Nutzergenossenschaft ist kein gewerblicher Zwischenmieter
Hintergrund
Die Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in Berlin Prenzlauer Berg verlangen die Feststellung, dass zwischen ihnen und den Nutzern der Wohnungen keine Mietverhältnisse bestehen.
Anfang der 1990er-Jahre vereinbarten die seinerzeitige Eigentümerin und die im Wesentlichen aus den bisherigen Nutzern bestehende Hausgenossenschaft R. Selbstbau, dass die Genossenschaft mit Hilfe öffentlicher Fördergelder umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vornehmen und für die Dauer des auf 20 Jahre abgeschlossenen Nutzungsvertrages berechtigt sein soll, Mietverträge mit den bisherigen Nutzern abzuschließen. Nach Ablauf des Nutzungsvertrages sollte die Genossenschaft bisherige Nutzer als Mieter für die jeweils eigengenutzte Wohnung benennen können. Der Eigentümer sollte verpflichtet sein, mit diesen Nutzern Mietverträge zur ortsüblichen Vergleichsmiete abzuschließen.
Die Genossenschaft sanierte das Gebäude für rund 4 Millionen DM und vermietete die Wohnungen an ihre Mitglieder zu Quadratmeterpreisen von 1,80 bis 2,86 Euro.
Die Eigentümer und die Nutzer streiten nun darüber, ob die Eigentümer nach Ablauf der Nutzungszeit am 31.3.2013 nach § 565 BGB als Vermieter in die Mietverträge zwischen der Genossenschaft und den Nutzern eingetreten sind. Dies hätte zur Folge, dass die Nutzer auch weiterhin nur die bisherigen günstigen Mieten an die Eigentümer zahlen müssten und diese die Miete nur unter Einhaltung der Kappungsgrenze erhöhen könnten.
Entscheidung
Der BGH gibt den Eigentümern Recht. Sie sind nicht in die Mietverträge eingetreten.
§ 565 BGB regelt den Fall, dass der Mieter (hier: die Genossenschaft) nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten (hier: den Nutzern) zu Wohnzwecken weitervermieten soll. Die Vorschrift ordnet an, dass der Vermieter bei Beendigung des (Haupt-)Mietvertrages in den zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossenen Mietvertrag eintritt.
Die Voraussetzungen für einen solchen Eintritt der Eigentümer als Vermieter sind hier nicht gegeben. Denn bei der im Hauptmietvertrag vorgesehenen Weitervermietung an die Mitglieder der als Zwischenmieterin handelnden Genossenschaft handelt es sich nicht um eine gewerbliche Weitervermietung. Der Regelungszweck von § 565 BGB zielt nicht darauf ab, den Schutz des Mieters generell auf Fälle einer Weitervermietung durch den Hauptmieter auszudehnen, sondern nur auf bestimmte Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Eigentümer im eigenen Interesse und zum Zwecke des Anbietens der Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu üblichen Bedingungen einen Zwischenmieter einschaltet, der mit der Weitervermietung wiederum eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. In einem solchen Fall stellt § 565 BGB den Endmieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages so, als hätte er die Wohnung direkt vom Vermieter angemietet und gewährt ihm damit insbesondere auch den sozialen Kündigungsschutz.
Eine grundlegend andere Interessenlage besteht hingegen, wenn der Vertragszweck des Hauptmietvertrages nicht die gewerbliche Weitervermietung ist, sondern der Zwischenmieter mit der Weitervermietung gemeinnützige, karitative oder ähnliche Zwecke - wie hier in Gestalt der Wahrnehmung der Interessen der eigenen Mitglieder (der Bewohner des Gebäudes) durch die aus ihnen bestehende Selbsthilfegenossenschaft - verfolgt. Denn die Zwischenvermietung erfolgt dann vor allem im Interesse des Endmieters. Da der Zwischenmieter in diesem Fall die Interessen des Endmieters in der Regel bereits bei der Gestaltung des Hauptmietvertrags wahrnimmt, muss der Mieter nicht darüber hinaus dadurch geschützt werden, dass der Eigentümer nach Ende des Hauptmietvertrages in den Mietvertrag eintritt. Vielmehr sind solche Fälle wegen des engen Verhältnisses zwischen dem Endmieter und dem Zwischenmieter eher mit der Untermiete zu vergleichen, in denen der Untermieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages ebenfalls keinen Kündigungsschutz genießt.
Hier diente die Weitervermietung keinem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Genossenschaft, sondern dem Interesse ihrer Mitglieder - der Bewohner des Gebäudes - und der Verwirklichung eines Sanierungskonzepts. Hierbei hat die Genossenschaft bei Abschluss des Hauptmietvertrages die Interessen ihrer Mitglieder wahrgenommen. Sie hat dafür gesorgt, dass der Wohnraum den bisherigen Nutzern erhalten blieb und diese Mietverträge zu einer ungewöhnlich niedrigen Miete erhielten. Zugleich hat sie in dem von ihr abgeschlossenen Hauptmietvertrag Vorsorge dafür getroffen, dass die bisherigen Nutzer auch nach Beendigung des Hauptmietvertrages zu angemessenen Bedingungen in den Wohnungen bleiben konnten.
Daher hat der BGH – anders als zuvor Amts- und Landgericht – festgestellt, dass zwischen den Eigentümern und den Bewohnern keine mietvertraglichen Beziehungen bestehen.
(BGH, Urteil v. 20.1.2016, VIII ZR 311/14)
§ 565 BGB (Gewerbliche Weitervermietung)
(1) Soll der Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten, so tritt der Vermieter bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. […]
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