3 Fragen an Boris Palmer

Boris Palmer lehnt sich als Oberbürgermeister von Tübingen oft aus dem Fenster. Verrisse sind ihm wurscht, sagt er. Seine Meinung zu Fehlern in der Wohnungspolitik hat er bei Lanz geäußert, aber auch im L'Immo-Podcast. 3 Fragen an den streitbaren Politiker.

Herr Palmer, warum hat Tübingen bei so vielen Dingen eine Vorreiterrolle? Liegt das an Ihnen und an Ihren Genen?

Boris Palmer: Also erst mal ist die Stadt dafür auch außerordentlich gut geeignet, weil sie groß genug ist, dass man wirklich Masse hat und auch was bewegen kann. Aber noch klein genug und übersichtlich genug, dass man als Oberbürgermeister auch in der Lage ist, es zu überblicken. In Berlin würde das, glaube ich, kein Mensch hinkriegen und viel zu bürokratisch und viel zu segmentiert. Hier gibt es sozusagen dafür gute Voraussetzungen.

Die andere Hälfte der Medaille ist sicherlich die, dass ich zu den Leuten gehöre, die den Satz "Geht nicht, gibt‘s nicht" erst mal als oberste Verwaltungsdevise betrachten. Dass ich mir auch gern mal was Neues ausdenke und sage, "Wenn es so nicht geht, dann probieren wir es halt anders". Und dass mich wahrscheinlich auch eine gewisse Unerschrockenheit auszeichnet, denn ganz häufig sind die Gründe, warum etwas nicht gemacht wird, eher opportunistischer Natur.

Man hat Sorge vor dieser oder jener Wählergruppe, man will sich bestimmten Diskussionen nicht aussetzen, man fürchtet Verrisse in der Presse, was auch immer. Und da muss ich ehrlich sagen, das ist mir alles vollkommen wurscht. Wenn ich eine Sache für richtig halten, ziehe ich die durch.

"An den entscheidenden Stellen müssen die richtigen Leute sitzen"

Gegen schlechte Gesetze kann man nicht ankämpfen – oder?

Ja, das stimmt. Aber ich finde, der Bismarck, der hat da einen klugen Satz gesagt: Mit schlechten Gesetzen und guten Beamten lässt sich immer noch passabel regieren. Mit schlechten Beamten und guten Gesetzen ist der Staat am Ende. Von daher ist da schon was dran. Es kommt wesentlich darauf an, dass in den entscheidenden Stellen die richtigen Leute sitzen. Das gilt natürlich auch für den obersten Entscheider einer Stadtverwaltung. Und ich glaube, dass Tübingen deswegen auch mehr hinkriegt, als wenn ich sagen würde "Ja, der Buchstabe des Gesetzes gilt und ich hinterfragt das nicht".

Wenn eine Kommune mal was wagen müsste, bräuchten die Beamten da mehr Ermessensspielraum?

Die Frage ist eindeutig mit Ja zu beantworten. Dass da oft gar kein Ermessen möglich ist, verwehrt uns den Einsatz der Vernunft. Da sagt einfach der Paragraf "Stopp", obwohl man, wenn man die Situation vor Ort betrachtet, sich sehr klar dafür aussprechen kann, dass es hier eine Ausnahme bräuchte. Aber man darf halt nicht. Und da würde ich mehr Beinfreiheit unbedingt für notwendig halten (…) Es gibt keine Partei, die bisher effektiv Bürokratieabbau und Freiheit für Entscheidungsträger realisiert hat, sondern alle verheddern sich in diesem Gestrüpp aus Vorschriften, das sie dann irgendwann nicht mehr durchblicken.

Vielleicht wird das jetzt anders, weil der Problemdruck so stark wächst, dass man gar nicht mehr kann. Aber die Widerstände sind so breit verankert und so vielfältig: Von den Fachleuten über die Betroffenen, die Schützer aller möglichen Schutzgüter, die Presse, die Medien, die Richter. Egal wo man hinguckt, es wird halt immer der deutsche Hang zur Perfektion und Sicherheit mit Maximierung von Vorschriften und Standards gleichgesetzt.

Jetzt reinhören: Boris Palmer im L'Immo-Podcast


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