Zuweisung von WEG-Gartenflächen zur Alleinnutzung
Hintergrund: Streit über Gartennutzung
Die Mitglieder einer aus zwei Einheiten bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft streiten über die Nutzung des gemeinschaftlichen Gartens. Die Eigentümer sind tief zerstritten.
Die Eigentümer der einen Wohnung (im Folgenden: Wohnung A) haben einen Miteigentumsanteil von 26/100, die der anderen Wohnung (im Folgenden: Wohnung B) verfügen über 74/100. Nach der Teilungserklärung steht jeder der beiden Sondereigentumseinheiten eine Stimme zu.
Auf dem Grundstück ist ein Garten angelegt, Sondernutzungsrechte bestehen hieran nicht. Der Garten wird überwiegend von den Eigentümern der Wohnung B genutzt, die dort Brennholz lagern und Teilbereiche für sich allein beanspruchen.
Die Eigentümer der Wohnung A klagten zunächst auf Feststellung, dass ihnen der gleichwertige Mitgebrauch des Gartens zu gewähren ist. Zuletzt strebten sie eine Nutzungsregelung im Wege der Beschlussersetzung an.
Das Landgericht hat in seinem Urteil eine Nutzungsregelung getroffen. Demnach dürfen die Eigentümer von Wohnung A den Garten an geraden, die Eigentümer der Wohnung B an ungeraden Tagen nutzen.
Entscheidung: Zuweisung durch gerichtlich ersetzte Vereinbarung
Die getroffene Nutzungsregelung nach dem Rotationsprinzip entspricht nicht billigem Ermessen im Sinne von § 15 Abs. 3 WEG. Auch eine gerichtlich bestimmte Gebrauchsregelung, die den Eigentümern einzelne Gartenteile zur alleinigen Nutzung zuweist, ist nicht möglich. Statt dessen kann durch gerichtliche Entscheidung eine Vereinbarung ersetzt werden, die die Zuweisung bestimmter Gartenteile zur alleinigen Nutzung zum Inhalt hat.
Turnusregelung ist grundsätzlich möglich
Jeder Wohnungseigentümer kann nach § 15 Abs. 3 WEG eine dem billigen Ermessen entsprechende Mitbenutzung des Gemeinschaftseigentums verlangen und hat Anspruch auf eine Gebrauchsregelung. Die vom Landgericht getroffene Rotationsregelung für die Gartennutzung kann grundsätzlich Gegenstand einer solchen Gebrauchsregelung sein.
Eine Regelung, die im Interesse eines geordneten Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums dessen turnusmäßige Nutzung durch einzelne Wohnungseigentümer vorsieht, führt grundsätzlich nicht zu einem befristeten Sondernutzungsrecht. Kennzeichen eines Sondernutzungsrechts ist, dass einem oder mehreren Eigentümern unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer das Recht zur Nutzung von Teilen des Gemeinschaftseigentums zugewiesen wird. Bei einer Turnusregelung kann zwar auch ein Eigentümer das Gemeinschaftseigentum zu den ihm zugewiesenen Zeiten ausschließlich nutzen. Dient die Regelung dem geordneten, weil nicht gleichzeitig möglichen oder zweckmäßigen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums, wie etwa bei einem Wasch- und Trockenraum, bedeutet dies aber nur eine Einschränkung, nicht dagegen einen Entzug des Mitgebrauchs. Sie kann daher durch (Mehrheits-)Beschluss getroffen werden.
Wechselnde Nutzung widerspricht billigem Ermessen
Die vom Landgericht getroffene Turnusregelung entspricht aber nicht billigem Ermessen. Beide Seiten hatten eine räumliche Aufteilung des Gartens angestrebt, weil sie den Garten im Rahmen ihrer Nutzung gestalten und pflegen wollen. Eine Rotationsregelung mit täglich wechselnder Nutzung widerspricht dieser Vorstellung und lässt eine sinnvolle gärtnerische Nutzung nicht zu. Theoretisch könnten die Eigentümer bei wechselnder Nutzung den Garten täglich umgestalten. Da eine täglich wechselnde Nutzung des Gartens den Wünschen aller Beteiligten widerspricht und zudem neue Konflikte hervorrufen wird, stellt sie keine interessengerechte und damit billigem Ermessen entsprechende Gebrauchsregelung dar.
Flächenzuweisung als Gebrauchsregelung unzulässig
Eine (gerichtlich bestimmte) Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 3 WEG mit dem Inhalt, dass bestimmte Flächen des Gartens bestimmten Wohnungseigentümern zur alleinigen Nutzung zugewiesen werden, ist ebenfalls nicht möglich. Dies wäre wegen des vollständigen Ausschlusses der übrigen Eigentümer keine Nutzungsregelung im Sinne von § 15 Abs. 3 WEG mehr, sondern die Einräumung eines Sondernutzungsrechts. Sondernutzungsrechte können aber nur durch eine Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG begründet werden.
An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn allen Wohnungseigentümern eine gleichwertige Fläche des Gemeinschaftseigentums zur alleinigen Nutzung zugewiesen wird. Damit wird die Entziehung der Mitgebrauchsberechtigung an den übrigen Flächen nur ideell und wirtschaftlich, nicht aber - worauf es entscheidend ankommt - rechtlich kompensiert. Zudem kann die Feststellung, ob der Entzug der Gebrauchsmöglichkeit einer Fläche in gleichwertiger Weise durch die Zuweisung einer anderen Fläche kompensiert wird, erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Das gilt gerade für Regelungen über die Gartennutzung, bei der die Lage der zuzuweisenden Teilflächen von entscheidender Bedeutung ist. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist die Berücksichtigung einer ausreichenden Kompensation bei der Abgrenzung zwischen Gebrauchsregelung und Sondernutzungsrecht auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht angezeigt.
Flächenzuweisung durch gerichtlich ersetzte Vereinbarung
Gegenstand einer gerichtlichen Regelung nach § 21 Abs. 8 WEG kann aber auch eine - hier für die Zuweisung von Gartenflächen zur alleinigen Nutzung notwendige - Vereinbarung sein, wenn dem klagenden Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ein Anspruch auf Abschluss einer solchen Vereinbarung zusteht, bei deren inhaltlicher Ausgestaltung Spielraum besteht. Hier haben die Eigentümer von Wohnung A einen Anspruch auf Abschluss einer solchen Vereinbarung.
Kraft Gesetzes ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt. Weil das Verhältnis der Eigentümer zerrüttet ist, kann hier dieses Recht auf allseits gleichen Gebrauch des Gartens nicht verwirklicht werden. Auch eine Gebrauchsregelung kann die konfliktfreie Nutzung des Gartens nicht verwirklichen. Damit liegen schwerwiegende Gründe vor, die ein Festhalten an der gesetzlichen Regelung unbillig erscheinen lassen. Um das beiderseitige Anliegen der Parteien zu gewährleisten, ist eine flächenmäßige Aufteilung des Gartens mit der Zuweisung von Flächen zur ausschließlichen Nutzung durch jeweils eine Partei erforderlich, die nur auf der Grundlage einer Vereinbarung erfolgen kann. Im Hinblick darauf, dass die Vereinbarung den Anspruch auf gleichen Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums verwirklichen soll, spricht im Rahmen der Abwägung der Rechte und Interessen der Parteien im Grundsatz nichts dagegen, den Garten flächenmäßig etwa hälftig aufzuteilen. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung dieses Regelungsziels besteht dabei ein - die Anwendung des § 21 Abs. 8 WEG rechtfertigender - Spielraum hinsichtlich der konkreten Lage der Flächen.
Soweit ein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung mit einer flächenmäßig gleichwertigen Aufteilung des Gartens zur ausschließlichen Nutzung durch die jeweilige Partei besteht, kann die zu ersetzende Vereinbarung nur schuldrechtlicher Natur sein. Maßnahmen nach § 21 Abs. 8 WEG dürfen nur insoweit angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist. Eine Eintragung im Grundbuch und die damit einhergehende Wirkung der Vereinbarung auch gegen Sonderrechtsnachfolger der Parteien ist nicht veranlasst, weil die zu treffende Gebrauchsregelung durch das Zerwürfnis der gegenwärtigen Wohnungseigentümer begründet ist und die Notwendigkeit einer solchen Regelung bei einer Veränderung der personellen Zusammensetzung anders zu beurteilen sein kann.
Der BGH hat den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun klären, wie die Gartenflächen im Rahmen der gerichtlich zu ersetzenden Vereinbarung zuzuweisen sind.
(BGH, Urteil v. 8.4.2016, V ZR 191/15)
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