt der Mutter als Zeugen dafür benannt, dass die Mutter geistig noch in der Lage gewesen sei, selbst über einen Umzug zu entscheiden. Zudem spreche der zeitliche Ablauf dafür, dass der als „dringend“ bezeichnete Eigenbedarf nicht bestanden habe.

Amts- und Landgericht haben die Klage abgewiesen, ohne den Beweisangeboten der Mieterin nachzugehen.

Entscheidung: Eigenbedarf muss konkretisiert sein

Der BGH verweist den Rechtsstreit an das Landgericht zurück

Das Landgericht hätte den Beweisangeboten der Mieterin nachgehen müssen. Eigenbedarf liegt nämlich nicht vor, wenn die vom Vermieter benannte Eigenbedarfsperson gar nicht die Absicht hat, in die Wohnung einzuziehen. Hierfür spricht vorliegend einiges. Nicht zuletzt ist der zeitliche Ablauf ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Kündigung eine mögliche spätere Nutzung der Wohnung durch die Mutter erst vorbereiten sollte und der Nutzungswunsch der Mutter erst geweckt werden musste. Für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs reicht eine sogenannte Vorratskündigung, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch der Eigenbedarfsperson zugrunde liegt, jedoch nicht aus. Vielmehr muss sich der Nutzungswunsch soweit „verdichtet“ haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht.

Der Mieter hat in die für den Eigenbedarf geltend gemachten Tatsachen regelmäßig keinen Einblick. Er kann daher ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters nicht beurteilen, ob dessen Kündigung wegen Eigenbedarfs, die den Mieter zum Auszug veranlasst hat, berechtigt war. Wenn der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat umsetzt, liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist. Daher ist es dem Vermieter zuzumuten, plausibel darzulegen, warum der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand. 

(BGH, Beschluss v. 11.10.2016, VIII ZR 300/15)


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Schlagworte zum Thema:  Eigenbedarf, Kündigung, Mietrecht