Wohnungsunternehmen: Kündigungsschutz für klamme Mieter?
Hessens größte kommunale Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte (NHW) mit rund 59.000 Wohnungen will Mietern nicht kündigen, die ihre Nebenkosten wegen der gestiegenen Energiepreise nicht mehr bezahlen können. Man werde "individuelle Lösungen" finden – "niemand muss wegen des Krieges in der Ukraine um sein Zuhause fürchten", sagte NHW-Geschäftsführer Thomas Hain in Frankfurt am Main. Betroffene sollten mit der Mietschuldnerberatung Kontakt aufnehmen, um Lösungen zu erarbeiten. Da nicht absehbar sei, wie sich die Energiepreise entwickeln, hat das Unternehmen Mietern angeboten, die monatlichen Abschläge freiwillig zu erhöhen, soweit möglich.
Auch die Frankfurter GWH Immobilien Holding sagte den Mietern mit einem "Wohnversprechen" zu, keine Kündigungen wegen Zahlungsschwierigkeiten auszusprechen – angeboten wurden Ratenzahlungs- und Stundenvereinbarungen. Die Erklärung gelte ab sofort und nicht nur für Abrechnungen und erhöhte Vorauszahlungen für 2022, sondern bereits für mögliche Nachforderungen aus dem Geschäftsjahr 2021.
Rückzieher bei Vonovia: Doppelte Abschläge statt Kündigung
Der Wohnungsriese Vonovia will nun offenbar auch davon absehen, Mieter, die in Zahlungsverzug geraten, gleich vor die Tür zu setzen. Bei zwei Monatsmieten Rückständen drohe der Rauswurf, hatte der Immobilienkonzern im September auf einer Veranstaltung für Investoren angekündigt, wie unter anderem der Westdeutsche Rundfunk (WDR) berichtete. Eine Räumungsklage solle aber nur in letzter Konsequenz und als allerletztes Mittel durchgeführt werden, heißt es in einer Email des Unternehmens an den WDR.
"Bei uns wird niemand eine Wohnung verlieren, nur weil die Heizkosten nicht gezahlt werden können", sagte bald darauf Vonovia-Chef Rolf Buch der "Welt". Man kümmere sich intensiv um einzelne Fälle, in denen Mieter wegen hoher Energiepreise in Schwierigkeiten geraten seien. Notfalls könnten Vereinbarungen über Ratenzahlungen getroffen werden und man helfe bei der Suche nach staatlichen Unterstützungsleistungen. "Eine Kündigung wegen hoher Energiekosten werden wir nicht aussprechen", so Buch.
Allerdings will der Konzern die monatlichen Abschläge für die Heizkosten der Mieter verdoppeln, schreibt die "Westdeutschen Allgemeine Zeitung" (WAZ) online. Eine Sprecherin sagte dazu auf dpa-Anfrage, das werde nicht sofort für alle 490.000 Wohnungen greifen, sondern nach und nach umgesetzt. Zunächst habe man den Mietern frühzeitig geraten, selbst die monatlichen Abschläge zu erhöhen, um Vorsorge zu treffen vor zu erwartenden hohen Nachzahlungen und über Möglichkeiten des Energiesparens informiert. Auch andere Unternehmen hätten die Abschläge erhöht.
Bundesregierung diskutiert temporäres Kündigungsmoratorium
Niemand solle wegen krisenbedingter Probleme seine Wohnung verlieren, hatte vor Kurzem auch der Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko, gesagt. Die sozial orientierten Vermieter hätten bereits einem Kündigungsschutz zugesagt.
Auch bei Berlins landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mit 360.000 Wohnungen soll es keine Kündigungen geben, wenn Mieter wegen hoher Gas- und Stromkosten in Zahlungsverzug geraten und auch keine Räumungen von Wohnungen. Das hat der Senat am 27.9.2022 beschlossen. Zunächst für die Dauer von sechs Monaten sollen bei Mietrückständen individuelle und kulante Lösungen gefunden werden, erklärte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Er nannte Stundungen, Mietverzicht und Ratenzahlungen. Bei Bedarf sei eine Verlängerung der Regelung möglich.
Der Freistaat Bayern wird den Mietern seiner 16.770 Wohnungen bis mindestens April 2025 keine Mieterhöhungen schicken, kündigte Bauminister Christian Bernreiter (CSU) nach einer Sitzung des Kabinetts am 29. September an. Ausnahme sei, wenn Wohnungen energetisch saniert worden seien. Auch wenn es zu einem Mieterwechsel komme, könne der Mietpreis angepasst werden, so Bernreiter.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kündigte an, sie wolle Mieter angesichts der rasant steigenden Strom- und Heizkosten besser vor Kündigungen der Mietverträge wegen Zahlungsrückständen schützen. Ein solches Moratorium hat es 2020 und 2021 während der Corona-Pandemie schon einmal gegeben.
Risiko bei fristgerechter Kündigung
Ein temporärer Schutz durch Kündigungsmoratorien sei nicht genug – "Ein effektiver Kündigungsschutz ist dringend nötig", fordern Mieterverbände, Gewerkschaften und Richter in einem "Offenen Brief" an Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP).
Ebenso wichtig wäre die Möglichkeit, eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs durch Ausgleich des Mietrückstands abzuwenden. Bislang kann durch eine Nachzahlung des Mietrückstands nur die fristlose Kündigung geheilt werden, während die oft gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist bestehen bleibt. Der Wohnungsverlust droht dann ein paar Monate später, obwohl der Mietrückstand beglichen wurde.
"Das Justizministerium muss endlich seine offenbar vorhandene Blockade aufgeben und die Schonfristregelung auch auf die ordentliche Kündigung ausweiten und damit sowohl die Forderung einer Vielzahl von Verbänden und Vereinen, des Bundesgerichtshofs als auch der eigenen Koalition erfüllen", sagte etwa Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB).
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