Von Mieterstrom bis Carsharing: Wie das "WINNER"-Projekt funktioniert
Seit November 2016 hat der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) unter der Konsortialführerschaft der Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft an dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt "WINNER" (Wohnungswirtschaftlich INtegrierte Netzneutrale Elektromobilität in Quartier und Region) gearbeitet. Mit von der Partie auch fünf weitere Partner: Die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Gemag Gebäudemanagement AG, die Heos Energy GmbH, die NSC GmbH und der Carsharing-Anbieter "Teilauto".
Ende des Jahres wird das Projekt nun nach drei Jahren Laufzeit offiziell abgeschlossen. Die Infrastruktur bleibt erhalten: Ladepunkte, Carsharing und Mieterstrom können weiter genutzt werden. Darüber hinaus hat das Konsortium eine Fortführung des Projektes unter dem Titel "WINNER Reloaded" beantragt.
E-Mobilität und Wohnen: Eine Herausforderung im Bestand
Während neue Mobilitätslösungen bei Neubauprojekten bereits im Planungsprozess berücksichtigt werden können, ist es im Bestand schwieriger, neue Mobilitätsangebote oder E-Ladeinfrastrukturen im Quartier zu integrieren.
Genau darauf zielt das Projekt "WINNER" ab. Durch die Verbindung von elektromobilem Carsharing und Mieterstrom sollen Synergien gehoben werden. Im Kern werden elektrisch betriebene Carsharing-Fahrzeuge mit vor Ort produziertem Strom betrieben. Diese stehen gewerblichen Dienstleistern als Hauptnutzern sowie Mietern und externen Nutzern als Komplementärnutzer zur Verfügung.
Der Strom wird zudem als Mieterstrom an die Mieter geliefert. Diese erhalten so eine niedrigschwellige Zugangsmöglichkeit zur Energie- und Verkehrswende. Mit dem alternativen Mobilitätsangebot werden am Wohnort auch der motorisierte Individual- und Parkplatzsuchverkehr verringert, sodass neben lokalen Emissionen im Quartier auch Flächen für den ruhenden Verkehr reduziert werden können.
Rahmenfaktoren: (Rechtliche) Anforderungen
Zunächst galt es, die Rahmenbedingungen zu analysieren. Beispielhaft sei dies hier anhand der Errichtung von Ladeinfrastruktur dargestellt: Denn eine passende Ladeinfrastruktur für jeden Anwendungsfall gibt es nicht. Vielmehr muss im Vorfeld geklärt werden, was und insbesondere welche Ladeinfrastruktur geeignet ist.
Der Standort der Ladeinfrastruktur ist entscheidend für die sich daraus ergebenden (rechtlichen) Anforderungen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welchem Grund und Boden die Ladeinfrastruktur steht, sondern es ist erheblich, welche Personen oder Zugang haben. Steht die Ladeinfrastruktur zum Beispiel nur für einen bestimmten Mieter zur Verfügung, ist sie privat und muss bestimmte rechtliche Vorgaben nicht einhalten, wie sie öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur erfüllen muss.
Bei der Wahl des Standortes ist neben der potenziellen Nutzergruppe der zukünftige Bedarf zu berücksichtigen. Dies ist entscheidend, um zu planen, welche Art von Ladeinfrastruktur mit welcher Ladeleistung errichtet werden soll. Hierzu sollten Annahmen zu folgenden Parametern getroffen werden:
- erwartete Art und Anzahl der Fahrzeuge einschließlich deren Ladeleistung,
- erwartete durchschnittliche Parkdauer,
- Ladeverhalten der Fahrzeugbesitzer und
- das (Nicht-)Vorhandensein eines Lastmanagements.
Es ist vor allem die Wahl zwischen einer Schnellladesäule und einer Normalladesäule zu treffen. Erstere lohnt sich in der Regel, wenn eine hohe Ladeleistung in kurzer Zeit abzurufen ist. Für einen bestimmten Mieter ist eine kleine wandhängende Ladevorrichtung (Wallbox) meist die bessere Wahl.
Ebenso muss die Verfügbarkeit von (Stell-)Flächen und die Netzinfrastruktur oder -kapazität bei der Planung beachtet werden. Wenn der Netzanschluss nicht ausreichend dimensioniert ist, kann dieser eine begrenzende Rahmenbedingung sein. Es ist daher notwendig, während der Planungsphase zu prüfen, ob der Netzanschluss verstärkt werden muss und / oder ob ein Lastmanagement erforderlich ist.
Prozesse: Einbinden der Beteiligten
Mit dem Betrieb einer Ladeinfrastruktur sind Prozesse "in" beziehungsweise "hinter" der Säule zu implementieren. In den wenigsten Konstellationen reicht es aus, eine Ladeinfrastruktur ohne die Möglichkeit einer Authentifizierung oder einer Rechnungsstellung aufzustellen. Dafür müssen IT-Systeme eingerichtet oder Geschäftsrollen festgelegt werden. Die Errichtung von Ladeinfrastruktur kann mit der Einführung eines Mobilitätskonzepts im Quartier verbunden werden.
Im Projekt WINNER wurde ein elektromobiles Carsharing-Modell für Mieter und gewerbliche Dienstleister (zum Beispiel Pflegedienstleister und Gebäudeservicedienste) etabliert. Hierbei empfiehlt sich die gezielte Ansprache der Dienstleister im Rahmen bilateraler Gespräche – im besten Fall ist der Dienstleister bereits im jeweiligen Quartier unterwegs. In den Gesprächen kann über Mobilitätsbedarf, Analyse der eigenen Flotten mit typischen Nutzerprofilen und Möglichkeiten oder notwendige Einschränkungen einer Mehrfachnutzung von Elektroautos diskutiert werden. Wichtig ist, auch die Mitarbeiter "mitzunehmen", da diese letztlich das Carsharing-E-Fahrzeug benutzen.
Harte Faktoren: Wirtschaftlichkeit
Die Wirtschaftlichkeit von Ladeinfrastruktur ist individuell zu beurteilen. Sie hängt zunächst stark vom verwendeten Betreibermodell ab. Dementsprechend ergibt sich eine Vielzahl an Faktoren, die sich positiv oder negativ auf die Wirtschaftlichkeit auswirken können. Vor den Wirtschaftlichkeitsberechnungen sollten Informationen zu folgenden relevanten Kriterien vorliegen:
- private oder öffentliche Ladesäule
- Anzahl der potenziellen Nutzer
- Versicherungskosten
- Anzahl der errichteten Ladesäulen
- Bezugspreis Strom
- Ladezyklen der Fahrzeuge
- Ladegeschwindigkeit der Fahrzeuge
- zu zahlende Steuer
- möglicher Verkaufspreis Ladestrom
- Abrechnungskosten
- Vertriebs- und Verwaltungskosten
- Wartungskosten
- Beratungskosten, zum Beispiel rechtliche Beratung
Weiche Faktoren: Akzeptanz der Nutzer
Neben den technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen muss auch der Nutzer in den Fokus rücken. Denn es kann sein, dass alte Denkmuster (beispielsweise "Ich brauche ein eigenes Auto") aufgebrochen werden müssen. Dabei helfen Informationsveranstaltungen zum Thema Elektromobilität oder Artikel in Mitgliederzeitschriften über Mieter, die bereits Erfahrung haben. Auch eine intelligente Vernetzung kann die Akzeptanz der Mobilitätsangebote bei den Mietern erhöhen.
So kann etwa die Ausnutzung von Ladeinfrastruktur oder von Carsharing-Fahrzeugen auf einer digitalen Haustafel oder in einem Smart-Home-Angebot eingebunden werden. Ebenso kann eine Anmeldemöglichkeit für Carsharing-Neukunden über eine Geschäftsstelle des Wohnungsunternehmens für alle Beteiligten gewinnbringend sein, da der Mieter sich an seinen gewohnten Ansprechpartner wenden kann.
Fazit
Je nach Zugänglichkeit der Ladeinfrastruktur und der Ausgestaltung des Mobilitätsangebotes für Mieter ist der Aufwand der Einführung hoch, aber es bieten sich große Chancen, Partner der Wohnungswirtschaft stärker einzubinden und bereits vorhandene Kooperationen zu festigen. Um jedoch Elektromobilität und Carsharing großflächiger zu etablieren, bedarf es noch geänderter politischer Rahmenbedingungen.
Bei der Realisierung von baulichen Veränderungen im Quartier sind das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht zu prüfen. Hinzuweisen ist bei Neubauprojekten insbesondere auf die Prüfung der jeweiligen kommunalen Stellplatzsatzung. Durch die Berücksichtigung von Elektromobilität und Carsharing kann je nach Ausgestaltung der Stellplatzsatzung der Parkplatzschlüssel reduziert und somit eine bessere Gebäudewirtschaftlichkeit erreicht werden.
Auch sollte elektromobiles Carsharing nicht isoliert betrachtet werden, sondern ein intermodaler Ansatz im Fokus stehen: Neben dem Baustein des autoreduzierten Wohnens ist der öffentliche Nahverkehr ein entscheidender Faktor. Liegen Stellplätze für Carsharing-Fahrzeuge in fußläufiger Entfernung zu Haltestellen, wird intermodales Mobilitätsverhalten gefördert. Fahrradabstellbügel, Barrierefreiheit und fußläufig erreichbare Einkaufsmöglichkeit des Alltagsbedarfes tragen zudem dazu bei.
Der vollständige Artikel ist im Magazin "DW Die Wohnungswirtschaft", Ausgabe 10/2019 erschienen.
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