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Profitieren auch Asylsuchende von der Bezahlkarte?


Profitieren auch Asylsuchende von der Bezahlkarte?

Für die Behörden ist die Bezahlkarte zweifellos ein Gewinn, im Hinblick auf die Asylsuchenden ist sie hingegen umstritten. Manche halten sie für stigmatisierend und einschränkend, andere wiederum für ein bequemes Zahlungsmittel, das Asylsuchenden ohne Bankkonto bislang verwehrt wurde. Aber was bedeutet die Bezahlkarte ganz konkret für Asylsuchende?

Aktuell wird eine deutschlandweite Lösung für die Bezahlkarte gesucht. Die Bezahlkarte soll Bargeldabhebungen in festgelegter Höhe zulassen, diskutiert wird noch über den Umfang der Region, in der die Karten eingesetzt werden können. Die Bezahlkarte kann je nach Kartenanbieter bei allen Mastercard- oder Visa-Akzeptanzstellen für Zahlungen verwendet werden. In einigen Regionen, wie beispielsweise dem Landkreis Greiz, wurden Bezahlkarten schon eingeführt.

Welche Vorteile hat die Bezahlkarte für die Asylsuchenden?

Die Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende hat nicht nur für die Behörden und den Steuerzahler, sondern auch für die Leistungsempfänger viele Vorteile. So kann ihnen beispielsweise viel Zeit erspart werden, denn für das Bargeld, das den meisten Asylsuchenden bislang noch ausgeteilt wird, müssen alle an einem bestimmten Tag im Monat in der Behörde erscheinen, was mit einer sehr langen Wartezeit verbunden sein kann. Die Bezahlkarte hingegen wird nur einmalig abgeholt und anschließend Monat für Monat durch die Behörde mit Guthaben beladen. Gefahren wegen hoher Geldbeträge im Geldbeutel sind Asylsuchende mit einer Bezahlkarte nicht mehr ausgesetzt. Online-Zahlungen sind mit Bargeld nicht möglich, eine Bezahlkarte kann dies je nach Einstellung hingegen leisten. Außerdem können die Karten besonders bequem und schnell für Zahlungen verwendet werden, auch an Self-Service-Kassen, die oftmals kein Bargeld akzeptieren und vielen Asylsuchenden bislang verwehrt blieben. Aber auch Zahlungen, die nur mit Bargeld beglichen werden können, stellen bei der Bezahlkarte kein Hindernis dar, denn die Bezahlkarte kann Bargeldabhebungen in einer monatlich festgelegten Höhe zulassen, sodass Asylsuchende weiterhin Flexibilität in ihrer Zahlungsweise genießen können. 

So funktioniert die Bezahlkarte

Übergeben wird die Bezahlkarte den Asylsuchenden verschlossen in einem Umschlag, in dem sich die Zugangsdaten zum Kartennutzerportal befinden. Im Portal kann der Kartennutzer seine Spracheinstellung auswählen. Das Portal ist rund um die Uhr sowohl im Internetbrowser als auch als native App (iOS & Android) auf dem Smartphone nutzbar. Asylsuchende können darin ihren Guthabenstand überprüfen und ihre getätigten Transaktionen oder ihre PIN einsehen. Die überwiegende Mehrheit der Asylbewerber:innen sind Millennials, also Personen, die nach 2000 geboren sind. Für diese junge Generation ist der Umgang mit dem Smartphone und dem Internet eine Selbstverständlichkeit. Grundsätzlich bieten die Kartendienstleister sowie die Behörden den Asylsuchenden Unterstützung im Umgang mit der Bezahlkarte, etwa mit FAQ und einer Hotline.

Die Karte ist insbesondere für Asylbewerbende gedacht, die beispielsweise aufgrund fehlender Ausweispapiere kein Bankkonto eröffnen können. Im Gegensatz zu Händlergutscheinen, die Asylsuchenden bislang oftmals ausgehändigt wurden, ist die Bezahlkarte nicht als solche erkennbar, somit verrät diese nichts über den Asylstatus des Zahlenden und beugt Stigmatisierung vor.

Verlieren Asylsuchende ihre Karte oder wird sie gestohlen, können sie diese augenblicklich selbständig in der App sperren, beim Amt eine neue beantragen oder die Karte selbständig wieder entsperren, sollte sie doch wieder zum Vorschein kommen. Das Guthaben geht dabei nicht verloren. Dank der erforderlichen PIN-Eingabe beim Bezahlen wird außerdem das Missbrauchsrisiko reduziert.

Wird die Entscheidungsfreiheit der Asylsuchenden eingeschränkt?

Obwohl die Karte für Asylsuchende zahlreiche Vorteile bietet, gibt es immer wieder kritische Äußerungen. Die Dispositionsfreiheit der Asylsuchenden würde zu sehr eingeschränkt.

Betrachten wir die Bezahlkarte genauer in Hinblick auf diesen Kritikpunkt: Die Bezahlkarte im Thüringer Landkreis Greiz, die bereits Anfang Dezember 2023 eingeführt wurde, ist auf Wunsch des Landrats in ihrer Zahlungsfähigkeit auf den Landkreis Greiz eingestellt. Hier könnte man zwar von einer Einschränkung sprechen, allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass genau diese Asylsuchenden in Greiz zusätzlich einen Bargeldbetrag erhalten, der ihnen auch Zahlungen außerhalb des Landkreises ermöglicht. Die regionale Einstellung auf den Landkreis Greiz gilt also nur für einen Teil ihrer Leistung. Dieser Teil der Leistung ist in erster Linie für den Einkauf von Lebensmitteln, Drogerieartikeln und Kleidung bestimmt und könnte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz alternativ sogar als Papiergutscheine oder in Form von Sachleistungen ausgehändigt werden. Die Karte bietet mit einer Zahlungsfähigkeit an allen Mastercard-Akzeptanzstellen im Landkreis Greiz eine enorme Flexibilität und kann beispielsweise auch an ÖPNV-Ticketautomaten, bei Friseuren oder in Gastronomiebetrieben verwendet werden. Die Asylsuchenden in Greiz kaufen mit der Bezahlkarte in ihrem Lebensumfeld ein und stärken damit die Region wirtschaftlich.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Behörden können einzelne Händlerkategorien ausgeschlossen werden. Den Verkauf einzelner Produkte in diesem Zuge zu unterbinden, wie bereits in den Medien kursierte, ist technisch jedoch nicht umsetzbar.

Greizer Landrätin Martina Schweinsburg zeigt sich äußerst zufrieden

In Greiz erhielten zunächst die Folgeantragsteller die Bezahlkarten, anschließend Asylbewerbende mit Duldung und derzeit werden alle anderen nach Asylbewerberleistungsgesetz Anspruchsberechtigten mit Karten ausgestattet.  Die Landrätin in Greiz, Martina Schweinsburg, wertet die Einführung der Bezahlkarten als Erfolg. Das Pilotprojekt laufe reibungslos. Gegenüber dem WELT Nachrichtensender sagte Martina Schweinsburg, dass diejenigen, die wirklich Schutz suchten, mit der Bezahlkarte überhaupt kein Problem hätten. Nach dem zweiten Auszahlungstag Ende Januar sei zudem nicht feststellbar, dass deswegen mehr Asylbewerbende den Landkreis verlassen.

Was sagen Asylsuchende zur Bezahlkarte?

Auch Asylsuchende selbst äußern sich positiv. Svitlana M. ist im März 2022 mit ihren beiden Söhnen und ihrer Mutter aus der Ukraine nach München geflohen. Da ihre Ausweispapiere nicht der nötigen Norm entsprachen, war es nicht sofort möglich, ein Bankkonto zu eröffnen und die Hilfeleistungen wurden zunächst als Bargeld empfangen. Eine Bezahlkarte hätte sie durchaus als vorteilhaft erachtet. So berichtete sie uns beispielsweise, sie habe manchmal ein bis zwei Stunden in der Warteschlange bei der Behörde verbracht. Eine Bezahlkarte hätte sie gegenüber Bargeldabholungen auf jeden Fall bevorzugt. Damit hätte sie sich selbst viel Zeit und den Behörden personelle Ressourcen erspart. Zudem hätte sie damit ihre Geldeingänge und -ausgänge einsehen können.

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Die gelernte Englischlehrerin Erinda Laca aus Albanien hat mit ihrem Mann und drei Kindern in Deutschland Asyl beantragt. Im Landkreis Eichsfeld wurde sie bereits mit einer Bezahlkarte ausgestattet. In der Sendung Frontal 21 sagt sie, die Bezahlkarte sei für sie kein Problem und mache keinen Unterschied. Sie könne damit sowohl im Supermarkt einkaufen als auch Kleidung oder sämtliche Dinge für den täglichen Bedarf.

Abgesehen von den Vorteilen, die eine Bezahlkarte Asylbewerber:innen selbst bietet, müssen deren Nachteile auch mit der positiven Entlastung unserer Behörden ins Verhältnis gesetzt werden. Welche enorme personelle und finanzielle Entlastung die Bezahlkarte für unsere Verwaltung bedeutet, haben wir bereits im zweiten Teil dieser Themenserie ausführlich geschildert.

Mit der Bezahlkarte für Asylsuchende bietet Deutschland weiterhin ein flexibles Zahlungsmittel, macht dabei einen Schritt in Richtung Digitalisierung und entlastet sowohl die Behörden als auch die Asylsuchenden. 

Schlagworte zum Thema:  Sozialleistungen, Flüchtlinge, Digitalisierung