ESG-Studie: Soziale Nachhaltigkeit bei Wohnimmobilien messen

Der soziale Mehrwert bei Wohnimmobilien macht das "S" in den ESG-Kriterien zum Schlüsselfaktor. Eine neue Studie bietet Leitlinien für Entwickler, Investoren und Asset Manager, mit denen die Bewertung messbar und vergleichbar wird. So lassen sich die Nachhaltigkeitsziele umsetzen.

Die gif Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung und die International Real Estate Business School (Irebs) an der Universität Regensburg haben eine Studie mit Ansätzen für einen standardisierten Bewertungsrahmen für soziale Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft veröffentlicht. Die wurde auf der Expo Real 2024 am 7. Oktober präsentiert.

"Während der EU Green Deal und die Grüne Taxonomie bereits konkrete Leitlinien für ökologische Ziele bieten, bleibt im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit noch viel zu tun", betonte Prof. Dr. Tobias Just, Studienleiter an der Irebs. Die Studie stellt demnach ein Rahmenwerk zur Verfügung, das relevanten Stakeholdern einen ergebnisorientierten Dialog zur Zielvereinbarung des Schlüsselfaktors "S" ermöglicht.

Messbares Konzept für soziale Nachhaltigkeit

Laut Just fehlt sowohl an einer einheitlichen Definition als auch an standardisierten Bewertungsinstrumenten. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass bestehende Ansätze zur sozialen Nachhaltigkeit oft zu allgemein formuliert sind und nicht auf die speziellen Anforderungen der Immobilienbranche eingehen. Ein Ziel ist es, die Vielfalt der Konzepte zu standardisieren und die Akzeptanz in der Immobilienbranche zu erhöhen. Bestehende Bewertungsansätze wurden harmonisiert und praxisnahe Handlungsempfehlungen für die Branche zu erarbeitet.

Die Studie, die von der gif Kompetenzgruppe Wohnen initiiert wurde, basiert auf der Analyse von 154 internationalen Veröffentlichungen, von denen 80 konkrete Ansätze zur sozialen Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft bieten. Es wurden Indikatoren und Instrumente identifiziert, die messbar und vergleichbar sind und Leitlinien für Projektentwickler, Investoren und Asset Manager über mehrere Nutzungsarten bieten sollen. Eine der wesentlichen Empfehlungen der Studie ist die Differenzierung von Maßnahmen nach ihrer allokativen oder distributiven Wirkung sowie nach ihrem privaten oder gemeinschaftlichen Nutzen. Diese Differenzierung soll das soziale Potenzial von Maßnahmen stärker hervorheben.

"Die Standardisierung ist längst überfällig", sagte Prof. Dr. Verena Rock, Präsidentin der gif. "Nur durch klare und einheitliche Bewertungsstandards des Schlüsselfaktors S kann die Immobilienbranche der Verantwortung für eine sozial nachhaltige Entwicklung in Europa gerecht werden."

ESG-Studie "Schlüsselfaktor S: Soziale Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft" (Download)

Wohnungsunternehmen – Social Value schon auf der Agenda?

Eine PwC-Studie von 2023 zeigt, wie das "S" in ESG von deutschen Immobilienunternehmen aktuell berücksichtigt wird. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hat sich an der Umfrage beteiligt.

Der Social Value als Kriterium für Nachhaltigkeit zielt laut PwC darauf ab, einen möglichst hohen sozialen oder gesellschaftlichen Mehrwert von Wohnimmobilien für Nutzer und Investoren zu schaffen. Während für das Kriterium Environmental mit der EU-Taxonomie bereits ein rechtlicher Rahmen für die Ausrichtung von Geschäftstätigkeiten besteht, gebe es im Bereich Governance Ansätze, während beim ESG-"S" und der Umsetzung noch nichts geregelt sei.

Die Mehrheit (72 Prozent) der Wohnungsunternehmen integrierte vor einem Jahr den Social Value bei unternehmerischen Entscheidungen bereits – vorwiegend bei Umbauten, Modernisierungen und Sanierungen (61 Prozent), aber auch bei der Festlegung der Mietpreise (56 Prozent) und bei Entscheidungen zum Ankauf (39 Prozent) oder Verkauf (elf Prozent).

Knapp ein Viertel (22 Prozent) der Befragten hatte Bedenken bei der Berücksichtigung der sozialen Nachhaltigkeit im Geschäftsalltag, weil noch keine einheitlichen Standards zum Messen des Social Value existieren. Die Mehrheit (78 Prozent) hatte hier aber keine Vorbehalte.

PwC-GdW-Scoring-Modell: Erhöhung des Social Value

Ein Scoring-Modell, das von PwC und dem GdW entwickelt wurde, zeigt, wie die neuen Anforderungen an Wohnimmobilien zu einer Erhöhung des Social Value beitragen. Die Unternehmen bewerteten die Kriterien der Kategorie "Wohnqualität" als die wichtigsten. Neben dem barrierefreien Objektzugang (für 56 Prozent sehr wichtig) gehören dazu: Eine ausreichende Anzahl an Fahrradstellplätzen (für 76 Prozent "wichtig" oder "sehr wichtig") sowie gemeinsam nutzbare Grünflächen am Gebäude (für 56 Prozent "wichtig" oder "sehr wichtig").

Auch privat nutzbare Außenflächen wurden von einer Mehrheit (61 Prozent) der Unternehmen als "wichtig" oder "sehr wichtig" erachtet. Das Ziel, eine hohe Quartiersqualität zu erreichen, ist weiter in den Fokus gerückt.

Insbesondere objektnahe Grün- und Freiflächen (für 55 Prozent "wichtig" oder "sehr wichtig") wurden als wesentlich für einen höheren Social Value genannt. Die Hälfte (50 Prozent) der Befragten fand objektnahe (Kinder-) Betreuungsangebote "wichtig" oder "sehr wichtig". Für 22 Prozent der Wohnungsunternehmen ist der Zugang zu elementaren Gesundheitsleistungen in unmittelbarer Nähe des Wohnobjekts von Bedeutung. Gemeinschaftsflächen oder gemeinschaftlichen Angebote halten 34 Prozent für "wichtig" oder "sehr wichtig", während 50 Prozent objektnahe generationsgerechte Flächen ganz oben auf der Liste haben.

Methodik der Studie "Social Value in der Wohnungswirtschaft"

Im Rahmen der Studie wurden 18 führende Wohnungsunternehmen in Deutschland im Sommer 2022 online befragt, davon 44 Prozent private Unternehmen und 33 Prozent Genossenschaften. Knapp 40 Prozent der Unternehmen beschäftigen 250 oder mehr Mitarbeitern. Ein Drittel der Befragten hat 1.000 bis 9.999 Wohneinheiten im Bestand, weitere 28 Prozent 10.000 bis 99.999 Einheiten. Über mehr als 100.000 Wohnungen verfügen 22 Prozent der befragten Unternehmen.

PwC-Studie "Social Value in der Wohnungswirtschaft"


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