Kommentar zum Tag der Immobilienwirtschaft

In einem hybriden Format präsentierte sich dieses Jahr der Tag der Immobilienwirtschaft. Es war ein Stück weit so, als wäre man vor Ort dabei gewesen: Der ZIA zeigte seine große Nähe zur die Politik, die Themen waren reduziert, kontrovers und somit kurzweilig. Bei der Frauenquote muss allerdings noch nachgearbeitet werden. Ein Kommentar.

Das Format

Diese zwei Stunden waren ein Novum: virtuell, voller Grußworte und dennoch kurzweilig. Von den Inhalten her war die Veranstaltung allerdings nicht überraschend.

Der Streitpunkt

Das Mietenmoratorium. Während die Immobilienbranche die Verlängerung des Moratoriums über den 30.6.2020 ablehnt, plädierte Bundesfinanzminister Olaf Scholz dafür, Verständnis für eine Verlängerung des Moratoriums zu zeigen. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sprach von einer unzumutbaren Einschränkung der Eigentumsgarantie. Er hätte ein Sonder-Wohngeld besser gefunden als, wie er es ausdrückte, die Einladung der Politik, Zahlungsverpflichtungen nicht nachzukommen.

Besondere Forderungen

Christian Lindner betonte, das deutsche Steuerrecht sei international nicht wettbewerbsfähig und regte eine wachstumsorientierte Steuerreform an, inklusive besserer Möglichkeiten des Verlustvor- und rücktrags. Er regte ein einheitliches Fiskaljahr 2017-2021 an, in dem Verluste und Gewinne aufgehoben werden könnten. Auch monierte er, es wäre besser gewesen den Gebäudebereich einfach in den CO2-Zertifikatehandel zu überführen.

Zur Digitalisierung bemängelte Lindner sehr geringe Produktionszuwächse im Immobilienbereich und kritisierte insbesondere die öffentliche Verwaltung, da im Homeoffice mangels Ausstattung oft nicht adäquat gearbeitet werden könne.

Iris Schöberl (BMO Real Estate Partners) und Vorsitzende des ZIA Handelsausschusses regte vier bis fünf verkaufsoffene Sonntage im November beziehungsweise Dezember an. „50.000 Unternehmen im Einzelhandel drohen in die Pleite zu rasen“, meinte sie.

Der Stargast: Finanzminister Olaf Scholz

Der Bundesfinanzminister machte deutlich, dass die auf den Weg gebrachten verschiedenen Investitionsmaßnahmen einzig und allein den Sinn hätten, jetzt zu wirken. „Jetzt soll das Geld ausgegeben werden und nicht etwa 2021!“

Die Grußworte

Christian Ulbrich (JLL) mahnte eine Flexibilisierung von Mietverträgen an, Ulrich Höller (ABG Real Estate) befürchtete eine Konsolidierung des Marktes, Jochen Schenk (Realis) sprach von der Differenzierung von Assetklassen. Norbert Walter-Borjans Grußwort war von erstaunlicher Kooperationsbereitschaft mit der Immobilienwirtschaft geprägt. Er wies insbesondere auf den Wert des Bodens hin und befürwortete Modelle wie Erbpacht. Gesundheitsminister Jens Spahn sprach von der Bedeutung der Wohnung, die man als Mensch unter Quarantäne kaum verlasse.

Michel Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln sprach über die ausgesprochen schlechte Stimmung in der Immobilienwirtschaft und die negativen Erwartungen insbesondere im Büro und Handelssektor hinsichtlich einer möglichen Reduktion der Mieten. Die Sorge um Finanzierungsprobleme mache sich breit. Von Stundungen der Mieten seien im Gewerbebereich etwa 45 Prozent der Vermieter sehr stark betroffen.

Die Frauenquote

Iris Schöberl gegen den Rest der Welt.

Kommentar:

Dieser Tag der Immobilienwirtschaft (TDI) wird in Erinnerung bleiben. Den Veranstaltern ist es gelungen, ihre Verbundenheit mit und ihren Einfluss auf die Politik deutlich zu machen. Aus dem Grußwort, das Bundeswirtschaftsminister Altmaier an alle richtete, konnte man durchaus ein bisschen Pathos in der Zusammenarbeit mit ZIA-Präsident Andreas Mattner herauslesen.

Während die Nähe des ZIA zum Bundeswirtschaftsminister groß erscheint, scheint die Nähe zum Bundesfinanzministerium nicht ganz so groß. Es ist jedenfalls nicht bekannt, dass die Anregung, das Mietenmoratorium nicht zu verlängern, in irgendeiner Form auf Gegenliebe gestoßen ist. Mattner hatte darauf verwiesen, dass der Code auf Conduct im Handel kein politisches Eingreifen mehr erforderlich mache. Wie es im Moment aussieht, war diese Forderung wohl vergeblich. Gleiches gilt für die Forderung, Abschreibungen für energetische Sanierungsmaßnahmen nicht nur für selbst genutzte Immobilien, sondern auch für Gewerbeimmobilien einzurichten.

Christian Lindner war nicht mehr der Star der vergangenen Jahre. Für seine beißende Kritik am Mietenmoratorium gab es keinen Applaus.

Das Thema der gerne bemühten Systemrelevanz für die gesamte Immobilienwirtschaft geht schon deswegen fehl, weil die Branche so heterogen ist. Der Begriff passt einfach nicht, wird aber trotzdem unvermindert gerne verwendet. Systemrelevant waren bislang die Mitglieder von Branchen, die den Laden Bundesrepublik Deutschland am Laufen gehalten haben. Die Tatsache, dass eine Branche besonders potent ist, macht sie indes nicht unbedingt systemrelevant.

Die Frauenquote war völlig unzureichend! Und das, obwohl der ZIA-Präsident als Förderer der Frauen in der Immobilienwirtschaft bekannt ist.

Fazit:

Die Politik durfte sich darstellen, der ZIA auch, er durfte zarte Kritik an den politisch Verantwortlichen äußern (nicht zu laut, denn man will ja auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten). Zusammenarbeit ist wichtig, Taktieren gehört dazu. Und Taktik beherrscht Mattner vortrefflich.

Es war ein nicht überraschender TDI mit erwartbaren Botschaften, insoweit bewegt er sich in der Tradition der vergangenen Jahre. Das wichtige Thema der Innovation wurde zwar ausgespart. Allerdings war es meines Erachtens der ZIA selbst, der sich aufgrund seines hervorragenden virtuellen Konzeptes – insbesondere der Sponsorenlounge – tatsächlich ein Stück weit als Innovationstreiber positionierte.


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