Vertritt ein Rechtsanwalt bei einer Anfechtungsklage die beklagten Wohnungseigentümer, fällt auch dann die Gebühr für die Vertretung mehrerer Auftraggeber an, wenn der Anwalt den Auftrag zur Vertretung der beklagten Eigentümer vom Verwalter erhalten hat.

Hintergrund

Ein Wohnungseigentümer erhob gegen einen Beschluss aus einer Eigentümerversammlung Anfechtungsklage. Die Klage wurde dem Verwalter zugestellt. Dieser beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Vertretung der beklagten Wohnungseigentümer. Später nahm der Kläger die Klage zurück. Das Gericht erlegte ihm die Kosten des Rechtsstreits auf.

Strittig ist nun, ob der Kläger den beklagten Eigentümern nur die Rechtsanwaltskosten erstatten muss, die für die Vertretung eines Auftraggebers entstehen, oder ob die Anwaltskosten auf der Basis mehrerer Auftraggeber zu errechnen sind (sog. Mehrvertretungsgebühr).

Entscheidung

Dem Rechtsanwalt, der die übrigen Wohnungseigentümer in einem Beschlussanfechtungsprozess vertritt, steht die Mehrvertretungsgebühr zu.

Die Beschlussanfechtung ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband, sondern gegen die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft zu richten. Es handelt sich also nicht um einen Verbandsprozess, sondern um einen Individualprozess, der allerdings einem Verbandsprozess gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft angenähert ist. Die Klage ist nicht jedem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern dem Verwalter zuzustellen. Dieser ist berechtigt, die Wohnungseigentümer in dem Rechtsstreit zu vertreten oder anwaltlich vertreten zu lassen. Die Wohnungseigentümer können gemäß § 50 WEG in der Regel nur die Kosten eines Rechtsanwalts erstattet bekommen.

Daraus kann nicht gefolgert werden, dass diesem Rechtsanwalt die Erhöhungsgebühr für die Vertretung mehrerer Auftraggeber nicht zusteht. Auch dem Umstand, dass der Verwalter den Anwalt beauftragt hat, kommt keine Bedeutung zu. Die Mehrvertretungsgebühr fällt immer dann an, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber tätig geworden ist. Ob es einen oder mehrere Auftraggeber gibt, hängt nicht davon ab, wer dem Anwalt den Auftrag erteilt hat. Auch wenn bei einer Personenmehrheit nur eine Person den Auftrag erteilt hat, sind die mehreren Personen Auftraggeber des Rechtsanwalts.

Daran ändert nichts, dass das gerichtliche Verfahren über die Beschlussanfechtung einem Verbandsprozess ähnelt. Entscheidend ist, dass in dem Individualprozess gegen die übrigen Wohnungseigentümer mehrere Personen und nicht etwa der „Rest des Verbandes" als notwendige Streitgenossen auf der Beklagtenseite stehen, die sich anwaltlich vertreten lassen.

(BGH, Beschluss v. 15.9.2011, V ZB 39/11)

Praxis-Beispiel

Bei einem Streitwert von 5.000 Euro fällt in einem gerichtlichen Verfahren für den Rechtsanwalt folgende Verfahrensgebühr an (Gebührensatz 1,0 = 301 Euro):

1 Auftraggeber

1,3 Verfahrensgebühr
391,30 Euro


5 Auftraggeber
(z. B. 5 beklagte Wohnungseigentümer)

1,3 Verfahrensgebühr
391,30 Euro
+ 0,3 Erhöhungsgebühr für jeden weiteren
Auftraggeber (4 x 0,3 = 1,2)
361,20 Euro
Summe
752,50 Euro


10 Auftraggeber
(z. B. 10 beklagte Wohnungseigentümer)

1,3 Verfahrensgebühr
391,30 Euro
+ 0,3 Erhöhungsgebühr für jeden weiteren Auftraggeber
(rechnerisch 9 x 0,3 = 2,7, aber beschränkt auf höchstens 2,0)
602,00 Euro
Summe
993,30 Euro


(Dieses Beispiel stellt nur die Verfahrensgebühr dar. Hinzu kommen i. d. R. noch weitere Gebühren, z. B. Terminsgebühr, eine Auslagenpauschale sowie die MwSt.)


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