Gibt es sonst noch Investitionshemmungen kundenseits?
Münch: Na ja, die Wohnungswirtschaft ist ja relativ unberührt von der Coronakrise. Auch Logistik betrifft sie eher positiv. Doch im Gewerbesektor war zwei Monate lang starke Verschlossenheit zu spüren. Die Handelsbranche ist sehr stark betroffen. Das lockert sich jetzt gerade etwas. Handel, Büro, aber auch Logistik scheuen sich noch ein wenig, grundsätzlich zu überlegen, wie man etwas grundsätzlich anders machen kann. Nicht auf Smartlocks zum Beispiel vertraut man, sondern häufig immer noch auf einen kleinen metallischen Schlüssel. Das ist eine Innovation aus der Bronzezeit!
Fehlt es an Risikobereitschaft?
Münch: Technologie nutzen, um seinen Mietern mehr zu bieten, ist leider noch nicht überall angekommen. Wer weiß denn auf Knopfdruck, wie hoch seine Exposure zu einem Ankermieter ist? Manche Unternehmen brauchen Wochen, um darauf korrekt zu antworten. Eine Mietermix-Visualisierung in einem Center mit Risikoklassifizierung kriegen die meisten auch nur sehr mühevoll hin. Dies wird aber schon bald ein Teil des neuen Normal sein.
Wie finden Sie das Kundenbedürfnis?
Lampatz: Aus Videoterminen ziehen wir auf jeden Fall weniger Verbesserungsideen beim Kunden als aus einem Präsenztermin. Das geht direkt besser: Körpersprache und der unmittelbare Kontakt spielen da eine große Rolle. Denn wir gehen ja auch softwareseits stark auf Kundenwünsche ein. Dieser Austausch hat etwas gelitten in der Haupt-Corona-Zeit. Doch nun, in einer Situation, in der unsere Auftragspipeline immer noch gut gefüllt ist, werden wir auch wieder verstärkt in die Präsenzstermine mit den Kunden gehen.
Wie gehen Sie in dieser Situation mit den Bedarfen der Kunden um?
Dietzel: Es gibt ja weit reichende Consultingbedarfe im Markt. Kunden beim Onboarding auf ein neues System zu schulen, kann man in Teilen online und individuell durchführen. Doch bei fachlichen Schulungen für ganze Abteilungen wird das schon schwieriger. Und Einzelprobleme mit falsch eingegebenen Daten sind nochmal eine ganz andere Nummer. Wir entscheiden immer wieder neu, wann wir vor Ort sind.
Woran machen Sie das fest?
Dietzel: Wir stehen ja schließlich nicht nur für ein neues ERP-System und 360-Grad-Wohnungswirtschaft. Sondern wir punkten mit unserer Kompetenz und der Fachlichkeit, die wir als Haufe Group hier mit hineinbringen. Wir bilden ja die Kunden aus. Das geht bis zu Buchhaltungsschulungen. Etwa weil die Kunden sich an andere Systeme über Jahre gewöhnt haben oder es über einen externen Buchhalter haben laufen lassen. Nun erwerben sie dieses Grund- und Spezialwissen neu. So was kann nur vor Ort geschehen. Da wird es in Zukunft einen Mix geben. Doch ich muss auch nochmal sagen: Ohne diese ganze Coronakrise hätten wir unsere Online-Möglichkeiten niemals so weit vorangetrieben. Das ist das Learning aus dieser vertrackten Situation für uns alle. Auch diese Konferenz gerade ist doch online sehr cool! Doch einen Nachteil gibt es: In Online-Schulungen kann kein Mitarbeiter eines Kunden mal eine für ihn sehr brennende Frage persönlich unter vier Augen stellen. So wird es auch in Zukunft eine Art Gratwanderung zwischen online und offline.
Welche zwei Aufgaben sind derzeit die brennendsten als IT-Hersteller?
Münch: Nur zwei?! In so einem Unternehmen wie unserem gibt es unzählige! Kürzlich etwa haben wir das Online-Ordering für unsere Kunden in Europa ausgerollt. Alles geht nun voll digital über unser Kundenportal. Es war so nicht geplant: Doch das Portal hilft nun, die aktuelle Situation zu meistern. Auch machen wir verstärkt den Kundenfokus zu unserem eigenen: Das geht bis hin zu Tools wie "Debt-as-an-Asset" und dessen Verknüpfung in die große Plattform. Denn die meisten, die sich für Yardi entscheiden, wollen bessere Datenqualität, das heißt weniger Daten eingeben und gleichzeitig mehr auswerten.
Lampatz: Mit das Wichtigste ist das reibungslose Onboarding neuer Anwender. Das betrifft nicht zuletzt unsere Usability. Denn der Kunde soll in der Lage sein, die Nutzung unseres Systems auch selbstständig zu erlernen. Zweitens? Fokus aufs Kerngeschäft: Property und Fonds Management mit performanten Schnittstellen zu komplementären Drittsystemen! Wir versetzen unsere Kunden deshalb beispielsweise per Microsoft Power BI selbst in die Lage, sich gewünschte Auswertungen auf Grundlage unserer Datenbank zu schaffen, ohne sie in ihrer Individualität einzuschränken.
Dietzel: Wir treiben weiter das Thema Innovation: Software bedienen zu können von jedem Punkt und jedem Gerät, ist uns ein wichtiges Anliegen. Dafür haben wir mit axera den richtigen Invest getan. Damit helfen wir sowohl den durch die Krise aufgewachten Kunden als auch dem Gesamtmarkt. Das beruhigt unsere Bestandskunden für zukünftige Erweiterungen und schafft Vertrauen auch bei Neukunden. Wir werden Vorreiter sein. Denn wir selbst haben ja auch noch Kunden mit einem alten System im Keller. Auch diese werden wir so auf ihrer Reise in die Zukunft begleiten.