Wohnungseigentümer hat keinen Anspruch auf Aufzug
Hintergrund: Gehbehinderter Eigentümer will Aufzug einbauen
Die Mitglieder einer WEG streiten über den Einbau eines Aufzugs.
Die Wohnanlage besteht aus zwei Wohnblöcken mit jeweils vier Hauseingängen. Der 80-jährige Eigentümer einer Wohnung im fünften Stock möchte erreichen, auf eigene Kosten einen Personenaufzug in den von ihm bewohnten Hausteil einbauen zu dürfen. Er sei altersbedingt eingeschränkt. Zudem betreue er gemeinsam mit seiner Ehefrau zeitweise seine 1982 geborene, zu 100 Prozent behinderte Enkeltochter.
Einen Antrag in einer Eigentümerversammlung, ihm den Einbau eines geräuscharmen und energieeffizienten Personenaufzugs in dem offenen Schacht in der Mitte des Treppenhauses auf eigene Kosten zu gestatten, lehnten die Wohnungseigentümer mehrheitlich ab. Der Eigentümer klagt nun darauf, dass die übrigen Eigentümer den Einbau eines Personenaufzugs auf seine Kosten dulden müssen.
Entscheidung: Aufzug nein, Treppenlift oder Rampe ja
Der BGH weist die Klage ab. Der klagende Eigentümer darf den Aufzug nur bauen, wenn alle anderen Wohnungseigentümer zustimmen. An dieser Zustimmung fehlt es.
Für die Frage, ob die Zustimmung erforderlich ist, kommt es darauf an, ob den übrigen Wohnungseigentümern ein Nachteil im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Einen solchen Nachteil würde der Einbau eines Aufzugs begründen.
Dies ergibt sich aus einer fallbezogenen Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen. Neben dem Grundrecht auf Eigentum, auf das sich beide Parteien berufen können, ist auf Seiten des klagenden Eigentümers Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu beachten, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Denn der Eigentümer betreut seine schwerbehinderte Enkelin regelmäßig in der Wohnung und nimmt sie jeweils für längere Zeitabschnitte in seine Wohnung auf.
Aufzug wäre erheblicher Eingriff ins Gemeinschaftseigentum
Die Interessenabwägung wird in der Regel ergeben, dass die übrigen Wohnungseigentümer den Einbau eines Treppenlifts oder einer Rollstuhlrampe durch einen Wohnungseigentümer dulden müssen, wenn dieser oder ein Angehöriger unter einer erheblichen Gehbehinderung leidet. Anders ist es aber beim Einbau eines Aufzugs. Dieser begründet einen Nachteil im Sinne der genannten Normen. Er ist nur mit erheblichen Eingriffen in die Substanz des Gemeinschaftseigentums machbar. Bei lebensnaher Betrachtung erfordert er schon wegen der Bauvorschriften und des Brandschutzes einen massiven konstruktiven Eingriff in den Baukörper.
BGH: Anspruch auf Treppenlift oder Rampe, aber nicht auf Aufzug
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Zudem kann die Verkehrssicherungspflicht im Außenverhältnis zu Dritten Haftungsrisiken auch für die übrigen Wohnungseigentümer mit sich bringen. Ein Rückbau setzt erneut erhebliche Eingriffe in den Baukörper voraus, die nur mit großem baulichem Aufwand erfolgen können und ihrerseits neue Risiken bergen. Zudem dürfte ein Rückbau tatsächlich unrealistisch sein.
Kein Sondernutzungsrecht ohne Vereinbarung
Der Eigentümer kann auch aus einem weiteren Grund nicht ohne Zustimmung aller Eigentümer einen Aufzug einbauen. Soll nämlich der Aufzug wie hier nur einzelnen bau- und zahlungswilligen Wohnungseigentümern zur Verfügung stehen, wird diesen ein Sondernutzungsrecht an dem für den Einbau vorgesehenen Treppenhausteil eingeräumt. Die übrigen Wohnungseigentümer würden von dem Gebrauch eines Teils des gemeinschaftlichen Treppenhauses ausgeschlossen. Die Einräumung eines Sondernutzungsrechts setzt aber eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer voraus.
Wer Wohnung ohne Aufzug kauft, trägt Risiko selbst
Mit dem Grundgesetz ist dieses Ergebnis vereinbar. Zwar ist die Wohnung des klagenden Eigentümers schwer veräußerlich und für eine gehbehinderte Person nur mit einem Personenaufzug gut zu erreichen. Es hat sich aber ein Risiko verwirklicht, das der Eigentümer eingegangen ist, als er eine Wohnung im fünften Obergeschoss gekauft hat, die mit niederschwelligen Hilfsmitteln wie einem Treppenlift nicht ohne weiteres zugänglich gemacht werden kann. Aus dem Grundgesetz lässt sich nicht ableiten, dass die daraus resultierenden Erschwernisse zu Lasten der übrigen Wohnungseigentümer abzuwenden sind. Deren Wohnungseigentum ist nämlich gegebenenfalls ebenfalls schwer veräußerlich und würde mit zusätzlichen Nachteilen und Haftungsrisiken belastet.
(BGH, Urteil v. 13.1.2017, V ZR 96/16)
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