Seit 2002 bietet die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) den "Wahl-O-Mat" an, einen Online-Dienst, der im Jahr 2017 immerhin 15,7 Millionen mal genutzt wurde. Offensichtlich hält sie Immobilienthemen jedoch für kein wichtiges Kriterium bei den anstehenden Wahlentscheidungen. Sicher gibt es anderes, was für viele Wähler wichtig ist, wie Umwelt- und Klimaschutz, soziale Belange, Steuern, Gleichstellung der Geschlechter. Aber ist nicht das Wohnen ein Grundbedürfnis, die Immobilien ein wichtige Anlageklasse, die Klima und Lebensqualität auf Jahre beeinflussen?
Und die Ausgaben für das Wohnen einschließlich Energie und Instandhaltung sind 2019 mit 34,6 Prozent der größten Posten der privaten Konsumausgaben – obwohl der Anteil seit 2014 leicht rückläufig ist (gemäß der laufenden Wirtschaftsrechnungen des Statistischen Bundesamtes). In den Parteiprogrammen spielen die Themen Wohnen und Immobilien sehr wohl eine Rolle. Sie sind ein Spiegel der Philosophien der Parteien: Die einen wollen regulieren, zum Teil sogar enteignen, die anderen wollen Bürokratie abbauen, Regularien vereinfachen und setzen auf die Regulierung durch die Märkte.
Deutschland ist Mieterland
Diese Diskussionen kennen wir gut. Betrachten wir den Mieterschutz einmal im europäischen Vergleich: In Großbritannien, wo die Mietverträge in der Regel eine nur einjährige Laufzeit haben, gibt es ihn faktisch nicht. In Italien ebenso wenig, hier sind laut der öffentlichen Meinung vielmehr die Vermieter schützenswert. In Frankreich existiert ein Mietendeckel, um den sich keiner kümmert. Alle diese Länder haben deutlich höhere Eigentumsquoten für Wohnungen. Während für Deutschland 45 Prozent angegeben werden, sind es für Frankreich 58 Prozent, für Großbritannien 64 Prozent und Italien 72 Prozent – kein Wunder, dass in Italien die Interessen der Vermieter als schützenswert gelten.
In Deutschland ist das anders. Alle Parteien haben sich des Themas "Wohnraum für Bedürftige" angenommen. Während bestimmte Parteien reflexhaft mehr Sozialwohnungen fordern, scheint sich beim Gros das Thema Subjektförderung durchzusetzen: Bedürftige Menschen sollen vom Staat mit Wohngeld unterstützt werden. Sie müssten dann gar nicht mehr zwangsläufig in einer Sozialwohnung leben. Eine Partei bringt eine "Teilwarmmiete" ins Spiel. Die Vermieterin beziehungsweise der Vermieter soll für eine Basisversorgung mit Wärme sorgen. Der zusätzliche Verbrauch wird dann verbrauchsabhängig vom Mieter bezahlt. Damit sollen die Anreize zum Einsparen von Energie möglichst verursachungsgerecht verteilt werden.
Drei Hebel für mehr Eigentum
Die geringe Eigentumsquote in Deutschland ist eine Folge der Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs, aber auch der Politik, die hierzulande betrieben wird. Denn obwohl die Deutschen mehrheitlich vom Wohnen in den eigenen vier Wänden träumen, ist Mieten offensichtlich attraktiv und günstig in Deutschland, was ein Erfolg der Rahmenbedingungen und der Politik hierzulande ist, die auch eine sehr erfolgreiche Wohnungswirtschaft hervorgebracht hat. Kaufen scheint im Vergleich kompliziert und teuer zu sein. Fundamentale Änderungen, die den Erwerb von Wohneigentum einfacher und billiger machen würden, stellt keine Partei in Aussicht.
Die zentralen Hebel dafür wären geringere Auflagen und Vorschriften für das Bauen, ein größeres Angebot passenden Baulands und geringere Transaktionskosten. Die beiden ersteren passen nicht mehr in unsere Zeit, in der Umweltschutz und die Reduktion von Treibhausgasemissionen oberstes Gebot zum Klimaschutz sind. Dies sind keine angenehmen Wahrheiten für die Wähler, die sich zum Stimmenfang eignen würden. Das im Rot-Grün regierten Bezirk Hamburg-Nord erlassene Verbot vom Neubau von Einfamilien- und Reihenhäusern findet sich in keinem Wahlprogramm wieder. So was kommt still durch die Hintertür in Form einer überarbeiteten Bauordnung.
Sachlich macht das Sinn im Hinblick auf Umweltschutz und Senkung des Ressourcenverbrauchs – Wahlen lassen sich damit sicher nicht gewinnen. Was die Transaktionskosten anbelangt, zu denen Maklergebühren, Notarkosten und die Grunderwerbsteuer gehören, ist auch keine Entlastung in Sicht. Die Grunderwerbsteuer wurde seit der letzten Reform 2006 in allen Bundesländern bis auf Bayern und Sachsen angehoben.
Wenn Politik kreativ wird
Dabei ist Wohneigentum im Alter einer der größten Wünsche der Deutschen und wird auch als Baustein der Altersvorsorge inständig empfohlen. In diesem Zusammenhang beobachte ich in diesem Jahr ein gewisses Maß an Kreativität bei den Parteien: Eine plädiert für einen Baukosten-TÜV.
Eine andere schlägt ein Programm "Jung kauft Alt" vor, mit dem junge Familien dazu animiert werden sollen, Bestandsimmobilien in von Leerstand betroffenen Gebieten zu erwerben. Kreativität ist neben KfW-Fördermitteln also vorhanden. Mal sehen, ob´s hilft. Die neue Flexibilität des Homeoffice könnte Bewegung reinbringen.
Was mich überrascht hat, ist das plötzliche Wohlwollen für ein Konstrukt, das schon vor Jahren im Gespräch war, das es aber nicht in die Top 5 der wohneigentumsbildenden Maßnahmen geschafft hat: der Mietkauf. Er hat auch in meinen Augen etwas Faszinierendes: Ein Mieter zahlt neben seinem reinen Mietzins auch noch mit einem bestimmten Teil der Raten seine Wohnung ab. Das Konstrukt steht noch in der Schmuddelecke, weil es in der jetzigen Form allzu viele Nachteile mit sich bringt. Ich entdeckte es einst im Wahlprogramm der kleinen Partei Volt für ihre Europawahlen. Jetzt haben es sich gleich drei große Parteien auf die politische Agenda geschrieben.
Ich halte das eher für ein Feigenblatt. Weder Eigenheimzulage, noch Baukindergeld oder KfW-Förderungen haben dazu geführt, dass Deutschland ein Land der Immobilieneigentümer geworden ist. Ich glaube nicht, dass das per Mietkauf gelingen wird. Jenseits populistischer Forderungen zur Begrenzung von Mieten, bieten die Themen rund um Wohnen und Immobilien wenig Potenzial für den Stimmenfang. Wer dennoch seine Wahlentscheidung stärker an Wohn- und Immobilienthemen ausrichten möchte, dem seien die speziell für die Immobilienbranche aufbereiteten "Wahl-O-Mat"-Angebote von ZIA & Co. empfohlen.